Roger Waters - The Wall

rogerwaters thewallAuf die Frage, welches Album ich in meinem Leben am öftesten gehört habe, kann ich keine exakte Antwort geben, doch „The Wall“ dürfte da ganz vorne dabei sein. Mit dem Album gingen die Art Rocküberväter zur Hochzeit des Punk ein enormes Risiko ein. Warf man ihnen auf „Animals“ noch vor, mit dem Punk zu kokettieren, so war dieser Konzept-Doppeldecker ein Affront gegen den Zeitgeist. Der Größenwahn zahlte sich aus, das Werk wird wohl auf ewig als das beste Konzeptalbum in den Annalen stehen. Um die Wucht dieses Monuments auch visuell darzustellen, war die Aufführung auf der Bühne geplant, wobei man damals wegen interner Querelen nur auf fünf Konzerte mit dieser Show kam. Mit dem Film von Alan Parker schien sich das eigentlich erübrigt haben, doch 1990 brachte ROGER WATERS die Songs in Berlin zum Anlass der Mauerfalls auf die Bühne. Mehr als zwanzig Jahre später wagte der bei der Produktion federführende Bassist und Sänger einen erneuten Anlauf, „The Wall“ als Tour zu präsentieren. Die zwischen 2011 und 2013 laufende Tournee wurde nun als Dokumentation unter demselben Titel veröffentlicht, analog dazu erschien ein Soundtrack, um den es hier geht.

Dass Waters seinerzeit das kreative Zepter an sich riss, wirkte sich auf die Musik der Formation aus, die Story stand mehr im Vordergrund, das musikalische war nicht mehr so dominant. Dass das Thema autobiographische Züge seines Schöpfers trug, war nicht von der Hand zu weisen, wobei er beim folgenden „The Final Cut“ den Kriegstod seines Vaters noch mehr thematisierte. Entfremdung war schon jeher ein lyrischer Einfluss bei PINK FLOYD, hier geht es auch um die Entfremdung von sich selbst. Die Musiker konnten mit ihrer Rolle als Popstars herzlich wenig anfangen, was auch zu den Spannungen innerhalb führte. Geschichten, bei denen der Frontmann das Publikum brüskierte trugen ebenfalls zur Legendenbildung und konzeptuellen Ausrichtung bei.

Bei den Umsetzungen gab es zwei verschiedene Songreihenfolgen, beim Arrangieren für die Konzerte folgte ROGER WATERS weder genau dem Album noch dem Filmscore. Die Titelabfolge zum Ende des ersten Teils entspricht der des Filmes, bei dem „What Shall We Do Now?“ nicht das Intro für „Empty Spaces“ bildet. Dafür kommt der von Gilmour mitkomponierte Hit „Hey You“ zum Zuge, der im Film fehlte. Auf der anderen Seite fehlt „When The Tigers Broke Free“, welches wiederum nur im Film auftaucht.
Natürlich wurden die Shows alle mit vielen Effekten von großflächigen Leinwänden garniert, welche auch hörbar waren. Leider kann man die abstürzenden Flugzeuge oder den Fall der Mauer auf einem reinen Tondokument nicht visuell wahrnehmen, weswegen diese sogar eher störend wirken. Oft hätte man nur die reine Musik, weil die Effekte den Rest überlagern. Was beim Konzert sicher gut kommt, verfehlt hier seine Wirkung. Was die DVD oder Blu-Ray ebenfalls interessanter machen dürfte, sind die Dokumentarteile über den Mann hinter dem Werk, die hier völlig fehlen.

Auch klangtechnisch kann man nicht an die Brillanz der Wiederveröffentlichung von „Amused To Death“ anschließen. Man darf aber nicht verhehlen, dass sich der Bühnensound nie so perfekt einfangen lässt wie im Studio, allerdings vermisse ich gerade in den vielschichtig arrangierten Parts die Differenziertheit. Natürlich ist das alles hervorragend eingespielt, der Mastermind hat wieder eine ganze Reihe Könner auf der Bühne versammelt.
Mit Graham Broad sitzt ein alter Wegbegleiter hinter den Drums und kann mit seinem satten Ton überzeugen. Ebenso lange an Waters Seite ist der Gitarrist Dave Kilmister, welcher auch auf seinen Soloalben mitgewirkt hat. Mit dem ehemaligen THIN LIZZY-Mann Snowy White ist ein weiterer Sechssaiter an Bord, der schon öfter in Diensten der PINK FLOYD-Legende stand. Nach dem Abgang von Richard Wright übernahm dort Jon Carin die Tasten, welchen ROGER WATERS für die Tour verpflichtet hat.

Das großartige Zusammenspiel lässt zwar Bilder im Kopf entstehen, welche die Magie des Albums tragen. Doch ohne Bildspur ist die Konzentration dennoch ein wenig schwierig, zumal viele Fans auch den Film mit Bob Geldof in der Hauptrolle kennen. Die pure Musik vermag bei aller Genialität nicht mehr zu überraschen, so gut sie auch in Szene gesetzt wurde. Wer damit tatsächlich nicht vertraut sein sollte, bekommt aber hier einen guten Einstieg, weil die Aufführung sehr lebendig wirkt, gerade weil man nicht um jeden Preis nachgearbeitet hat. (Pfälzer)

Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 29
Spielzeit: 103:05 min
Label: Columbia/Sony Music
Veröffentlichungstermin: 20.11.2015

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