Amorphis - Queen Of Time

Amorphis queenoftime200nb mehrfachwertungNachdem man es sich zehn Jahre lang in der eigenen Nische bequem gemacht hatte, standen zuletzt ein paar Veränderungen bei den Finnen ins Haus. Dabei war der Abschied von Bassist Niclas Etälavuori keine so große Sache, da mit Olli-Pekka Laine ein alter Bekannter zurück kam, der ja auch bei BARREN EARTH mit weiteren Musikern aus dem Bandumfeld aktiv ist. Da war der Abschied von den finnischen Studios schon ein schwerer Schritt, nach einem Abstecher zu Peter Tägtgren landeten AMORPHIS mit „Under The Red Cloud“ in den Fascination Street Studios von Jens Bogren. Der war auch wieder erste Wahl, als es darum ging die neue Scheibe einzuspielen, wobei man sich für „Queen Of Time“ für die eigenen Verhältnisse viel Zeit gelassen hat.

Bereits beim angesprochenen vorherigen Studiowerk hatte ich die Wahl bemängelt, weil Bogren in meinen Augen nicht so recht passen will. Er überfrachtete den Sound der Formation und nahm ihm dadurch auch ein bisschen die Schärfe. Klar stand den Musikern der Kopf mehr nach einer Rückkehr zur alten Härte, doch dafür hätten sie auch bei Tägtgren bleiben können, denn er läutete ja die Wende mit „Circles“ ein.
Freunde der härteren Klänge wussten ja die jüngste Entwicklung seit „In The Beginning Of Times“ zu schätzen, stiegen doch die Todesbleireferenzen kontinuierlich. Und hier finden sie ihren vorläufigen Höhepunkt, so gemörtelt hat die Truppe seit „Elegy“ nicht mehr, Tomi Joutsen singt fast ganze Songs ausschließlich im gutturalen Bereich. Von den Gitarren her geht das ebenfalls sehr stark in die Richtung, schon beim Opener „The Bee“ drücken sie mächtig nach vorne.
Wer nun an „Tales From The Thousand Lakes“ denkt, liegt gar nicht so falsch, immerhin durchziehen auch die arabesken Melodien in Riffs und Leads, aber auch im Keyboardsektor das gesamte Album. Man scheint sich kompositorisch tatsächlich an der damaligen Phase zu orientieren, zu parallel erscheinen die Veränderungen. Jan Rechberger macht sich ebenso wieder deutlicher bemerkbar, immer wieder schießen seine Breaks hinein und pushen die Songs damit zusätzlich.

Doch die Kehrseite der Medaille ist für den späteren AMORPHIS-Anhänger natürlich die geringere Nachvollziehbarkeit, welche obendrein durch die vielfältige Instrumentierung leidet. Sicher war diese Vielfalt immer Trumpf, und auch hier gibt es diese tollen dynamischen Steigerungen wie im an den Klassiker „On Rich And Poor“ erinnernden „The Golden Elk“. Kaum eine andere Band vermag es, ein Thema so durch verschieden Härtegrade und Instrumente zu variieren, damit es stets erkennbar bleibt. Interessant ist auch, dass die Strophe im Eröffnungstrack gegrunzt wird, während der Chorus wunderbar melodisch ausfällt, beim folgenden „Message In The Amber“ verhält es sich genau umgekehrt.

Doch hier wollte man zu viel, vielleicht hat sie auch der Produzent mit zu vielen Ideen vom Wesentlichen abgelenkt. Eine Vorgehensweise, die ich allerdings bei vielen Acts aus dem Stall ihres langjährigen Labels mit Sorge betrachte. Man muss nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, nur weil es sie gibt, ob ein Saxophon zu AMORPHIS passt, lasse ich mal dahin gestellt. Das gab es bereits auf „Am Universum“ und von dieser Charakteristik her gesehen nähern sich die Sechs jener Langrille an. Heuer ist es in „Daughter Of Hate“ zu hören, doch da gibt es neben anderen Zutaten auch noch einen Spoken Words-Part von Texter Pekka Kainulainen.

Der Frauengesang wurde nicht so überstrapaziert wie zuletzt, doch beim rockenden „Amongst Stars“ hat man sich mit Anneke von Giersbergen prominente Unterstützung geholt. Ein wenig kontert die  DoubleBass hier den flotten Rhythmus, die wäre in anderen Stücken besser aufgehoben gewesen. Es ist schon erstaunlich, was noch alles auf „Queen Of Time“ gepackt wurde: Flöten, proggige Einschübe, Leadbasslinien, Vocodersounds, Keyboardsoli, Synthieflächen, sphärische Intermezzi, Akustikparts oder Hallchöre.
Und wenn das nicht reicht, dann gibt es auch noch dicke Orchestrierungen, die vor allem beim Rausschmeißer „Pyres On The Coast“ üppig ausfallen. Was eigentlich eine interessante Klangfarbe gewesen wäre, doch so lässt man das Orchester in fast jedem Titel aufspielen. Damit ist die Scheibe hoffnungslos überladen und die feinen Melodielinien haben es schwer den Zugang zum Hörer zu finden, weil ihnen kaum Luft gelassen wird.  Dazu kommt auch noch das arg komprimierte Mastering, welches die Details erdrückt.

Dabei ist sich die Handschrift der Herren sofort erkennbar, die typischen Trademarks sind nicht in den Hintergrund getreten. Folkloristische Elemente und die feine Leadarbeit sind immer noch vorhanden, ebenso die weiten Refrains und die herrliche Melancholie, die Formel, die man gefunden hat, funktioniert auch hier. Was an der Zwiespältigkeit der Platte nicht ändert, es entsteht der Eindruck man hat Fans jeder Bandphase zufrieden stellen wollen, doch das geht halt nicht, zu vielschichtig ist ihr Sound und ihr Backkatalog. Im Prinzip kann man sogar mit einem Kauf nicht viel falsch machen, doch ihre Vergangenheit weist fokussiertere Werke auf, und die eingeschlagene Richtung sollten AMORPHIS ernsthaft überdenken. (Pfälzer)

 

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 57:53 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 25.05.2018

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Andreas 6,5 6,5 / 10

Anne7,5 7,5 / 10

David4,5 0 / 10

Jochen6,0 6 / 10

Maik8,5 8,5 / 10

Matthias8,5 8,5 / 10

Pascal7,5 7,5 / 10

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Kategorie: Gruppenzwang