Accept - Blind Rage

 

accept blindragenb mehrfachwertungEs scheint also wirklich gut zu gehen mit der abermaligen Reunion der deutschen Metalinstitution, denn mit unverändertem Line-Up bringt man alle zwei Jahre neues Material auf den Markt. Die Pointe dabei ist, dass man nun einen amerikanischen Sänger hat, der genau wie Udo Dirkschneider singt. Dabei waren sich die Manager anno 1986, sicher, dass man es mit so einem Schreihals niemals weit bringen kann und verpassten ACCEPT mit David Reece und der "Eat The Heat"-Scheibe einen amerikanischen Kurs. Leider ging der Schuss kommerziell wie menschlich voll daneben, während die aktuelle Besetzung sehr gut harmoniert und auch hohe Chartpositionen einfahren kann. Da gibt es wenig zu ändern momentan, weswegen man auch für "Blind Rage" wieder auf die Dienste von Produzent Andy Sneap zurück griff.

Dabei bin ich gar kein so großer Freund davon, wenn man immer mit denselben Leuten zusammen arbeitet, denn mit der Zeit können sich viele Routinen einspielen. OVERKILL schafften es zwar kürzlich auch auf dem dritten Album nach ihrer Rückkehr zu ureigenen Stil immer noch taufrisch zu wirken, ihre Kollegen von KREATOR wiederholten sich auf "Phantom Antichrist" aber beispielsweise allzu oft. Daraus ergibt sich aber für das deutsche Flaggschiff auch eine zwiespältige Situation, denn kreativ still stehen sollten es auf keinen Fall. Andererseits will man es tunlichst vermeiden sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kaum eine andere Combo kann mehr Lieder davon singen, wie man sich durch allzu große Stilexperimente selbst Steine in den Weg legt. Also vertraut man weiterhin dem Mann an den Reglern, der genau weiß, wie ACCEPT zu klingen haben.

Schon die ersten Töne machen direkt klar, wohin der Hase läuft, nämlich schnurgeradeaus in die richtige Richtung. So muss man eine klassische Metalscheibe abmischen, hart, direkt, druckvoll, wuchtig, dennoch mit Freiraum für Melodien, und obendrein diese präzise schneidenden Gitarren. Das ist genau das wonach die Fans verlangen und die Solinger servieren es ihnen abermals. "Stampede" marschiert mit offener Handbremse voran, abermals eröffnet eine schnelle Nummer ein ACCEPT-Werk. Natürlich sollte man zu Beginn mit Volldampf alle Fronten klären, für viele gehört das zum Heavy Metal einfach dazu, zumal die Urgesteine genau jenen Auftakt mit "Fast As A Shark" seinerzeit kultivierten, wie kaum jemand anders. Ich will jetzt keinesfalls die hohe Qualität des Openers in Frage anzweifeln, doch ein Einstieg mit Stampfern wie "Balls To The Wall" oder "Metal Heart" fände ich zur Abwechslung interessanter.

Im weiteren Verlauf beinhaltet "Blind Rage" alle Zutaten, aus denen schon die Klassiker der Formation zusammen gerührt wurden. Da wären die knackigen Riffs, wie man sie im ebenfalls schnellen "Trail Of Tears" findet. Zur Gitarrenarbeit gehören selbstverständlich auch die melodischen Soli, bei denen Wolf Hoffmann sich auch an klassischen Adaptionen versucht. Kein Wunder, hat er bereits ein Soloalbum mit Gitarrenversionen von Stücken der großen Meister veröffentlicht, in der Schlussnummer "Final Journey" zitiert er aus der "Morgenstimmung" von Edvard Griegs "Peer Gynt"-Suite.
Dazu pumpt der Bass seines treuesten Weggefährten Peter Baltes gewohnt mächtig wie im Stampfer "Fall Of The Empire". Der bietet auch die wuchtigen Männerchöre, ebenso wie beispielweise "Dying Breed". Und Tornillo scheint den guten Dirkschneider endgültig vergessen zu machen. Rockige Anklänge im Stile von "Living For Tonite" lockern in Titeln wie "Dark Side Of My Heart" das vorherrschende Sperrfeuer etwas auf. Noch ein wenig ruhiger präsentieren sich die beiden Halbballaden "Wanne Be Free" und "The Curse". Und Andy Sneap besitzt jenes Talent, alles differenziert in das gewaltige Soundbild einarbeit zu können.

Das einzige, was man bei dem durchweg sehr starken Material kritisieren könnte, ist das Fehlen eines Überhits wie ihn seine Vorgänger mit "Teutonic Terror", "Stalingrad" oder "Shadow Soldier" aufboten. Nimmt man alle drei Alben mit dem neuen Frontmann zusammen, stellt man auch fest, dass ihnen untereinander der eigene Charakter fehlt. Das Problem hatte bereits das erste Comeback "Objection Overruled", aber eher in dem Sinn, dass man jedes Lied auf einem anderen der Achtzigerscheiben verorten könnte (ähnliches gilt im Übrigen auch für "Angel Of Retribution" von JUDAS PRIEST). Bei "Blood Of The Nations", "Stalingrad" und eben der neuen Scheibe hört man zwar, dass alle Songs im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts aufgenommen wurden, doch fiele jeder Song auf einer anderen der drei Langrillen nicht auf.
Da verlief zur Hochphase von "Breaker" zu "Russian Roulette" doch eine gewisse Entwicklung, die hier fehlt. Nimmt man noch das U.D.O.-Debüt "Animal House" dazu, sieht man, dass ACCEPT zu jener fähig waren, ohne auch nur im Entferntesten ihre Identität aufzugeben, was Fehlschüsse wie "Death Row" noch unverständlicher macht. Doch dies alles ist Jammern auf verdammt hohen Niveau, mit ihrem vierzehnten Studioalbum ziegen die Solinger erneut, woran sich sämtliche traditionelle Bands messen müssen. Vielleicht läuft sich diese Konstellation wirklich irgendwann ein, doch wie Aragorn sprach: "Dieser Tag ist noch fern!" (Pfälzer)

Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit:59:01 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 15.08.2014

Wertung der Redaktion
Pascal Andreas Ralf Maik Jochen Anne Klaus
7 7 7 8,5 6,5 7 5
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