enchant thegreatdivideElf Jahre sind eine verdammt lange Zeit, vor allem im Musikbusiness. Manch einem kommt diese Spanne gar nicht so lange vor, sonst hätten sich die Kalifornier vielleicht mal ein wenig beeilt, um ein neues Album an den Start zu bringen. Da sie schon seit den frühen Neunzigern im Geschäft waren, hatten sie einen leichten Stand, als eine neue Progwelle durch die Rockszene schwappte. Diese spülte ENCHANT mit Scheiben wie "Blink Of An Eye" und "Tug Of War" in die Topliga des Genres. Doch leider verpassten sie dessen große Jahre, weil sie sich zu sehr auf Nebenprojekte wie SOUND OF CONTACT oder THOUGHT CHAMBER konzentrierten, Sänger Ted Leonard heuerte zudem bei SPOCK´S BEARD an. Kann die Formation mit "The Great Divide" an die alten Zeiten anknüpfen?

Stilistisch ist diese Frage zu allererst einmal zu bejahen, wenn sie auch etwas ruhiger, oder in dem Fall besser gesagt erwachsener zu Werke gehen. Man hört mit welcher Band man es zu tun hat, dennoch ist der neunte Rundling keine Kopie ihrer früheren Scheiben. Die typischen Progzutaten sind jedenfalls alle vorhanden und die Scheibe strahlt eine gewisse Spielfreude aus. ENCHANT leben vor allem von ihren wunderbaren Harmonien, die sich sowohl durch die Vocals wie durch die Instrumentalisierung ziehen.

Seien es nun sehr gefühlvolle Gesangsarrangements oder mehrstimmige, kanonartige Gesänge wie man sie vor allem aus den Siebzigern kennt, die Fünf beherrschen beides. Auch das Zusammenspiel ist sehr tight und sauber, die einzelnen Instrumente ergänzen sich gut und keiner der Akteure stellt sich zu arg in den Vordergrund. So fließen die einzelnen Parts schön ineinander über und wirken dicht und stimmig. Die Musiker haben auch immer ein Händchen für den richtigen Ton, wissen ihre Instrumente gezielt einzusetzen.

Ted Leonard stellt mit seinem warmen Timbre unter Beweis, warum ihn die Szeneführer als neuen Frontmann verpflichteten. Bandchef und Hauptsongwriter Douglas A. Ott kann mit seinen Riffs ebenso glänzen wie mit sphärischen Akustikparts, dazu brilliert er mit seinen songdienlichen Soli. Da steht auch Bill Jenkins an den Tasten in Nichts nach, baut auf ein ganzes Arsenal von Hammond über Mellotron, Piano bis hin zu Synthesizern, mit denen er sich ebenfalls Soloausflüge leistet. Bassist Ed Platt bringt ebenso eine warme Note herein, sein wabberndes Spiel verleiht den Songs Tiefe und im Titelsong darf er eine auf Chris Squire machen. Dazu akzentuiert Sean Flanegan das Spiel seiner Nebenleute mit seinem Drumming.

Die einzelnen Nummern bedienen sich der kompletten Spannbreite an Stimmungen, mal ätherisch, mal konzentriert, dann wieder hymnisch und fanfarenhaft. Immer wieder baut man kleine Details ein, ohne den Songfluss zu stören wie etwa angejazzte Pianoparts bei "Within An Inch", die ob des weichen Klangbildes an TOTO denken lassen. Wenn die Gitarren ein wenig fusionmäßiger werden, erinnert das ein wenig an ihre Labelkollegen von IT BITES. Bei "Life In A Shadow" setzt Ott sogar ein paar bluesige Licks ein.

Doch letzten Endes klingt das auch ein wenig nach Progbaukasten und hier kommen wir nach vielen Lobhudeleien zur Problematik von "The Great Divide". ENCHANT ergehen sich allzu sehr im Wohlklang und lassen die Widerhaken vermissen. So gut durchkomponiert das Album auch ist, ein bisschen mehr Mut hätte gut getan, irgendwie tut da gar nichts weh, lässt aber auch die Aufmerksamkeit schnell sinken.
Nur beim Ausbruch nach dem Refrain von "Deserve To Feel", wenn sich Riffs und Synths duellieren, drehen die Herren auf, solche Passagen hätte man sich mehr gewünscht. So können die Musiker keine Spannungsbogen aufbauen, um den Hörer richtig zu fesseln und die ganz großen Melodien wollen sich auch nicht einstellen. Auch wenn alles richtig gekonnt in Szene gesetzt wurde, wird das heute nicht reichen, um noch mal ins Konzert der Großen vorzustoßen. (Pfälzer)


Bewertung: 6,5 / 10

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 55:48 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 26.09.2014

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