Motörhead - Aftershock

 

motoerhead aftershock160pxmehrfach-soloIch wundere mich eigentlich immer noch, warum man mir widerspruchslos die Besprechung des neuen MOTÖRHEAD-Werkes „Aftershock" überlassen hat. Ob es daran liegt, dass ich seit circa 20 Jahren mit dem Spitznamen „Lemmy" durch die Gegend laufe? Nun das reicht sicher nicht für die Beurteilung des neuesten Streichs der ehemals lautesten Band der Welt aus. Wahrscheinlich könnte es daran liegen, dass ich diese Band seit frühester Jugend sozusagen studiere.
Nach den ganzen Hiobsbotschaften im Laufe dieses Jahres, war die Rock-Welt äußerst gespannt, wie das neue Album denn nun ausfallen würde. Trotz unserer überwachten Gesellschaft ist keinerlei Information ans Tageslicht gedrungen, die irgendeinen Hinweis hätte geben können.
Umso überraschender war es dann, als das neue Werk endlich zum Oktober angekündigt wurde. Das Coverartwork zu „Aftershock" konnte man schon im Vorfeld begutachten. Auch der ein oder andere Song, der als Appetizer veröffentlicht wurde, gab dennoch keinerlei Hinweis auf das Gesamtwerk. „Heartbreaker" war einer dieser vorab veröffentlichten Songs, und mir schwante nichts Gutes. Der oft schon in Interviews zu hörende fahrige und nuschelnde Klang von Lemmys Stimme war plötzlich auch während des Gesangs zu hören.

Und da komme ich dann auch schon zum aktuellen Album „Aftershock", auf dessen Erscheinen die Welt fast drei Jahre warten musste. Größtenteils sind die Verzögerungen auch auf Lemmys Gesundheitszustand zurückzuführen. Wieder einmal stand Lemmy gesundheitlich am Rande des Abgrundes und musste sich diesmal jedoch einen Defibrillator einsetzen lassen, um erstmal soweit sorglos weiterleben zu können. Dann soll er angeblich auch noch unglücklich auf die Hüfte gefallen sein, was ein riesiges Hämatom zur Folge hatte und Lemmy im Krankenhaus bleiben musste. Ja, mit 67 ist man nicht mehr fit genug, um diesen Lebenswandel wegstecken zu können. 
Das Album hat man im Laufe dieser Ereignisse trotzdem versucht fertig zu stellen. Da setze ich mit meiner Kritik auch gleich an, denn im ersten Song „Heartbreaker" zieht sich dem geneigten Fan, wie schon erwähnt, alles zusammen, wenn er den Gesang das erste Mal hört. So verschliffen und unpräzise hat man Lemmy noch nie auf einem Album singen gehört. So hörte man ihn höchstens sprechen. Mittlerweile scheint ihm auch die Kraft zu fehlen, stimmlich ordentlich auf die Tube zu drücken. So wirkt eigentlich jeder Song, trotz Schlagzeug und Saitengewitter, gebremst und flach. Da hätte sich Lemmy lieber mal auskurieren sollen. Den Eindruck, den man vom Wacken-Auftritt hatte, den findet man auch teilweise auf dem Album wieder. „Aftershock" ist ein Nachbeben zum letzten und wirklich tollen Album „The Wörld Is Yours", aber auch leider ein müder Abklatsch. 
Einzig die ruhigen Songs, bei denen Lemmy ungewöhnlich melodisch singt, haben einen hohen Qualitätslevel und machen Lust auf mehr. Vom kräftig rockenden „Coup De Grace" geht es mit zwei kurzen Anzählern mit den Drumsticks nahtlos in „Last Woman Blues" über. Bei dieser Art Songs kann Lemmy seine stimmlichen Qualitäten voll ausschöpfen. „End Of Time" kann leider nicht an Großtaten wie „Sacrifice" anknüpfen. Dazu ist einfach der Eindruck von Müdigkeit, die sich bleischwer über alles legt, zu präsent. Es wirkt angestrengt und so, als wolle man mit Gewalt den Level der vergangenen Jahre halten. Ich erwarte das gar nicht, ich wäre froh, die Band würde sich im Alter auf ihre Qualitäten besinnen und es eine Spur ruhiger angehen lassen. Ausserdem befürchte ich, dass ein Großteil der Songs live überhaupt nicht zum Zuge kommt, da es für Lemmy zu anstrengend wäre. Wenn doch, wäre ich sehr verwundert, und Lemmy würde abermals seinen Staus als Rock 'n Roll Gott untermauern. „Dust And Glass" ist einer der Songs, bei dem die typische MOTÖRHEAD-Melancholie voll zum Tragen kommt. Wer vom Song „Going To Mexico", so wie ich, ein „Going To Brasil" erwartet, wird leider enttäuscht.

Überhaupt habe ich den Eindruck, dass sehr viel auf dem Album zusammengeschustert wirkt. Da höre ich Textpassagen heraus, die aus der gesamten Diskografie zusammengeklaubt wurden. Auch möchte der ein oder andere Song an verflossene Zeiten erinnern. So wirkt „Queen Of The Damned" wie vom Album „Ace Of Spades". Schön ist allerdings die Nummer „Keep Your Powder Dry", die im Riffing an AC/DC erinnern, und MOTÖRHEAD beweisen, dass ihnen diese Art von Komposition auch gut zu Gesicht steht. Leider ist der Gesang hier auch wieder sehr verschliffen, als hätte jemand vergessen, Lemmys Zähne aus dem Glas zu holen. Warum sagt ihm das keiner? Er wäre für Ehrlichkeit ihm gegenüber sicher dankbar, auch wenn er ein alter Dickkopf ist und nur schwer handfeste Tatsachen einsieht. 
Als Rausschmeißer gibt es nochmal das volle Brett mit „Paralysed". Hier gibt die Band alles, und der Song ist so heftig, dass er gerne auch als Opener für eine Show dienen könnte.
Der Sound des Albums ist stellenweise rau und ein wenig überproduziert, die Instrumente sind jederzeit gut zu unterscheiden. Der Gesang ist bei den schnellen und harten Songs immer verdächtig in den Hintergrund gemischt und wirkt oft gehetzt und unfertig. Sicher ist das Kritik auf hohem Niveau, denn einen Totalausfall hätte man den Fans sicher nicht präsentiert. Dennoch habe ich das so auf den vorangegangen Alben nicht gehört. Eventuell könnte das auch damit zusammenhängen, dass Lemmy zwischen Krankenhaus und Studio gependelt ist. Die Band jedoch ist stolz darauf, dass man sich Pausen gegönnt hat und ausgefeilte Songs präsentieren kann. Das kann ich so bestätigen, denn das Album ist abwechslungsreich und die Songs kommen schnell auf den Punkt. Es gibt eine Menge Hooklines und Refrains, die sofort ins Ohr gehen und zum Mitsingen animieren.

Alles in allem macht mir die Entwicklung von MOTÖRHEAD eher Angst als Freude. Ich weiß auch nicht wirklich, ob Lemmy seinen Plan, tot von der Bühne zu fallen, wirklich in die Tat umsetzt. Da sein Humor legendär ist, könnte es auch einfach ein Spruch sein, so wie der von Eric Adams von MANOWAR, der für Metal sterben würde. Auch wenn das dann die heftigste Rock 'n' Roll- Show aller Zeiten wäre, ich wollte es nicht sehen, und für mich wäre es dann auch vorbei damit. Schlimmer könnte es dann wohl nicht mehr kommen. Mir ist es lieber, wenn die Musiker für ihre Musik leben und aufhören, ständig den Sensemann zu provozieren. 
Ich bin gespannt, ob Lemmy sich zusammenreißt und seine Gesundheit erstmal in den Vordergrund stellt, um 2015 zum 40-jährigen Bandjubiläum ein weiteres großartiges Album raus zuhauen und die wahrscheinlich sehr anstrengenden Feierlichkeiten zu überstehen, damit es auch in 2016 noch heißt: „We are MOTÖRHEAD and we're gonna clean your cock!" (Andreas)

 

Bewertung: 7 / 10


Anzahl der Songs: 14
Spielzeit: 47:00 min
Label: UDR
Veröffentlichungstermin: 18.10.2013

Wertung der Redaktion
Rainer Pascal Anne Maik Anja Kevin Jochen
6,5  7,5 7,5  6  6,5  - 7,5
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