panzerballett breakingbrainIn den letzten zehn Jahren hat die bayrische Formation ihre Fußspuren in der progressiven Szene hinterlassen. Mit dem Namen könnte man sie eher im extremen Sektor verorten, aber je nach Sichtweise sind PANZERBALLETT sogar noch extremer als der Großteil der Prügelcombos. Angeführt vom studierten Gitarristen und Arrangeur Jan Zehrfeld veröffentlichte das wechselnde Konglomerat aus studierten und teilweise ausgezeichneten Musikern bereits vier Alben. Ihr Ruf zieht sich durch mehrere Szenen, im Jazz konnten sie bereits für CHICK KOREA und JON MCLAUGHLIN eröffnen, ihre Festivalauftritte fanden in den unterschiedlichsten Genres statt. Nun steht mit „Breaking Brain" das nächste Werk in den Läden, welches die Frage offen lässt, ob dieses Teil wirklich das Gehirn zerbricht.

Alleine die stilistische Einordnung des Fünfers fällt schwer, Zehrfeld benutzt am liebsten den Ausdruck Jazz Metal, was es so etwa auf den Punkt bringt. Wo andere das Saxophon nur zum Erzeugen von Klangtupfern einbauen, kann mit seinem eindeutigen Jazzbackground Akzente setzen. Die klassischen Jazzspielweisen reiben sich einerseits mit den Metalparts, an anderen Stellen ergänzen sie sich. Auch die Progeinflüsse stammen aus der jazzigen Ecke, vor allem die komplexen Rhythmusstrukturen.
Polyrhythmik, gegenläufige Rhythmen, die Jungs beherrschen die komplette Klaviatur des Frickelns.
Dazu kommt, dass sie sich durchaus beim härteren Metal bedienen, die Riffs sind mitunter brachial, treffen dadurch noch mehr ins Schwarze und sorgen so für Spannung. Die Saiten werden bis zum Anschlag herunter gestimmt, was den Effekt noch verstärkt. Wer nun an MESHUGGAH denkt, der liegt sicher nicht verkehrt, PANZERBALLETT heben deren Mission auf eine neue Stufe. Dazu lugen auch noch Freigeister wie FRANK ZAPPA ständig um die Ecke.

Zuerst lassen sie es noch ruhig angehen, einsam singt das Saxophon vor sich hin, bevor dann basierend auf dieser Melodie losgeschreddert wird. Mit dem Titel „Euroblast" spielen sie auf eines der Festivals an, auf denen man sich die Band gut vorstellen kann. Dies zeigen vor allem die düsteren Akkordfolgen, welche den Opener spannend gestalten. Ein paar Mal nimmt man mit ähnlich wie beim Auftaktthema das Tempo heraus, um dann wieder Riffgehacktes auf Harmonien zu schichten.
Im folgenden „Typewriter II" zeigen die Jungs, dass es krasser immer geht. Sie haben allen Ernstes eine alte Schreibmaschine gesampelt und liefern dazu punktgenau ihre Riffs inklusive Break, wenn die neue Zeile anfängt. Immerhin nehmen sie sich die ganz Großen zum Vorbild, das wohl einflussreichste Riff von RUSH basiert auf einem Morsecode. Mit der instrumentalen Vertonung von Geräuschen könnten sie im Djent-Genre durchaus neue Wege aufzeigen.

Die große Kunst dabei ist es ja, ihre instrumentalen Stücke von der Stimmung her näher an die Songtitel heran zu bringen als die meisten ihrer Kollegen mit Gesang. So hat logischerweise Hagen in „Der Saxdiktator" die meisten Auftritte. Hier driftet man teils in bluesige ab und kann so am besten mit der Dynamik spielen. Da verwundert es wenig, dass PANZERBALLETT in „Smoochy Borg Funk" mit funkigen Tönen aufwarten. Zwischen den lässig swingenden Riffs bekommt Bassist Heiko noch ein paar Solospots. Und „Frantic Nervesaw Massacre" muss man glaube ich nicht kommentieren, Zehrfeld tappt sich ins Nirvana, während seine Kollegen rhythmisch alle Register ziehen.

Die Palette an Liedern besteht bei den Bayern nicht nur aus Eigenkompositionen, fremdes Material findet sich immer auf ihren Scheiben wieder. Waren es in der Vergangenheit Rockklassiker und Jazzstandards, so lassen sie hier den bandeigenen Humor durchblicken. In ihrer Kindheit haben die Musiker wohl noch die richtig guten Sachen wie Sesamstraße und Paulchen Panther gesehen.
So nimmt man sich die gute alte Titelmelodie von Henri Mancini vor und jammt ausgiebig darüber, während „Mahna Mahna" mit Blastbeats und Noiseattacken komplett durch den Fleischwolf gedreht wird. Endgültig den Vogel schießen sie mit „Shunyai" samt Intro aus der Feder von Trilok Gurtu ab, einem indischen Percussionisten, der mittlerweile in Hamburg lebt. Härtetechnisch nicht ganz so grob, verstört der eigenwillige Brabbelgesang des Künstlers vollends.

Ganz große Kunst ist es, wie es PANZERBALLETT gelingt bei aller Abgedrehtheit noch Strukturen durchscheinen zu lassen. Um nicht völlig ins Chaos abzudriften verordnet sich die Formation gängige Songbauweisen, anstatt lediglich wild drauf los zu experimentieren. Dass wiederkehrende Themen die Eingängigkeit erhöhen hat sich auch in höchste Progkreise herum gesprochen. Technisch ist das alles auf unfassbarem Niveau, alle Akteure spielen so exakt, dass einem öfter der Mund offen stehen bleibt.
Dennoch muss die eingangs gestellte Frage klar mit ja beantwortet werden, wer Schädelspalterriffs mit solchen Abfahrten kombiniert, verlangt dem Hörer alles ab. Da können die Synapsen schon mal überkochen, zumal der Kopf parallel mit Headbanging beschäftigt ist. „Breaking Brain" ist nur den ganz hartgesottenen Proggies zu empfehlen, die immer auf der Suche nach dem nächsten Extrem sind. Bei aller Qualität sollten sich andere erst einmal reinhören, es ist schon eine Grenzerfahrung, die aber auch neue Horizonte öffnet. (Pfälzer)

Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 55:40 min
Label: Gentle Art Of Music
Veröffentlichungstermin: 30.10.2015

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