W.A.S.P. - Golgotha

wasp golgothaMehrfach-Wertungder RedaktionEs schien in den letzten Jahren so, als ob sich eine weitere Truppe aus der Achtziger-L.A.-Heiligkeit komplett ins Livefach zurück gezogen hat. Wäre auch kein Wunder schließlich besteht die Setlist fast ausschließlich aus Klassikern bis zum "The Crimson Idol", welches auch schon 23 Jahre auf dem Buckel hat. Das hat auch bislang gut funktioniert, die Band liefert immer kraftvolle und intensive Gigs ab. Klar, die alten Vorwürfe stehen immer im Raum, aber wer stets so abgefeiert wird, kann so viel nicht falsch machen. Nun haben sich W.A.S.P. aber nach sechs Jahren berappelt und sind erneut ins Studio gegangen, fast schon ein Risiko. Immerhin haben Blackie Lawless seit dem "The Neon God"-Konzeptflop nie mehr so richtig die Kurve gekriegt, wohin geht die Reise mit "Golgotha".

Dabei muten biblische Themen schon etwas seltsam im Kosmos dieser Truppe an, die einst von Bibelwerfern auf das Übelste verfolgt wurde. Doch das ist nicht das einzig merkwürdige auf der Scheibe, auch der doch arg geschliffene Sound will so gar nicht zu dem passen, was ich von der Band kenne. Da hören sich die sehr prominenten Drumpatterns schon bekannter an, und ebenso wurden sie auch zu deutlich in den Vordergrund gemischt. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob nun Mike Dupke wie in den letzten Jahren oder Patrick Johansson hinter den Kesseln sitzt, das Ergebnis klingt irgendwie dumpf. Beschäftigt man sich aber näher mit der neuen Scheibe, stellt man fest, dass Mastermind Blackie Lawless so tief in die Klangwelten der Siebziger vordringt wie nie zuvor.

Das erklärt die Produktion teilweise, so ganz anfreunden kann ich mich nicht damit. Als ich mir letztens noch die auch nicht gerade gelungene letzte Scheibe "Babylon" anhörte, war da einfach ein anderer Druck dahinter, hier zeigen W.A.S.P. zu wenig Zähne. Speziell wenn man die beiden Opener miteinander vergleicht, zieht hier "Scream" eindeutig den Kürzeren. Vielleicht ist die Nummer aber zum Auftakt etwas unglücklich gewählt, der psychedelische Touch in den Gitarrenmelodien ist schon interessant, aber ich hätte mir etwas knackigeres gewünscht. Die Siebzigerschlagseite kommt beim folgenden "Last Runaway" noch deutlicher zur Geltung, der lockere melodische Rocker ist eine klare Verbeugung vor Blackies Helden von THE WHO.

Dementsprechend kommt alles ein bisschen gesetzter und lässiger rüber, man könnte fast von erwachsen sprechen. Da passt, dass das rock´n´rollige "Shotgun" trotz "Wild Child"-Gedenkintro nicht so naiv ausfällt wie frühere Titel der Machart wie "Wasted White Boys" oder "Rock And Roll To Death". Wo wir schon bei reiferer Songanlage sind, "Slaves Of The New World Order" klingt wie eine erwachsene Version von "Chainsaw Charlie (Murders In The New Morgue)".
Eigentlich ist das schon ein starker Song, doch leider ein derart dreistes Selbstplagiat, dass die "1987"er-Ausgabe von "Here I Go Again" weiter von der Vorlage entfernt ist. Gleiches könnte man auch von "Miss You" behaupten, derartige getragene, epische Powerballaden mit langem Outrosolo findet man nahezu auf jeder Scheibe der Amerikaner. Die passt aber noch besser ins Gesamtkonzept der Scheibe als bisher und kann ein Stückchen Intensität drauf legen.

Im Prinzip machen W.A.S.P. das was sie können, nicht mehr, aber auch nicht weniger, trotz des Versuchs neue Wege einzuschlagen, gelingt es nicht der Platte eine eigene Identität zu geben. Zu viel klingt einfach wie schon zig mal gehört, um sich deutlich von der bisherigen Geschichte abzusetzen. Die Orgel heult und dröhnt zwar permanent im Hintergrund, kann aber keine Akzente wie in "The Headless Children" oder "Forever Free" setzen.
Natürlich finden sich etwa in "Falling Under" wieder einige dieser unnachahmlichen heroischen Refrains auf "Golgotha", die einen sofort die Faust recken lassen. Damit werden auch die Fans versorgt, die sich ohnehin nicht allzu viel sorgen müssen, dass Lawless ein Meister des Selbstzitats ist, haben sie ihm schon lange verziehen. Auch dass sich aus dem Dreher wenig Songs in Zukunft in der Setlist wiederfinden werden, dürfte nur wenige stören. (Pfälzer)

Bewertung: 7 / 10


Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 54:16 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 02.10.2015

Wertung der Redaktion
David Pascal Jannick Maik Klaus Anne Jochen
8 9 9,5 9,5 7,5 7,5 8
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