Drucken

bruce dickinson scream me sarajevo 11400“Scream For Me Sarajevo” wird nun auch auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht. Die bewegende Geschichte hinter dem Ausnahme-Konzert von Bruce Dickinson und seiner Band Skunkworks im Jahr 1994 ist mehr als nur sehenswert und keine übliche Musikdokumentation.

Was nur ein Kapitel in seiner kürzlich erschienenen Biografie ausmacht, erhält mit diesem Film die gebührende Aufmerksamkeit. Denn wie auch immer man zu dem Konzert während der Belagerung von Sarajevo stehen mag, nach diesem Film sieht man es ganz sicher mit anderen Augen. Natürlich war es damals leichtsinnig von Dickinson das Konzert zu spielen, dreht man die Medaille allerdings um und sieht es aus den Augen der Bewohner von Sarajevo, ist es eine ganze andere Sache. Eine Sache die unter die Haut geht.

Eine Warnung vorab: “Scream For Me Sarajevo” ist keineswegs ein üblicher Konzertfilm. Es handelt sich hierbei nicht um die reine Geschichte wie Dickinson und seine Band zum Konzert gekommen sind, man sieht keine Tourbus-Aufnahmen und auch kein Rumalbern. Der hier vorliegende Film zeigt die kalte und grausame Wahrheit, was Krieg mit den Menschen anstellt, und weshalb dieser in jeglicher Hinsicht einfach nur falsch, unnötig und schrecklich ist. Die Schrecken der Belagerung werden im Film auf sehr eingehende Weise gezeigt und sind zum Teil nichts für schwache Nerven. Ein Bericht des UN-Sicherheits-Offiziers Trevor Gibson geht mir noch immer nicht aus dem Kopf. Die Grausamkeiten werden thematisiert und auch wie die Bevölkerung durch die ständige Furcht gelitten hat.

Und inmitten all dieses unvorstellbaren Wahnsinns werden die Leben einiger Menschen gezeigt, die ihr Möglichstes versucht haben ihrem Alltag nachzugehen. Es ist unglaublich, die Erzählungen der Leute zu hören und zu erfahren, wie sie es gemeistert haben, das Beste aus der Situation zu machen. Dabei ließen sie sich zu keinem Zeitpunkt unterkriegen und haben ihr Ding durchgezogen. Spätestens zu dem Zeitpunkt im Film, wenn die Interviewpartner davon erzählen, mit welchen Gefühlen sie die Nachricht vom anstehenden Bruce Dickinson-Konzert aufgenommen haben, wird klar, welchen Stellenwert dieses Konzert hat.
Dieser und viele andere Momente des Films gehen sehr unter die Haut und lassen einen so schnell nicht los. Genau das macht “Scream For Me Sarajevo” zu dem was er ist, ein richtig guter und sehr sehenswerter Dokumentarfilm. Er zeigt sowohl die Schrecken des Krieges als auch die Freude über ein Konzert, das den Menschen zu jenem Zeitpunkt unglaublich viel gegeben hat.

Die Seite der Band wird ebenfalls beleuchtet, so reisen der damalige Schlagzeuger Alessandro Elena und Bassist Chris Dale zusammen mit den UN-Offizieren Martin Morris und Trevor Gibson zu den Orten der Geschehnisse zurück. Dabei werden so manch ungewöhnliche Anekdoten erzählt. Eine abendliche Pinkelpause wird zum Beispiel mitten auf der Straße verrichtet, da die Straßengräben vermint sein könnten. Erneut wird deutlich, in welch kritischer Lage sich das Land zu jener Zeit befand, es ist kaum vorstellbar, dass in den Neunzigern noch eine derartige Belagerung möglich war. Auch Dickinson selbst findet den Weg zurück zum Veranstaltungsort, vermutlich aufgrund seines Terminplans, aber getrennt von den ehemaligen Bandmitgliedern.

Wie die Musiker damals eingeschmuggelt wurden ist eine weitere unglaubliche Geschichte, und auch Wahl und Bekanntgabe des Veranstaltungsortes wirken unglaublich. Bis kurz vor Beginn des Konzertes wurde der Veranstaltungsort geheim gehalten, da jeder Sicherheitsbedenken hatte, dennoch gelang das Unterfangen auf ganzer Linie. Dass es gelingen konnte lag auch an dem Ehrgeiz von Martin Morris, der in den Interviews mit ihm deutlich zu spüren ist.

Vom eigentlichen Konzert sieht man wenig, doch darum geht es bei diesem Film auch nicht. Die Emotionen der Fans und was ihnen das Konzert bedeutet werden hervorgehoben, und genau das macht “Scream For Me Sarajevo” zu dem, was es ist, einer wirklich außergewöhnlichen Dokumentation. Kein Wunder dass der Film mit Preisen überhäuft wird. Die Initialzündung für die beiden Filmemacher Tarik Hodžić und Jasenko Pasic ist übrigens ein auf MetalTalk.net im Jahre 2012 veröffentlichter Bericht von Chris Dale über die Zeit in Sarajevo. Diese Story findet sich im Innersleeve des Soundtracks, der bei uns gesondert besprochen wird.

Der Film selbst setzt sich aus aktuellen Aufnahmen vom Besuch der Bandmitglieder, Filmschnipsel des Krieges und aktuellen Interviews mit allen Beteiligten zusammen. Die Interviews geben einen tiefen Einblick in den enormen Organisationsaufwand, der notwendig war, das Konzert zu bewerkstelligen. Kern sind für mich aber die Interviews mit Fans und den Menschen, die damals in Sarajevo lebten.

Ich muss zugeben, dass ich von der Belagerung von Sarajevo vor diesem Film und vor der Biografie von Bruce Dickinson fast nichts wusste. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert, und dieses dunkle Kapitel der Neunziger brachte mich viel zum Nachdenken. Ein Grund mehr, weshalb “Scream For Me Sarajevo” mit zu den besten Filmen zählt, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Die Geschichte hinter diesem Konzert sollte jeder kennenlernen, denn es ist eine wirklich unglaubliche Geschichte. (Pascal)


Bewertung:

Pascal10,0 10 / 10


Anzahl der Songs: -
Spielzeit: 95:00 min 
Label: Eagle Vision
Veröffentlichungstermin: 29.06.2018

Submit to FacebookSubmit to Twitter
Anmelden