Uriah Heep + Nazareth + Wishbone Ash (18.01.2020, Saarbrücken)

musicandstories flyerAuch  im Classic Rock braucht es immer wieder neue Ideen, um die Sache zu vermarkten, obwohl ja der Reigen an Klassikern ausreichen müsste, um die Hallen zu füllen. So kam Andy Scott, letztes verbleibendes Gründungsmitglied von SWEET auf die Idee, ein ganzes Paket zu schnüren und noch ein paar zusätzliche Fan-freundliche Momente in dem Event zu bringen. Das Programm sah es vor, dass die Bands neben der Musik noch ein paar Anekdoten aus ihrer Vergangenheit ausplaudern und es Einblicke in den Backstage-Bereich geben wird. Dies soll auch keine einmalige Sache bleiben, aber man muss ja auch den Erfolg der Erstausgabe abwarten. Für diese wurden mit URIAH HEEP, NAZARETH und WISHBONE ASH gleich drei Hochkaräter verpflichtet, die gemeinsam durch die Lande touren. NECKBREAKER war für Euch in der Saarbrücker Saarlandhalle dabei, um dem Konzept "Music & Stories" beim Debüt beizuwohnen.

Dabei muss man allerdings direkt anfügen, dass die Saarlandhalle für ein solches Billing vielleicht doch etwas überdimensioniert war. Die Rechnung, dass man die Zuschauerzahlen des Trios zusammen addieren kann, ging nicht auf, denn im jeweiligen Publikum herrscht doch eine gewisse Schnittmenge. Viele bekannte Gesichter, die ich schon bei den jeweiligen Formationen gesehen habe, belegen dies. Scott konnte hier auch aus den Vollen schöpfen, ist er mit allen drei Bands befreundet, die wiederum jeder seit fünfzig Jahren unterwegs sind.

WISHBONE ASH
Den Auftakt machte die verhältnismäßig ruhigste Truppe, die vielmehr dem Progressive Rock zuzuordnen ist. Anstatt des im Zwei-Jahres-Turnus stattfindenden Ducsaal-Gigs nahm ich jetzt auf der größeren Bühne mit dem Quartett vorlieb. Und irgendwie scheinen diese großen Produktionen nicht mehr das Ding von Andy Powell und seinen Mitstreitern zu sein. Eine gewisse Distanz war nicht von der Hand zu weisen, was aber keinesfalls an der Band selbst lag.
Die war von Anfang an motiviert und legte mit ihren stärksten Songs los. Für Weitgereiste wie mich ist so ein Unterfangen natürlich schwierig, da sich die Spielzeiten doch in Grenzen hielten und eben nur die absoluten Klassiker aufgeboten wurden, die man dementsprechend schon oft gehört hat. Wie DEEP PURPLE scheinen auch WISHBONE ASH auf ewig Promotion für ihr 1972er-Album zu machen, mehr als die Hälfte der Songs stammte von "Argus".

Das ist natürlich das Referenzwerk schlechthin und das, was die Leute hören wollen, Überraschungen blieben in der guten Stunde daher Mangelware. Zu denen gesellte sich noch je ein Titel aus den beiden Alben, die sie zuvor veröffentlichten und eine Kostprobe ihres demnächst erscheinenden neuen Longplayers "Coat Of Arms". Doch die getragenen Stücke kommen im intimen Rahmen so viel besser, aufgrund fehlender Hits waren das der für die meisten sicherlich unbekannteste Act. Dadurch fiel der Jubel zu Beginn sehr verhalten aus, auch weil viele noch nicht in der Halle waren.
Das Einzige, was die Musiker machen konnten, war einfach ihr Ding durchzuziehen und auf ihr brillantes Spiel zu vertrauen. Das kam absolut punktgenau aus den Boxen und strotzt nur so vor Feeling und Dynamik, Powell und Mark Abrahams verstehen es ihre Sechssaiter auch mal leise zu spielen. In den Satzgesängen wirkten die Vier ebenso sicher, da wackelte nichts, die lange Erfahrung macht sich hier natürlich in einem wunderbaren Klangerlebnis bezahlt. Vielleicht erwischten sie sogar den besten Sound des ganzen Abends, doch durch Orange-Verstärker gejagt wirkte dieser schon fast zu klar für die verspielten, teils psychedelischen Nuancen.

In Sachen Stageacting hatten sie eher weniger zu bieten, man merkte ihnen den fehlenden Kontakt an. Natürlich trafen sich die beiden Gitarristen oft, um gemeinsam zu spielen, speziell bei den großartigen mehrstimmigen Leads. Powell überließ dem neuesten Bandmitglied viele Parts, bei denen er auch mal die eine oder andere Pose ansetzte. Mit einem Könner wie Joe Crabtree im Hintergrund hat man aber einen, der neben seinem feinen Spiel für ein paar Schauwerte sorgt, wie er teilweise die Sticks kreisen ließ war schon atemberaubend.
Der Bandkopf versuchte es vor allem mittels Mitsingspielchen die Menge aus der Reserve zu locken und mit deren Anwachsen gelang es dann auch. Sicher waren auch ein paar rockigere Lieder sehr hilfreich, die das Publikum mehr in Bewegung versetzten und in den hypnotischen Sog hinein zogen. So wurde am Ende noch eine verdiente Zugabe gefordert, endlich wurde es mal laut in der Halle. So wurde es am Ende doch noch ein Auftakt nach Maß, vielleicht brauchte das gesetzte Auditorium auch nur etwas länger, um aufzutauen.

Setlist WISHBONE ASH:
The King Will Come
Warrior
Throw Down The Sword
We Stand As One
Jail Bait
Phoenix
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Blowin´ Free

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Danach war es Zeit für das großangekündigte Drumherum. Das fing ja eigentlich schon im Foyer an, wo überall großformatige Photos von Didi Zill aufgehängt waren. Der deutsche Großmeister der Rockphotographie hat für den Anlass auch ein paar irre Motive ausgepackt, mein Favorit war das Bild von NAZARETH oben ohne mit Hunden. Dort oben haben sich auch WISHBONE ASH direkt hinbegeben, um mitgebrachte Tonträger und andere Sachen der Fans zu unterzeichnen. Unten in der Halle wurde die Leinwand heruntergelassen, auf der direkt aus der Umkleide von URIAH HEEP gesendet wurde.
Zeremonienmeister Scott war dort hinten und nahm Bernie Shaw und Mick Box ins Schlepptau. Kurz darauf erschienen die Drei auf einem kleinen Podest an der Seite der Bühne, um dort an einem Stehtisch zu plaudern. So richtig heikle Geschichten kamen im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf den Tisch, aber ein paar Geschehnisse zum Schmunzeln hatten sie schon parat. Der gute Andy kennt die Jungs auch gut genug, um zu wissen, wonach er fragen muss, wie etwa die Story in der ein früherer Keyboarder zu einem Vorbild für eine Filmfigur avancierte.

NAZARETH
Die Schotten setzten nach einem langen Dudelsack-Intro auf deutlich rockigere Klänge als ihre Kollegen zuvor. Schon mit dem ersten Riff ließ es Jimmy Murrison deftig krachen, womit sie das Publikum viel besser packen konnten. Damit war von Beginn an mehr los und der Jubel brandete nach der Eröffnungsnummer direkt auf. Doch der Vierer setzte ebenso umgehend nach und haute ohne abzusetzen den nächsten Rockkracher raus. Auch vom Bewegungsdrang war der Mann an der Axt richtig fit, das habe ich schon anders bei ihm gesehen. Er ließ sein Arbeitsgerät wunderbar kreisen und als er einmal von der Les Paul an den Stratocaster wechselte durfte er zu einem längeren Solo ansetzen.
Das war auch nötig, weil mit Pete Agnew der andere Saitendehner mittlerweile seinem Alter Tribut zollen muss. Sicherlich ist er geistig hellwach, hat immer noch den Schalk im Nacken, im Backgroundgesang wusste er zu überzeugen, sein klackerndes Bassspiel ist unnachahmlich und treibt die Songs voran. Jedoch fielen ihm die Bewegungen sichtlich schwer, weswegen sich sein Radius in Grenzen hielt. Dennoch ist die gute Laune, die er mit dauerhaftem Grinsen verbreitet wichtig für die Stimmung der Truppe, hinten gab sein Filius Lee stoisch den Rhythmus vor.

Mit Carl Sentance hat die Truppe auch wieder einen Frontmann, der Energie auf die Bretter bringt. Optisch ist er mit engen Jeans, breitem Nietengürtel, Muscle Shirt, Minipli und Oberlippenbart massiv in den Achtzigern stehen geblieben, aber er besitzt auch die positive Ausstrahlung jener Ära. Mit hochgereckter Hand animierte er immer wieder die Zuschauer und nahm seine Kollegen mit. Und wann hat man zuletzt einen Musiker bei NAZARETH über die Bühne sprinten sehen, da hatte jemand so richtig Lust auf den Gig. Der Mann ist definitiv ein Gewinn, der noch mehr hermacht als vor eineinhalb Jahren beim SwedenRock. Dazu verfügt er über das für jene schottische Legende so passende Raspeln in der Stimme, als hätte er den Whiskey gegurgelt.

Vom Programm her gingen sie natürlich auch auf Nummer sicher und lieferten fast ausschließlich Material aus der Frühphase bis zum "Hair Of The Dog". Lediglich die zweite Top-Ballade stammte aus der Zeit danach und zwei Titel des aktuellen "Tattooed On My Brain". Mit dem Werk wurde die neugefundene Stärke unter Sentance untermauert und gab frisches Selbstvertrauen. Wie bei der ersten Band stand das angesprochene Top-Album im Fokus der Setlist, nur auf "Please Don´t Judas Me" muss ich weiter warten. Lediglich an der Dramaturgie müssen sie noch etwas feilen, denn mit ihrer Version des Folk-Klassikers hatten sie nach ihrem größten Hit einen etwas zu ruhigen Showstopper.
So fadete der Gig eher aus, als mit Power zu enden, ein flotteres Stück hätte man am Ende noch aufbieten können. Dazu vermochte es Murrison nicht dem Epos die nötige Tiefe zu verleihen, die sanften Töne wurden zu knarzig dargeboten, ohne die Komposition deutlich nach vorne zu bringen. Dem Publikum war es egal, es hatte in der Stunde ihren Spaß und machte sich richtig bemerkbar. Kein Wunder, schließlich gab es bei den Hits auch genügend Gelegenheit mitzusingen. Und da der Frontmann dann noch weiß zu interagieren, konnte er es dazu bringen, die Chance auch zu nutzen.

Setlist NAZARETH:
Miss Misery
Razamanaz
This Flight Tonight
Dream On
Change
Beggar´s Day
Changin´ Times
Hair Of The Dog
Tattooed On My Brain
Love Hurts
Morning Dew

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In der nächsten Pause flimmerte dann eine Tourbusbegehung mit Pete Agnew über die große Leinwand, die aber wohl vorab aufgezeichnet wurde. Dabei sinnierte er über all die Unwägbarkeiten von Fahrten in den Nightlinern, kein Wunder dass er das Tourflugzeug der Siebziger vermisst. Dabei sorgte er mit seinem trockenen Humor für einige Lacher in der Halle. Das alles konnte man sich via eingeblendeter Smartphone-App auch in der deutschen Übersetzung anhören. Anschließend kam er noch mit Andy Powell am Tisch neben der Bühne zusammen. Andy Scott plauderte mit ihnen über die gemeinsamen Touren in den USA, die sie machten als "The Ash" in den Staaten residierten. Von der Beziehung beider Bands wusste ich bislang nichts, dass "Naz´" mit dem letzten Act des Abends befreundet sind schon eher, beide habe ich schon öfter gemeinsam sehen können.

URIAH HEEP
Die machten es spannend und versteckten Drumkit und Tastenburg zuerst hinter einem Vorhang, als sie loslegten. Das ungeheure Selbstvertrauen, das blinde Verständnis zeigte sich umgehend, da sie es sich leisteten mit einem Auszug aus dem aktuellen Longplayer "Living The Dream" zu eröffnen. Keine Ahnung wie es diese Formation immer wieder schafft mich jedes Mal neu zu begeistern, doch ihre Energie ist schlicht unglaublich.
Bei ihnen hat sich die notgedrungene Verjüngung der Rhythmusfraktion als absoluter Frischzellenkur entpuppt, von der die drei Altvorderen zehren. Russell Gilbrook drosch wie ein Berserker auf seine Felle ein, ohne die Kompositionen dabei zu zerballern und hatte dabei so richtig Spaß in den Backen. Auch Dave Rimmer ist in der Band angekommen, das zeigten schon die letzten Gastspiele, sein Auftreten ist sehr selbstsicher geworden und er setzt sich auch musikalisch in Szene.

Man sieht den Mann mit den langen schwarzen Haaren immer wieder, wie er mit der Ikone Mick Box post, der sichtlich Spaß an Duellen mit seinem Kollegen hat. Ein paar Mal kreuzen sie auch die Hälse ihrer Instrumente, um den Fotografen ein paar tolle Motive zu bieten. Professionell bis in die Haarspitzen, selbst so Kleinigkeiten werden mühelos bedacht, dennoch wirkt das nicht gestellt. Frontmann Bernie Shaw tauchte ebenfalls immer gerne am Rande des Grabens auf und gab den knipsenden Kollegen ideale Motive. Rimmer hatte daneben in einer langen Jam auch ein paar Soloeinsätze, wobei man da lieber noch einen weiteren Titel in den siebzig Minuten gebracht hätte.

Doch Musiker wollen nun mal spielen und so kommentierte Shaw lässig "Play a little guys" als er für ein paar Minuten de Bühne verließ. Wie sehr sie Freude daran hatten, war ihnen während des gesamten Konzerts anzusehen, da strahlten alle um die Wette. Auch die Kommunikation auf der Bühne ist ein Erlebnis, immer wieder tauschte man Blicke und kurze Worte aus, suchte den Kontakt zu den Mitmusikern. Wie sich der Sänger am Spiel seines Sechssaiters erfreute, wenn er um seine Gitarren herum tänzelte und den Bandgründer präsentierte, zeigte die ganze Leidenschaft. Selbst wenn sie allabendlich die gleichen Songs abliefern, sie zelebrieren sie mit jeder Faser.

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Gerade das angesprochene Urgestein scheint nie zu altern, sein Haar mag zwar weiß sein, aber an Agilität hat er nichts eingebüßt. Das gilt sowohl für seine Bewegungen und Posen wie für sein Spiel. Egal ob schwer mit viel Wah-Wah oder bei flinken Soli, die Hände glitten so locker über die Saiten, dazu verzierte er die Töne oft mit seinen Gesten. Songwritingpartner Phil Lanzon sparte ebenso nicht mit ausladenden Gesten, während er mit der anderen Hand in die Tasten griff. Die beiden grauen Eminenzen tragen den Sound von URIAH HEEP, den Shaw mit seinem Gesang veredelt, den er immer noch mit voller Inbrunst abruft. Dazu war er stets ganz vorne zu finden, um auch die Zuschauer mitzunehmen.

Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denn bei der Hymne schlechthin, fällt jeder mit ein. Wurden vorher die Singalongs schon gut angenommen, ist hier natürlich wie immer die ganze Halle am Singen, eine wahrhaft ewige Nummer. Natürlich war auch sonst viel von ihrem Programm vorhersehbar, aber wie jener Gassenhauer funktionieren auch die übrigen Stücke immer wieder. Vor allem, wenn sie mit so viel Herzblut und Pathos vorgetragen werden.
Eine der besten Livebands des Planeten hat wieder gezeigt, dass sie selbst in der heutigen Zeit weiß, was eine Rock-Harke ist, einfach ein Phänomen. Da war es dann auch egal, dass nach ihnen Schluss war, viele hatten noch auf eine Jam aller Beteiligten gehofft. Insgesamt ist der Mehrwert der Music & Stories-Reihe noch ausbaufähig, um langfristig existieren zu können. Rein vom musikalischen Gehalt wäre eine Doppel-Headliner-Tour mit nur zwei Acts die bessere Alternative. (Pfälzer)

Setlist URIAH HEEP:
Grazed By Heaven
Too Scared To Run
Take My Soul Away
Rainbow Demon
Gypsy
Look At Yourself
July Morning
Lady In Black
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Sunrise
Easy Livin´

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