Opeth - In Cauda Venenum

opeth incaudavenenum200nb mehrfachwertungSie sind endgültig im Prog-Metier angekommen, nach den Metalwurzeln fragt kaum noch jemand, zu deutlich haben die Schweden ihre Fußspuren hinterlassen. Songschreiber und Spiritus Rector Mikael Åkerfeldt hat sich die Freiheit erarbeitet künstlerisch tun zu können, was immer er will. Seine Vorlieben und Einflüsse sind ebenso bekannt wie weit gefächert und der Mann lebt alles aus. Dieses Mal geht er noch weiter, "In Cauda Venenum" ist allerdings trotz des lateinischen Titels nicht in dieser Sprache gehalten. Nein, OPETH bemühen ihre eigene schwedische Muttersprache, was der oft zitierten Kauzigkeit eine zusätzliche Note gibt. Darüber hinaus hat man aber dennoch eine englische Version aufgenommen, die in der Doppel-Ausgabe nachgeschoben wird. Wohin treibt die Reise den Fünfer auf der nunmehr dreizehnten Langrille?

Natürlich ist gleich klar, dass die Sache wieder sehr eigenwillig ausfallen wird, doch es hat niemand etwas anders erwartet. Stilistisch geht man wieder etwas zurück zum ätherischen "Pale Communion" mit seinen fließenden Melodien, verweigert aber auch nicht die krudere Note der beiden Alben, welche dieses Werk einrahmten. Schon die Farbgebung des Covers deutet die Richtung an, vielleicht muss man attestieren, dass es endlich gelungen ist beide Welten mit einander zu vereinen. Damit treffen auch die Hauptideenfelder Progressive Rock und Art Rock aufeinander, so etwas hat man in der Art vielleicht nur bei "Shrines Of New Generation Slaves" von RIVERSIDE gehört.

Vor allem die sehr präsente Orgel von Joakim Svalberg nähert "In Cauda Venenum" an die Arbeit der Polen an, die sich stets in dem selben Spannungsfeld bewegten. Dazu bringen diese beiden stilistischen Eckpfeiler einen klaren Anspruch an das aktuelle Zeitgeschehen, doch ebenso sind sie klar in den Siebzigern verhaftet. Das große Jahrzehnt des Prog schaut immer gerne vorbei, man höre nur die "Aaah, Aaaah"-Chöre, welche typisch für den damals musikalisch so ergiebigen Jahrzehntewechsel waren. In den Siebzigern grub der gute Åkerfeldt schon immer, und er schürft hier noch tiefer, um die wundersamsten Klänge hervor zu bringen.

Die blubbernden Synthesizer des Openers "Livets Trädgård/Garden Of Earthly Delights" stammen direkt aus dem Erbe von Edgar Froese. Sein Faible für krautige Gewächse kann der Mastermind hier so richtig ausleben, "Charlatan" strotzt nur so von jazzigen Breaks, die instrumentalen Abfahrten sind teilweise irre und so noch nie gehört. Das Ganze wird in "Banemannen/The Garotter" getoppt, welches dem Ganzen eine schaurig-düstere Note verleiht, abgefahrene Licks tanzen über Streicher. Diesen Horror-Swing aus dem extremen Metal kommend versuchten einst DIMMU BORGIR in "Blood Hunger Doctrine", hier finden die Vorgaben ihre Vollendung.

Auf das Klangbild haben sich die Seventies ebenfalls ausgewirkt, die angestammte Schärfe fehlt ein bisschen, alles erscheint psychedelisch verwaschener. Lebendiger werden die Songs dadurch sicherlich, Akustikparts kräftiger und die Soli teilweise orgiastischer. Gerade bei denen und den Leadfills kann man die Veränderungen am besten beobachten, das bluesige Feeling gerät ein wenig in den Hintergrund, die charakteristische Melodieführung bleibt indes erhalten.
Das liegt auch daran, dass im Gegensatz dazu die Saiten etwas metallischer und nicht mehr so butterweich angeschlagen werden. Axtpartner Fredrik Åkesson bekommt mehr Spots ab, die er gewinnnbringend nutzt, während sich der Chefdenker auf seinen immer facettenreicheren Klargesang konzentriert. Am stärksten tritt er am Ende der wunderschönen Ballade "Minnets Yta/Lovelorn Crime" in Erscheinung, welches er mit einem grandiosen Solo veredelt.

Facettenreichtum herrscht aber nicht nur in der Stimme von Åkerfeldt, sondern auch in den Arrangements, manchmal kommt es einem vor als wolle er von allem noch mehr hinein packen. Pianolinien, jazzige Drums, doomige Schwere, Krautriffs, folkige Sensibilität, orientalische Atmosphäre, rhythmische Experimente oder Orchester, wobei es gelingt diese in der Gesamtheit nie zu überfrachten. Stets weiß man zu überraschen, Elemente welche eben noch auf wunderbare Weise miteinander harmonierten prallen plötzlich aufeinander.
Das oben erwähnte Wechselspiel zwischen Schwebezustand und konzentrierter Attacke wird auf die Spitze getrieben. Interessant ist auch, dass der Bass von Martin Mendez nicht wie in den Genres oft erlebt Wärme in die ruhigen Passagen pumpt, sondern meist dann zum Vorschein kommt, wenn sich die progressive Verdrehtheit Bahn bricht. Und am Ende schwebt das Album wie weiland  das erwähnte "Pale Communion" auf den Schwingen des phantastischen Epos "Allting Par Slut/All Things Will Pass" in anderen Ebenen davon.
OPETH ist es abermals gelungen, die Errungenschaften ihrer Vergangenheit weiter zu spinnen, und dennoch daraus etwas Neues zu erschaffen, das ist im wahrsten Sinne fortschrittlich. Klangliche Nuancierungen haben sich geändert und werden sich immer ändern, letzten Endes ist das auch Geschmackssache wie die Sprache in der man hier hört. Ob nun "In Cauda Venenum" ihr größtes Werk ist, muss die Zeit zeigen, es ist auf jeden Fall jenes, bei dem sie ihre künstlerische Vision am konsequentesten umgesetzt haben. (Pfälzer)


Anzahl der Songs: 10 (schwedisch) / 10 (englisch)
Spielzeit: 68:04 min (schwedisch) / 68:16 min (englisch)
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 27.09.2019

Bewertung:

Pfaelzer8,5 8,5 / 10


Andreas 6,0 6 / 10

Anne7,5 7,5 / 10

Maik7,0 7 / 10

Matthias6,5 6,5 / 10

Alex29,0 9 / 10


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