Mike Oldfield - Man On The Rocks

mikeoldfiled manontherocksZuletzt verschreckte er seine Anhänger, die es ohnehin nie leicht mit ihm hatten, mit einer elektronischen Version seines sagenumwobenen Debüts. Sein letztes Werk liegt mit "Music From The Spheres" auch schon sechs Jahre zurück, nun erscheint überraschend "Man On The Rocks". Ob es damit zurück in die Siebziger geht, zumal die Scheibe auf Virgin veröffentlicht wird? Damals suchte der junge Studiotüftler vergebens eine Band, so dass Richard Branson sein Label gründen musste, um seine Musik zu veröffentlichen. Die Männerfreundschaft trug schon mit "Tubular Bells" reichhaltige Früchte und machte beiden steinreich. Als MIKE OLDFIELD in den Achtzigern unter Mithilfe von poppigen Klängen zum Superstar avancierte, zerstritten sich die beiden, so dass der Musiker zu Beginn der Neunziger zu EMI wechselte. In der Folge setzte er sein Erstwerk fort, experimentierte mit Folk und Klassik, startete viele Projekte und schlitterte knapp am New Age-Sumpf vorbei.

Um es vorweg zu nehmen, das neue Album steht wieder so knietief in den Achtzigern wie seit dem letzten Virgin-Werk "Heaven´s Open". Die songdienliche und sehr dick produzierte Herangehensweise wurde hier sogar noch auf die Spitze getrieben. Es gibt keinen instrumentalen Longtrack im Stil von "Mount Teide" oder "The Lake", stattdessen kompakte Stücke mit Gesang. Der stammt vom bislang weitgehend unbekannten Luke Spiller, der normalerweise bei "The Struts" das Mikro schwingt.
Und hier kristallisiert sich schon der erste klare Schwachpunkt von "Man On The Rocks" heraus, denn der Mann hat nicht das nötige Charisma, um die Kompositionen entscheidend zu prägen. Auch wenn er über ein klareres Timbre verfügt, wirkt seine Stimme ähnlich brüchig wie die etwas ungelenken Gesangsversuche des Meisters selbst. Von der Klasse her ist er ein gutes Stück weg von den brillanten Melodielinien, die einst Koryphäen wie Jon Anderson, Roger Chapman oder die großartige Maggie Reilly beitrugen.

"Sailing" eröffnet mit flotten Akustikklängen und einer Singer/Songwriter-Attitüde, die sich auch in "Minutes" wiederfindet und an "Flying Start" von "Islands" denken lässt. Auf dem Opener versucht sich der Multiinstrumentalist an der Slidegitarre, bevor er beim Solo wieder seinen ureigenen Stil aufblitzen lässt. Diese schrille, dennoch ungeheuer klare und virtuose Spielweise hört man nach drei Tönen unter allen Saitendehnern der Welt heraus und erhebt den Hörer immer ein bisschen.
Noch folkiger geht er bei "Moonshine" zu Werke, welches mit seiner ätherischen Melodieführung deutlich an RUNRIG erinnert. Das gilt auch für den sphärischen Titelsong, der sich im Verlauf steigert, bis MIKE OLDFIELD am Ende erneut mit einem Solo brilliert. In diese Schiene passt auch "Dreaming In The Wind", dessen Steelgitarre Anklänge an DIRE STRAITS mit sich bringt. Wenn sich die akustischen Töne durch die Synthieschwaden kämpfen, weht auch ein Hauch von CHRIS ISAAKs "Blue Spanish Sky" hinein.

"Castaway" beginnt mit einer einsamen Orgel, zu denen Spiller singt, später schalten sich die immer energischeren Drums mit ein, dann schwillt die Sechssaitige des Klangmagiers langsam an zu einer wuchtigen Soundwand. Diese fällt zwar nicht so opulent aus, wie auf "Earth Moving", dennoch zeigt sich hier das Verständnis für das Spiel mit der Dynamik. Niemand sonst bekommt so einen völlig reibungslosen Übergang zwischen den einzelnen Motiven hin wie der Brite. Manches schiebt sich ganz langsam rein und übernimmt dann die Führungsrolle, anderes wiederum fällt wieder zusammen.

In diese Richtung tendiert auch das düstere "Nuclear", das den ambivalenten zweiten Teil der Scheibe einläutet. Die düstere Nummer wird von schweren Synthesizern getragen, bevor sich der Refrain wuchtig und latent aggressiv aufbaut. Von ähnlichem Kaliber ist auch "Chariots" dass trotz elektronischer Spielereien durch den hymnenhaft aufbrausenden Chorus radiotauglich wäre. Orgeltupfer und eine angenehm raue Rhythmusgitarre machen den Titel zum rockigsten neben "Irene".
Und hier fängt die Problematik in der hinteren Hälfte so richtig an, denn die Bluesrocktöne vertragen sich nicht mit der klaren und straffen Produktion. Würde man das Stück passend abmischen, wäre man in derselben Zwickmühle wie jüngst GOTTHARD, das Klangbild würde uneinheitlich werden. So richtig mau wird das Album bei den beiden ruhigsten Titeln. Das Olympiajingle "Following The Angels" fällt einfach zu langatmig aus, zumal es zum Finale hin immer kitschiger wird. Am Ende lässt die Fremdkomposition "I Give Myself Away" mit Schaudern an die Gräueltaten denken, die CHRIS DE BURGH verbrach, als er dem Prog entsagte.

Trotz dieser zwei Ausfälle ist "Man On The Rocks" ein ordentliches Werk geworden, dass zumindest die Achtzigerfans zufrieden stellen dürfte. Das Ganze wurde von erstklassigen Musikern, wie Leland Sklar (TOTO, PHIL COLLINS, etc.) am Bass eingespielt, die den Songs einfach immer noch etwas zu geben vermögen. Allerdings sind die Kompositionen nicht so sehr bis ins Detail ausgefeilt, wie man es von MIKE OLDFIELD her kennt. Unterm Strich kann man das wunderbar im Auto nach der neuen ASIA im Urlaub reinlegen, doch auch hier muss gefragt werden, ob das der Anspruch sein kann. (Pfälzer)

Bewertung: 6,5 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 59:41 min
Label: Virgin / EMI Records
Veröffentlichungstermin: 07.03.2014

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