Epitaph - The Acoustic Sessions

epitpah acousticsessionsDie Geschichte von EPITAPH ist neben der Relevanz als ein der prägendsten Krautrockacts immer wieder geprägt von Auszeiten und Besetzungswechseln. So waren die langjährigen Mitglieder Cliff Jackson und Bernie Kolbe zwischenzeitlich bei der Hardrockformation DOMAIN aktiv. Seit 2001 ist die Band mit wechselnden Schlagzeugern unterwegs und veröffentlichte seitdem zwei weitere Alben. Auch wenn "Dancing With Ghosts" fünf Jahre zurück liegt, so sind die Vier immer noch aktiv, spielen regelmäßig Konzerte und brachten eine Reihe DVDs an den Start. Nun betreten sie absolutes Neuland, indem sie ihre Klassiker in akustischem Gewand neu eingespielt haben. Bei Musikern, die vor allem durch ihren Twinlead-Gitarrensound bekannt wurden, könnte sich das als interessante Idee entpuppen. Andererseits sind solche Unterfangen auch öfter ein Zeichen eines kreativen Stillstands, wo pendelt sich "The Acoustic Sessions" ein?

Gerade wenn die beiden Sechssaiter die doppelten Leads in ihren Songs pflegen, müssen sie bestens aufeinander eingespielt sein. Da dies bei so einem erfahrenen Duo wie Cliff Jackson und Heinz Glass absolut der Fall ist, spiegelt sich das auch in ihrem stromlosen Beitrag wieder. Dabei setzten sie auf Material, in dem längere Gitarrenpassagen vorkommen, also von den Klassikern aus den Siebzigern und den beiden Alben nach der Reunion. Die straffer ausgerichteten Titel der Achtziger bleiben außen vor. Das ist auch gut so, denn allzu direkte geradlinige Lieder wirken in der akustischen Bearbeitung immer gerne wie Lagerfeuerallerlei.

Und davon kamen bei" MTV Unplugged" einige vorbei, doch ein Aufguss dieser Reihe ist heute überflüssig. Schon der Auftakt mit dem Debüt-Titel "Early Morning" macht deutlich, dass EPITAPH davon meilenweit entfernt sind. Die Geige von Tim Reese, einem der Gastmusiker auf dem Album eröffnet das Stück sphärisch, in dem Gewand gewinnt die Nummer sogar noch an psychedelischem Charakter. Schon hier ist das hervorragende Picking zu hören, welches die beiden Herren über die gesamte Spielzeit abliefern.
Im folgenden "Another Bloody Day" gesellen sich die offenen Akkorde von Glass zum fiebrigen Rhythmus von Jackson und führen damit zum fast stadiontauglichen Refrain. Dabei bleibt aber immer die Erhabenheit und die latente Epik erhalten. Von diesem großartigen Zusammenspiel profitieren vor allem die getragenen Titel wie "Outside The Law" oder das melancholische "Ships (In The Dark). Bei letzterem brilliert Glass zusätzlich auf der Dobro, überhaupt bringen sie verschiedene Akustikklampfen an den Start, um der jeweiligen Stimmung die ideale Klangfärbung zu geben.

Was "The Acoustic Sessions" auszeichnet ist einfach dieser Spielwitz, dieses blinde Verständnis der beiden Männer an den sechs Saiten. Wie sie sich ihre Parts zuspielen, wie sie harmonieren, ist wirklich unglaublich. Durch die neuen Arrangements eröffnen sich bei den Songs neue Aspekte, da steckt auch viel kreative Energie und auch viel Liebe zum Detail dahinter. Und genau diese Inspiriertheit bei den Aufnahmen überträgt sich auf alle Beteiligten, da passt jeder Ton, sowohl vom Timing als auch von der Interpretation.
Ihr alter JANE-Kollege Klaus Henatsch bringt sich mit vielen tollen Pianoeinlagen wunderbar ein, vor allem im boogielastigen "Moving To The City". Ebenso großartig Agnes Haspari Retso am Flügel im herrlich getragenen "Ride The Strom", die im Verbund mit den akustischen Gitarren ein großartige Atmosphäre zaubert. Wie tiefgehend und eindringlich das Stück ist, zeigt sich, dass der zu hörende Kinderchor alles andere als kitschig klingt. Überhaupt knüpfen auch die gesanglichen Leistungen nahtlos an die instrumentalen an, es gibt tolle Harmoniegesänge wie etwa beim hier gen Westcoast gebürsteten "Looking For A Friend".

Eines der Dinge, die bei EPITAPH immer ein wenig hakten war die Unentschlossenheit zwischen Rockappeal und atmosphärischen Anspruch. Hier setzt man eindeutig auf die ätherische Schlagseite, was den Songs allesamt gut tut, weil es konsequent durchexerziert wird. Tim Reese setzt bei "Woman" weitere Akzente und setzt die Klänge seiner Fidel wieder sehr sphärisch ein, bevor sie sich mit Jackson Mandoline duelliert. Das hat etwas von RUNRIG, wenn auch in den amerikanischen Folk übersetzt.
Ebenso überraschend ist es wie EPITAPH es schaffen, dem eigentlich totgecoverten "All Along The Watchtower" neue Aspekte abzugewinnen. Hier weiß sich ebenfalls die Geige wieder geschickt zu präsentieren, während man sich gesanglich eher an der Version von JIMI HENDRIX orientiert. Von dem stammt auch das Original von "Villanova Junction", das hier schön bluesig dargeboten wird.

Man darf jetzt nicht annehmen, dass sich die Band hier allzu in sphärische Welten verliert, "Little Maggie" und das flirrende, an SIMON AND GARFUNKEL erinnernde "Summer Sky" bringen einen lockeren Hippietouch hinein. So eignet sich "The Acoustic Sessions" nicht nur für Rotweinbefeuerte Kaminabende, sondern auch für laue Sommernächte unter freiem Himmel. Die Hannoveraner schenken ihren Fans hier ein Kleinod, welches man so nicht erwarten durfte, bei dem sie noch einmal all ihre Virtuosität in die Waagschale werfen. Das Ganze wurde mit einem sehr luftigen Klangbild festgehalten, das alle Details schön zum Vorschein bringt. Vielleicht ist das sogar mehr Wert als ein neues Studiowerk, einfach traumhafte Musik zum Hinhören und Wegschweifen. (Pfälzer)

Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 65:10 min
Label: In-Akustik
Veröffentlichungstermin: 23.05.2014

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