nazareth nomeansofescapeAktuell scheint es um die Geschicke der schottischen Hardrockurväter nicht so gut bestellt. Die letzten Studioalben waren doch alle klar unter Durchschnitt und auch live ist seit Jahren Sand im Getriebe. Trotz einiger Verjüngungen kann man auf der Bühne nicht an die Power von vergleichbaren Acts wie URIAH HEEP heran reichen. Als zu Beginn des letzten Jahres mit Frontmann Dan McCafferty die unbestrittene zentrale Figur aus gesundheitlichen Gründen seinen Hut nahm, schien das Ende gekommen. Doch erneut konnten sich NAZARETH aufraffen und mit dem ebenfalls aus Dunfermline stammenden Linton Osborne schnell einen Nachfolger präsentieren. Leider war für den Mann nach einem Jahr schon wieder Schluss und Carl Sentance, vormals bei PERSIN RISK und KROKUS übernahm. Dies hinderte die Truppe allerdings nicht daran diese Phase genauer zu beleuchten und ein Konzert, sowie eine Dokumentation auf die DVD "No Means Of Escape" zu packen.

Besagter Gig fand in den Londoner Metropolis Studios statt, wo sich zuvor die treuesten Fans der Band versammelt hatten. Dies sorgte in dem sehr kleinen Rahmen für eine intime Atmosphäre, die leider kaum eingefangen wurde. Man sieht zwar viele Hände oben im Publikum, in der Audioabmischung hört man nur kaum eine Reaktion heraus. Dabei wäre der Rahmen durchaus für diverse Zwischenrufe geeignet gewesen, die sicher kamen, doch nie auf Konserve gebannt wurden. Die Band agiert innerhalb der begrenzten Möglichkeiten engagiert, vor allem der immer sehr sympathische Bassist Peter Agnew sticht hervor, nicht nur beim punktgenauen Backinggesang.

Auf den kleinen Brettern kann dann auch Osborne kaum seine Qualitäten ausspielen. Mir kam zu Ohren, dass er auf den großen Festivalbühnen viel unterwegs wäre, hier muss er sich auf seine Gesten und Ansagen beschränken, wo er weit hinter seinem Vorgänger zurück steht. Manchmal wirkt er in seinen Bewegungen sogar etwas unbeholfen, weiß nicht so recht, was er zwischen seinen Gesangspassagen tun soll. An Charisma und Witz wird ihm McCafferty ewig voraus sein, kein Wunder bei der Bühnenerfahrung. Stimmlich kann er mit einem klassischen Rockorgan glänzen, welches manchmal etwas nasal klingt. „Bad Bad Boy" könnte in seiner Version auf MOETLEY CRÜEs „Dr. Feelgood" Platz finden.

Es ist zwar schön zu sehen wie die Vier als Einheit agieren und auch die Fans mitnehmen, wenn es aber an Qualität mangelt, dann nützt auch der Zusammenhalt nicht, egal wie ehrlich er auch sein mag. Der gute Linton ist sicherlich ein sympathisches, hemdsärmeliges Raubein, bei dem die Attitüde stimmt, doch ein Frontmann muss mehr leisten. Dass die Fußstapfen zu groß waren, wird hier überdeutlich.
Überaschen können NAZARETH von der Setlist her, denn man setzt nicht nur auf die altbekannten Klassiker. Es kommen ein paar jüngere Sachen zum Zuge wie das lässige „See Me" vom „The Newz"-Album, welches mit schönen Harmonien zu überzeugen weiß. Die Stücke vom aktuellen Longplayer „Rock´n´Roll Telephone" können zwar auch hier nicht ganz mithalten, leiden aber nicht ganz so unter der arg konfusen Produktion.

Unter dem Titel „Made In Scotland" gibt es dann eine fünfzigminütige Dokumentation der Bandhistorie, die mit wenig Archivmaterial auskommt. Die meisten Belege liefern die Gründungsmitglieder McCafferty und Agnew in vielen Interviewausschnitten. Der große Teil der Geschichte beschränkt sich auf die Anfänge in den Sechzigern, gerne hätte man die kommerzielle Phase der Achtziger auch etwas genauer beleuchtet bekommen. Die beiden Urgesteine geben dann noch ein paar Anekdoten zum Besten, wie über ihre Freundschaft mit GUNS´N´ROSES.

Als erzählendes Bindeglied wirkt der Musikjournalist Matt Kienly, welcher die Bedeutung der Truppe immer wieder hervor hebt. Weiterhin kommt der Coverkünstler Rodney Matthews zu Wort, welcher sich für das legendäre Artwork von „No Mean City" 1979 verantwortlich zeichnete. Ihm unterlag auch die Aufgabe, das Painting für diese DVD anzufertigen, die sich an der Zeichnung von der letzten wirklich starken Scheibe der Formation anlehnt. Natürlich dürfen auch die neueren Mitglieder ihren Anteil dazu beitragen, dass diese Doku einen guten Einblick in die Arbeitsweise liefert, selbst der sich mittlerweile nicht mehr in der Band befindliche Osborne.

Beim Bonusmaterial gibt es dann die beiden Interviews mit Agnew und McCafferty in voller Länge, wobei diese gegenüber „Made In Scotland" kaum neues zu Tage fördern. Beim Gespräch mit dem guten Dan ist der Moderator um Höflichkeit bemüht, während der alte Haudegen seinen ganzen Charme spielen lässt und Kostproben seines trockenen Humors reihenweise raushaut. Nur als das Thema auf den verstorbenen Schlagzeuger Darell Sweet fällt, wird er sentimental, muss kurz inne halten, um nicht in Tränen auszubrechen.
Darüber hinaus wartet der Bonusteil noch mit einer Version des „Rampant"-Tracks „Sunshine" auf, der bei einer Akustiksession aufgenommen wurde. Hier legen Osborne und Gitarrist Jimmy Murrison sehr viel Gefühl in ihren Vortrag, davon hätte man gerne noch mehr drauf packen können, „Hearts Grown Cold" hätte sich da angeboten. Am Ende gibt es noch ein paar Outtakes, welche auf dem Fantreffen gefilmt wurden, in denen auch die Anhänger zu Wort kommen. Die teilweise herrlich verrückten Typen, mit ihrer Sammelleidenschaft erzählen von ihrer Verbundenheit mit der Band.

Zusammenhalt war bei NAZARETH schon immer groß geschrieben, ebenso wie Fannähe. Für die stellt „No Means Of Escape" eine nette Zusammenstellung dar, die insgesamt nicht konsequent genug umgesetzt wurde. Daher dürfte es der Truppe nicht leicht gefallen sein, sich wieder von ihrem Frontmann zu trennen. Menschlich schien es zu stimmen, gerade mit dem Sechssaiter schien er gut zu harmonieren. Doch man musste auch an die Qualität des Unterfangens denken und da konnte er keine Akzente setzen. Mit Sentance holt man sich einen erfahrenen Mitstreiter ins Boot, der mit KROKUS bereits einmal einen leck geschlagenen Kahn wieder flott gemacht hat. Ob mit ihm die Wende kommt, bleibt abzuwarten, anderenfalls drohen Auftritte bei Oldieshows zwischen SLADE du SUZI QUATRO. (Pfälzer)

Bewertung: 6 / 10

Anzahl der Songs: 14
Spielzeit: ca. 173 min
Label: Eagle Vision
Veröffentlichungstermin: 16.10.2015

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