Blues Pills - Blues Pills

 

bluespills bluespillsnb mehrfachwertungEiner der größten Shootingstars dieser Tage biegt nun endlich mit seinem Debütalbum um die Ecke. Alleine jene Tatsache zeigt schon, wie wundersam der Aufstieg der BLUES PILLS ist. Dabei trat die internationale, in Schweden lebende Künstlerkommune erst vor eineinhalb Jahren ins Licht der Öffentlichkeit. Doch aus gefeierten Gigs bei einschlägigen Festivals wurden schnell ganze Supporttouren und schließlich die ersten Headlinerspots und gute Positionen bei großen Festivals. Die Wartezeit bis dahin überbrückte man immer wieder mit EPs, nun fand man endlich im ganzen Tourstress Zeit, um den selbstbetitelten Erstling einzuspielen. Der rasante Aufstieg, der aktuelle Hype um die Band erinnert fast an die DOORS vor ihrem bahnbrechenden Erstwerk. Auch musikalisch ist man so weit nicht weg von dieser Legende, ist die Speerspitze der Retrobewegung ebenfalls in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern beheimatet. Bei so vielen Vorschusslorbeeren drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob diese berechtigt sind.

Diese lässt sich aber ganz leicht beantworten, denn die Vier können bei der Scheibe nichts verkehrt machen. Hier finden sich Stücke wieder, die alle schon länger existieren, die Band schon etliche Male auf der Bühne gebracht hat, und an denen sie weiter feilen konnten. Dazu können sich die beiden Supertalente in ihren Reihen wieder so richtig in Szene setzen, alleine das garantiert hohe Musikalität. Da wäre zu einen der blutjunge, begnadete Dorian Sorriaux, der zu den größten Hoffnungen an der Gitarre zählt und für sein Alter ein unglaubliches Feeling vorweisen kann. Dass der Knabe sich an den Großen orientiert zeigte sich, als er beim SWEDENROCK am Bühnenrand JOE BONAMASSA genau auf die Finger schaute.
Und Elin Larsson hat eine der beeindruckendsten Stimmen, die man in diesem Jahrtausend hörte, Vergleiche mit Janis Joplin sind nicht übertrieben, die Dame hat den Blues. Egal, ob sie beseelt singt, schreit, oder sich in souligen Gefilden ins Ohr schmeichelt, die Frontfrau beherrscht die komplette Bandbreite ihres Genres, betört mit ihrem Gesang. Und auch optisch weiß sie durchaus zu betören, denn dieses bildhübsche, feengleiche Wesen besitzt eine ähnliche Ausstrahlung wie ihre Stimme, ohne die auch nur ansatzweise in den Blickpunkt zu rücken.

Mir sind bislang vor allem die Stücke von der „Devil Man"-EP bekannt, von welcher es zwei auf den Longplayer geschafft haben. Diese finden sich hier in leicht veränderter Form wieder, wurden noch einmal umarrangiert. Das ist für mich die ganz große Kunst, wenn Bands mit ihren Stücken arbeiten, sie immer wieder anders klingen lassen, denn das hält die Sache spannend. „The River" klingt noch sanfter, noch gefühlvoller, während dem Titelsong des Minialbums das markerschütternde Intro geklaut wurde.
Es ist ganz klar zu erkennen, dass die Vier nicht mehr so treibend nach vorne rocken, sondern den Stücken mehr Luft zum Atmen geben. „Devil Man" swingt nun lässiger, anstatt von schweren ZEPPELINschen Riffattacken zu leben. Überhaupt hält sich der junge Saitenhexer bescheiden zurück und wurde ebenso wie Larson nicht mehr so in den Vordergrund gemischt. So kommt die Rhythmusfraktion besser zur Geltung und kann nun ihrerseits Akzente setzen, während sie auf den vorherigen Veröffentlichungen eher Beiwerk war.

Die Stärke der BLUES PILLS ist vor allem ihre Spontanität, diese ungeheure Frische, die Unberechenbarkeit. Das zeigt bereits der Opener „High Class Woman", wenn sich bei dem wummernden Basslauf plötzlich ein Riff heran pirscht, das ihre Power demonstriert. Ebenso bei „Jupiter", wenn der Fuß des Sechssaiters bis ins Nirvana über das Wah-Wah kippt, oder wenn im sehr ruhig beginnenden „Black Smoke" das Tempo unverhofft anzieht und die kompositorische Klasse unter Beweis stellt. Teilweise besitzen die Lieder einen Jam-Charakter, sind nach allen Seiten offen und rufen förmlich nach Bühnenimprovisation. Streckenweise wirken die Songs dadurch etwas unfertig, es ist noch nicht alles bis ins Detail durchdacht. Doch dies lösen die Vier durch eine jetzt schon begeisternde Eleganz besser, als es beispielsweise TED NUGENT auf dessen aktuellem Longplayer gelang.

Auch soundtechnisch ist man einen Schritt weiter gegangen, obwohl man diesen eigentlich zurück gemacht hat. Denn die wärmere, ursprünglichere, nicht mehr so druckvolle Produktion passt ideal zu den Songs und versetzt einen noch mehr zurück in die Zeit, in denen die Truppe musikalisch verwurzelt ist. Wurden sie auf diversen Metalfestivals noch ein wenig brachialer abgemischt, kann sich bei diesem Klangbild die hohe Dynamik viel besser entfalten. Damit tönen sie im Gegensatz zu den meisten der derzeitigen Retroacts noch authentischer. Titel wie „No Hope Left For Me" mit großartigen, gleißenden Leadfills von Sorriaux oder das psychedelische „Gypsy" profitieren sicherlich davon.

Dass das Quartett aber trotz des deutlichen Bekenntnisses zu den Siebzigern und ihren Vorbildern keineswegs altbacken klingt, liegt vor allem an ihrem Spielwitz und dieser Unbeschwertheit. Sie transportieren nicht nur die Musik von jener Zeit ins Heute, sondern auch den Spirit, die damalige Aufbruchsstimmung. Während von vielen als Einfluss das allgegenwärtige Luftschiff, FLEETWOOD MAC oder FRUMPY genannt werden, würde ich noch SANTANA in den Ring werfen. Vor allem in Sachen perkussiver Rhythmik hat man am ehesten von dem Latinorocker gelernt. Der gute Carlos hat ja jüngst sein originäres Line-Up mit den beiden JOURNEY-Recken Schon und Rollie reformiert. Mit „IV" muss er sich aber ganz schön anstrengen, um an dieses Erstlingswerk heran zu reichen.

„Blues Pills" erfindet das Rad sicherlich nicht neu, doch seit jenen Tagen gelang es kaum einer Scheibe, diesen Sound so ehrlich, so beherzt und mit so viel Klasse rüber zu bringen. Definitiv die Band der Stunde! Doch das birgt auch Risiken, es bleibt zu hoffen, dass sich die Frontgrazie und das Gitarrentalent weiterhin als Teamplayer erweisen. Und das zweite Album wird eine hohe Hürde, denn man muss noch mehr Eigenständigkeit gewinnen, ohne die Mission aus den Augen zu verlieren. Der Druck dürfte auch zunehmen, die Zeit, ihre Kompositionen reifen zu lassen, werden sie dann nicht mehr bekommen. (Pfälzer)

Bewertung: 8,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 43:17 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 25.07.2013

Wertung der Redaktion
Andreas Pascal Anne Maik Jochen Ralf Klaus
8,5 8 7,5 9,5 7 8,5 6,5
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