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dietotenhosen launedernaturnb mehrfachwertungEs mag sein, dass „Laune Der Natur“ am Endes des Jahres nicht das meistverkaufte Album in Deutschland sein wird, weil so ein Blondinchen, das besser in Russland geblieben wäre, dieser Tage auch was neues zum Kaufen anbietet, das ändert aber nichts daran, dass „Laune Der Natur“ das wichtigste deutsche Album des Jahres sein wird. Schließlich sind DIE TOTEN HOSEN nach über 35 Jahren im Geschäft und nach einigen Aufs und Abs in dieser langen Zeit so etwas wie eine Institution der deutschen Musiklandschaft, gleichzeitig steht man nach dem riesigen kommerziellen Erfolg mit dem letzten Album „Ballast Der Republik“ und der Single „Tage Wie Diese“, mit der man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, wieder verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit und Campino darf wieder seine Runden durch die ganzen Talkshows der Nation machen.

Für mich persönlich ist „Laune Der Natur“ dabei ein nicht ganz unwichtiges Album, denn nachdem ich die Hosen zu Zeiten von „Kauf Mich“ und „Opium Fürs Volk“, also zu der Zeit meiner Jugend, rauf und runter gehört habe, hat es dann tatsächlich wieder bis zum „Ballast Der Republik“ gedauert, bis ich DIE TOTEN HOSEN für mich wiederentdeckt habe, nicht nur, aber auch weil „Nur Zu Besuch“ in dieser Zeit für mich zur greifbaren Realität wurde.

Welchen Einfluss der Erfolg von „Ballast Der Republik“ auf die Produktion von „Laune Der Natur“ gehabt hat, ist schwer zu sagen, nachdem ich das neue Hosen Album in den letzten Tagen mal locker 20 Mal gehört habe. Auffällig ist jedenfalls, dass „Laune Der Natur“ überraschend radiountauglich und radioavers ausgefallen ist, selbst die erste Single „Unter Den Wolken“ ist eigentlich bereits zu „hart“ fürs Öffentlich-Rechtliche, man hat die Nummer bis dato auch kaum im Radio gehört, soweit ich das beurteilen kann. Auch die anderen Songs sind erstaunlich unkommerziell geraten, was man auch so sehen kann, dass auf dem aktuellen Hosen Album leider kein Song dabei ist, der das Potential besitzt, einmal in Zukunft Klassikerstatus zu bekommen, so wie „Wort Zum Sonntag“ beispielsweise. So eine richtige Hymne, der perfekte Livekracher oder einfach so etwas skuril-lustiges wie „Zehn Kleine Jägermeister“ ist unter den 15 Songs nicht zu finden.

Von daher kann man als Zwischenfazit sagen, „Laune Der Natur“ ist ein ganz typisches Hosen Album geworden, das keinen echten Fan großartig verschrecken wird, man eckt nicht an, man provoziert nicht, das hier ist genau genommen brave deutsche Rockmusik, wirklich Punk waren DIE TOTEN HOSEN, wenn überhaupt, eh nur auf dem ersten Album und das ist auch gut so.
Im Gegensatz zu früheren Alben bietet „Laune Der Natur“ aber auch deutlich weniger Angriffsfläche, was die Songs und das Songwriting angeht, solche Ausfälle wie „Dankbar“ oder „Depression Deluxe“ auf dem „Auswärtsspiel“ Album oder „Der Mond, Der Kühlschrank Und Ich“ vom „Unsterblich“ Album oder „Rambo-Dance“ vom „Kauf Mich“ Album. Zum Glück Fehlanzeige.
Jedes der 15 Stücke von „Laune Der Natur“ ist für sich genommen ordentlich gemacht, das Album ist von Anfang bis Ende gut hörbar, auch die Songreihenfolge ist stimmig. Für eine Albumband wie DIE TOTEN HOSEN es sind, ist damit das Hauptziel erreicht. Mich erinnert „Laune Der Natur“ dabei stärker an „Zurück Zum Glück“ und an „In Aller Stille“ als an das sehr massentaugliche „Ballast Der Republik“ oder das ironisch geprägte „Unsterblich“ Album. Da „In Aller Stille“ mein persönliches Lieblingshosenalbum ist, ist das nicht die allerschlechteste Entwicklung.

Verschwiegen werden soll in diesem Zusammenhang aber auch nicht die Kehrseite dieser Medaille. „Laune Der Natur“ fällt erstaunlich unpolitisch aus, selbst zwischen den Zeilen findet man keine Querverweise in Richtung „Gesellschaftskritik“, dabei gäbe es eigentlich genug zu sagen und es lägen genügend Themen auf der Hand, über die sich Campino auslassen könnte. Der vielversprechende Titel „Pop & Politik“ scheint zum Beispiel nur eine Rechtfertigung zu sein, seine Meinung offen zu sagen, nur sagt man hier eigentlich nichts, was von Bedeutung ist. Vielleicht dieses Mal keine Lust gehabt, vielleicht will man auch nicht immer den Weltverbesserer spielen, vielleicht will man auch einfach nur wieder „zurück auf den Bolzplatz“ wie im Opener „Urknall“ angekündigt.

Thematisch kann man demnach fast alle 15 Songs in das typische DIE TOTEN HOSEN Dreieck „Spaß Und Nonsens“, „Trauer Und Abschied“ sowie „Wir Sind Immer Noch Die (Punks) Von Früher“ einordnen. Da muss ich schon sagen, ich hatte bislang selten so ein Gefühl, dass sich alles so sehr wiederholt und dass alles irgendwie schon einmal da gewesen ist wie hier bei dieser „Laune Der Natur“.
Das leicht Reggae beeinflusste „Wannsee“ mit dem integrierten Wortspiel „Wann Seh‘ Ich Dich Endlich Wieder“ hat was von „Das Mädchen Aus Rottweil“, „Die Schöne Und Das Biest“ erzählt mit plakativen Worten ein Märchen im „Bonnie Und Clyde“ Stil, „Geisterhaus“ knüpft nahtlos an „Unser Haus“ und „Draußen Vor Der Tür“ an.

Die zwei Songs „Wie Viele Jahre“ und „Alles Mit Nach Hause“ erinnern an Stücke wie „Wir Sind Der Weg“, „Zurück Zum Glück“ oder „Altes Fieber“.
„Eine Handvoll Erde“ und „Alles Passiert“ behandeln ebenfalls zum wiederholten Male die Themen Schicksal und Abschied von Menschen und sind recht vorhersehbare Balladen im Stile von „Nur Zu Besuch“ und „Tauschen Gegen Dich“, gewidmet nun einmal aus aktuellem Anlass an andere Menschen, die von uns oder besser gesagt von den TOTEN HOSEN seit „Ballast Der Republik“ gegangen sind wie der ehemalige Schlagzeuger Wölli (1986 – 1999) und der Manager Jochen Hülder, das „J“ in JKP (Jochens kleine Plattenfirma). Das Familiengrab der TOTEN HOSEN auf dem Düsseldorfer Südfriedhof füllt sich so langsam aber sicher...
Emotionales Highlight ist in diesem Zusammenhang sicherlich der Albumabschluss in Form von „Kein Grund Zur Traurigkeit“, das von Wölli eingesungen und geschrieben wurde. Kann ich mir gut auch als letztes Outro bei den Konzerten vorstellen.

Mit dem dezent ironisch gehaltenen „ICE Nach Düsseldorf“, das ebenfalls den Tod, dieses Mal den eigenen, thematisiert, versuche ich den Bogen zurück zu Spannen zu den positiveren Seiten des Lebens und hierzu passen dann das von Reinhard Mey inspirierte „Unter Den Wolken“, sicherlich das philosophischste Stück des gesamten Albums sowie die Gute-Laune-Nummer „Laune Der Natur“, dessen Text einiges an Interpretationsspielraum zulässt.

Damit habe ich fast alle Songs durch und wenn die Hosen demnächst zu den Klängen von „Urknall“ (das Pendant zu „Strom“ vom „In Aller Stille“ Album), wovon ich ohne es zu wissen ausgehe, die großen und kleinen Bühnen (Wohnzimmerkonzerte) der Republik bespielen und beackern werden, dann sind DIE TOTEN HOSEN sowieso wieder in ihrer eigentlichen Heimat und dort wo sie hingehören.

Interessanterweise ist „Laune Der Natur“ letztendlich nahezu eins zu eins das Album, das ich erwartet hatte und das man nach objektiven Kriterien von den TOTEN HOSEN erwarten konnte. Ein kleiner Schritt zurück in Richtung Rockmusik mit nur wenigen kommerziell berechenbaren Songs, natürlich wagt man aber auch wenig Experimente in Sachen Musik, Texte und Sound und knüpft damit nahtlos an „Ballast Der Republik“ an. Betrachtet man die Ausgangssituation, die so ein bisschen damit vergleichbar ist als die Band Mitte der Neunziger „Opium Fürs Volk“ veröffentlicht hatte, hätte es mit „Laune Der Natur“ weitaus schlimmer kommen können, es hätte aber auch besser werden können, wenn die Band aus Düsseldorf etwas mehr Mut eingebracht hätte, beweisen müssen sie eh nix mehr. (Maik)


Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 51:00 min
Label: JKP/Warner
Veröffentlichungstermin: 05.05.2017

Bewertung:

Maik 20168,0 8 / 10


Andreas 6,0 6 / 10

David8,0 8 / 10

Klaus6,56,5 / 10

Matthias7,0 7 / 10

Pfaelzer7,0 7 / 10

Alex27,0 7 / 10

Alex26,5 6,5 / 10


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Pfaelzers Avatar
Pfaelzer antwortete auf das Thema: #21033 6 Jahre 10 Monate her
Sehe ich genauso, von den HOSEN kann man nichts mehr Neues erwarten, dafür liefern sie immer zuverlässig ab. Auch mir fielen sofort die angenehm unkommerzielle Herangehensweise und die introspektiven Texte auf. Wie anderswo geschrieben, ist das da wirklich persönlich, nur müssen es die Düsseldorfer nicht so heraus kehren.