Dirge - Hyperion

Dirge hyperionVor sieben Jahren wurde ich auf die Postcore Formation aufmerksam, als ich zwei Scheiben von ihnen reviewte und ein Interview mit Gitarrist Stephane L. führte. Leider verlor ich die Band danach aus den Augen, so dass die Veröffentlichung von "Elysian Magnetic Fields" vor drei Jahren komplett an mir vorbei ging. Umso überraschter und auch erfreuter war ich, als plötzlich das sechste Werk "Hyperion" in unsere Redaktion flog. DIRGE haben beim anscheinend neuen Label Debemur Morti angedockt, die sich schon kürzlich mit MANES als Spezialisten für richtig Abgefahrenes erwiesen. Was die Zeit gebracht hat, lest ihr hier.

Schon wenn die ersten Gitarreneruptionen und bellenden Laute wie aus dem Nichts in das einleitende mechanische Getöse einfallen, werden bei mir auch die etwas zurück liegenden Erinnerungen wach. Die Franzosen hatten sich schon ein wenig abseits des Postcore-Mainstreams ihre eigene Nische geschaffen, was auch daran liegt, dass viele Musiker aus der, bei unseren Nachbarn doch ausgeprägten Industrialszene kommen. Allerdings liegt der Unterschied eher beim erhöhten Doomanteil.
Viel verändert hat sich nicht in diesen Jahren, ich kann mir nicht vorstellen, dass das Werk dazwischen großartig anders ausfiel, dennoch ist die Band künstlerisch nicht stagniert. Gerade der Postcore Bereich ist ja stilistisch ziemlich eng gesteckt, hat aber die Grenzen nach allen Seiten offen. Bands, welche diese überschreiten wie ISIS oder GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR stoßen schnell an ihre eigenen Grenzen.

Charakteristisch war schon immer der grollende, bellend heisere Gesang, der sich wie die Songs dahin schleppt. Obwohl Gesang ja kaum die richtige Bezeichnung dafür ist, die Vocals dienen eher als weiteres Instrument, um die Atmosphäre zu erzeugen. Und ihre Musik lebt nur davon, das gilt auch für den Gastgesang von Tara Vanflower von LYCIA, die ihren Sprechgesang beisteuert. Weiterer Gastvokalist ist Nicolas Dick von ihren Landsleuten KILL THE THRILL, mit dem sie in der Vergangenheit schon öfter zusammen gearbeitet haben.
Ebenfalls kaum vorhanden sind Songstrukturen, die Titel mäandern zähfließend durch den Raum, bauen behäbig Dynamik auf und lassen sie wieder zusammen brechen. Nur selten dürfen die doomigen Riffs aufbegehren und sich wuchtig in Szene setzen, vor allem dann wenn sie noch tiefer wühlen. Bei den Steigerungen lullen einen die Gitarrenwände ein und wirken bisweilen hypnotisch. Es sind mehr Gebilde aus Klängen und Stimmungen, als wirkliche Lieder, nie fordernd, dennoch keineswegs zum fallen lassen.

Denn sie behandeln wie gehabt eher die dunklen Seiten der menschlichen Seele und ihre Ängste. Und jene zeigen ebenso viele Facetten wie der Sound von DIRGE, auch wenn sie es immer wieder schaffen, diese unter diesem finsteren Deckmantel zu einer homogenen Masse zu verschmelzen. Einer Masse, die sich zäh wie Lava und ebenso unaufhaltsam im Bewusstsein des Hörers festsetzt.
Die trifft unterwegs auf weite Flächen, über welche die verhallte Stimme verzweifelt schreit und ab und an von einer klaren durchschnitten wird. Pulsierende Leads schälen sich aus den massiven Drones heraus, werden von fiebrigen Noiseeinschüben abgelöst, Synthieschwaden ziehen vorbei, dann erwacht wieder eines dieser monotonen Riffs. Allmählich erheben sich die Flächen zu Wänden, bis cleane Gitarren die Spannung wieder lösen.

Unglaublich intensive Bilder, entstehen im Kopf des Hörers und doch verwandelt sich alles plötzlich in Stille, dann wenn man den nächsten Ton schon fast sehnsüchtig erwartet. Diese Stille und Ruhe findet man auf dem sechsten Werk öfter, eine Entwicklung, welche schon zwischen „And Shall The Sky Descend" und „Wings Of Lead Over Dormant Seas" abzusehen war. Das Dröhnen wird jetzt oft von den Synthesizern übernommen und die Songlängen fallen zum Großteil, wenn auch nur knapp unter die Zehn-Minutengrenze.
Da aber jetzt mehr Zugänglichkeit zu erwarten, wäre vermessen, auch wenn sich die positiven Aspekte im Wesen der Musiker mehr durchzusetzen scheinen. „Hyperion" ist immer noch verstörend und beklemmend und von dieser cineastischen Wucht, die einen schwer loslässt. Am Ende stellt das sechzehnminütige „Remanentie" nur noch eine Klangcollage dar, deren Stimmung an MY DYING BRIDEs Über-Epos „The Cry Of Mankind" erinnert. Irgendwo verloren, und doch ergreifend. (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 6
Spielzeit: 62:24 min
Label: Debemur Morti Productions
Veröffentlichungstermin: 14.03.2014

 

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