slayer repentlessnb mehrfachwertungIch weiß gar nicht, was ich zu dem Thema alles schreiben soll, so viel fällt mir da spontan ein. Thrashikone, Wegbereiter, Metallegende, Überväter, eine endlos fortzusetzende Liste an Superlativen. Doch das Denkmal kam in den letzten Jahren merklich ins Wanken, das begann damit, dass Gitarrist Jeff Hannemann nach einem Spinnenbiss an nekrotisierender Faszitis erkrankte und seinen Job auf unabsehbare Zeit nicht mehr ausüben konnte. Dann gab es Streitereien mit Dave Lombardo, Auslöser waren Dinge, die eigentlich kein Rock´n´Roll sind, und damit gipfelten, dass der Drummer vor die Tür gesetzt wurde. Hannemann sah alledem von außen zu und verfiel ob seiner Untätigkeit immer mehr dem Alkohol. Ob nun diese seltene Erkrankung oder seine Trinkerei mehr ursächlich waren, dass er am 2. Mai 2013 an Leberversagen dahin schied wird man wohl nie ganz klären können. Völlig egal vor dem Hintergrund, wie früh das Leben eines Mannes endete, der uns zahlreiche Klassiker schenkte. Doch die zwei verbliebenen Mitglieder bissen die Zähne zusammen und reaktivierten Paul Bostaph, den einzig wahren Platzhalter auf dem Drumschemel und ernannten Aushilfe Gary Holt zum festen Mitglied. Seitdem muss seine eigene Combo EXODUS auf Sparflamme kochen, während SLAYER nun endlich mit "Repentless" zurückkehren.

Doch nicht nur das hat sich in den letzten Jahren geändert, auch im Umfeld gab es Veränderungen. Nach Jahrzehnten beim Rap-Label American Recordings hat man nun bei Nuclear Blast, dem größten Metallabel der Erde angedockt, sicher ein Coup der Donzdorfer. Somit räumte natürlich auch der etwas wirre Def Jam-Boss Rick Rubin seinen Rauschebart auf der Couch im Studio. Für Tontechnikfragen wurde mit Terry Date ebenfalls eine Größe verpflichtet, die schon das legendäre METAL CHURCH-Debüt veredelte und in der ersten Hälfte der Neunziger PANTERA auf Kurs brachte.
Somit gehören die teilweise alternativen Anklänge des Vorläufers "World Painted Blood" endgültig der Vergangenheit an. Verhehlen darf man allerdings nicht, dass einige Drumparts den Geist von "St. Anger" atmen, SLAYER diese Rohheit aber deutlich besser zu Gesicht steht. Großartig fällt das aber nicht auf, weil dies nur zum Vorschein kommt, wenn die Arrangements etwas luftiger werden. Das passiert allerdings nicht sehr häufig auf dem neuen Longplayer, denn es regiert der grobe Knüppel, der alle Löcher einfach zu fegt.

Wer nach den Geschehnissen auf Altersmilde bei den Herren gehofft hatte, schließt sich nun besser im Keller ein und vermeidet am besten noch jedes Lachen, denn sie werden Dich kriegen. Nach dem typischen, Hannemann gewidmeten Intro "Delusions Of Saviour" regelt der Titelsong direkt alles, Kompromisse sucht man vergeblich, so hört sich nur eine Band an, trotz Legionen von Epigonen. Die Riffarbeit ist fulminant und doch von hoher Güte, lässt sogar den Input von Holt erkennen. Ja, hier ist Gruppendynamik angesagt, der neue Sechssaiter weiß seinen Stil perfekt in das System zu integrieren, wertet dieses dadurch nur auf, ebenso Bostaphs zischende Breaks.

Im weiteren Verlauf wird das Gaspedal meist durchgedrückt, Hassbatzen wie „Take Control" fliegen dem Hörer nur so um die Ohren. Der bewährte Groove kommt nur bei „Chasing Death" und dem abschließenden „Pride In Prejudice" zum Vorschein, walzt da aber unerbittlich alles platt. Immer wieder kommen fiese Leads zum Einsatz und natürlich die klassischen Gniedelsoli, welche auch Holt perfekt beherrscht.
Ganz böse wird es, wenn die Gitarren die Stimmung unheilvoll aufbauen wie in „Casting The First Stone" mit seinen wuchtigen Duellen zwischen Gitarre und Drums. Das wird nur noch von „When Stillness Comes" überboten, welches an von der Atmosphäre der Tradition von Übertracks wie „Dead Skin Mask" oder „South Of Heaven" folgt. Tom Araya schreit, als hätte ihn der Leibhaftige persönlich gerade auf seine dreizackige Forke aufgespießt.
„Repentless" kopiert aber nicht den Stil der alten Klassiker, sondern entwickelt ihn weiter, orientiert sich mit seiner Raserei am ehesten am absoluten Klassiker „Reign In Blood". Das noch von Hannemann geschriebene „Piano Wire" weckt mit seinem verschleppten Riff die stärksten Assoziationen an die alten Tage. Und der speedige Auftakt von „Atrocity Vendor" hätte sogar auf dem Debüt stehen können.

Es ist beeindruckend mit welcher Konsequenz die Thrashhelden ihre Karriere und ihre Musik betreiben. Wo andere Thrashbands das ein oder andere Mal sich mit kommerziellen Gedanken trugen, waren den Vier solche Überlegungen immer fremd. Unaufhaltsam und tödlich wie ein Panzer überrollen sie alles was sich in den Weg stellt. Wenn Paul Bostpah seine DoubleBass los tritt, entsteht ein Sog, vor dem es kein Entrinnen gibt, gewalttätig und brutal. Passend dazu schreit Araya in „Vices" „A little violence is the ultimate drug – let´s get high!". Jawohl, mehr davon, lasst uns high werden.
Zusammen mit "Christ Illusion" ist die elfte Scheibe klar das Beste, was das Quartett veröffentlicht hat, seit die große Ära mit "Seasons In The Abyss" abgeschlossen wurde. Die erschien im gerne als „golden" bezeichneten Herbst 1990, und auch heute sehen die Zeiten für harte Mucke wieder rosig aus. Gerade hauen die Szeneführer im Wochentakt neue Ware auf den Markt, welche dann auch die obersten Chartsregionen erobert. Wie damals, so ist es auch dieses Mal, wenn Metal regiert, marschieren SLAYER vorneweg. (Pfälzer)

 

Bewertung: 9 / 10


Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 42:14 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 11.09.2015

Wertung der Redaktion
Matthias Klaus Jochen Dennis Pascal Andreas Maik
8 6  6  7,5 7,5 8
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