orphanedland allisoneVor drei Jahren erschien mit „The Never Ending Way of ORwarriOR“ das letzte Album der Israelis ORPHANED LAND. In der Zwischenzeit haben sie in der Türkei einen Preis für ihr Bemühen um Frieden zwischen Israelis und Türken erhalten und wurden von ihren Fans mittels einer Petition für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Und bringen nun ein Album mit dem Namen „All Is One“ auf den Markt. Auf dem Cover sind die Symbole von Judentum, Christentum und Islam ineinander verschlungen dargestellt. All Is One. Alles  in Butter also? Nein. Denn das Coverartwork ist der Wunsch, der Traum. Die Texte auf „All Is One“ dagegen spiegeln die Realität, die heutige Zeit, in der die Rivalitäten zwischen den Religionen wieder stärker zunehmen. „All Is One“ ist in dieser Hinsicht ein düsteres Album geworden.

Und trotzdem klingt die Musik nicht wirklich düster. Sänger Kobi Farhi verzichtet bei den meisten Songs auf haßerfüllte Growls. Was ist also „All Is One“? Resignation? Nein. Denn die Worte, die die Band wählt, um ihr Anliegen in die Welt zu tragen sind eindeutiger, verständlicher, deutlicher denn je zuvor. Jeder soll die Botschaft verstehen. Denn das ist offenbar notwendig. Der nahe Osten, oder eigentlich die ganze Welt hat nichts gelernt in der Geschichte. In den mehr als 20 Jahren, in denen es ORPHANED LAND nun gibt und in denen die Band für Verständigung zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionen kämpft, ist die Situation eigentlich sogar immer schlechter geworden. Zeit für deutliche Worte also.

Und deutliche Musik. Die Songs sind eingängiger als auf den vorhergehenden Alben. Und doch auch theatralischer und epischer. Dazu beigetragen haben 25 Chorsänger und 68 Streicher, die dem Sound eine unglaubliche Tiefe verleihen. Live wird das nur mittels Einspielungen zu erreichen sein, aber das spielt jetzt hier erst mal keine Rolle. Denn auch die Grundgerüste der jeweiligen Songs können überzeugen. Durch die fernöstlichen Melodien und Instrumente klingen sie für uns Europäer ungewohnt und exotisch – und hindern doch nicht daran, die ergreifenden Worte zu hören, die ORPHANED LAND in die Welt tragen. Hört man Songs wie „Brother“ kann man förmlich die Enttäuschung fühlen, daß man tatenlos zusehen muß, wie sich Menschen aufgrund ihres jeweiligen Glaubens gegenseitig zerfleischen.

Tatenlos wollen ORPHANED LAND nicht sein, trotzdem kommen sie über das Gefühl, nur einfach Leute („Simple Man“) zu sein, nicht hinaus. Etwas schade, denn die Israelis sind längst zum Symbol der Verständigung geworden. Sie haben Fans unter Angehörigen aller drei Religionen, die sich auch friedlich auf Konzerten der Band treffen. Der einfache Mann kann nämlich das, was Politiker und religiöse Führer nicht können: Die Gleichheit aller erkennen.

Neben Eigenkompositionen findet sich mit dem musikalisch leicht aus dem Rahmen fallendem „Ya Benaye“ auch ein Cover auf dem Album. Es stammt im Original von dem hier gänzlich unbekannten jemenitischen Künstler Aaron Amram. Desweiteren ist mit „Shama'im“ auch ein Titel enthalten, der von dem isralischen Songwriter Yehuda Poliker stammt, der schon mit der Band live aufgetreten ist und diesen Song für ORPHANED LAND geschrieben hat. Aufgenommen wurde die Platte übrigens in einem christlich, einem muslimisch und einem jüdisch geprägten Land. Auch hier wieder: all is one. Es funktioniert im Kleinen, nur im Großen offensichtlich nicht.

Die Scheibe „All Is One“ dagegen funktioniert ohne Abstriche. Ich mochte ORPHANED LAND ja schon immer, doch noch keine Scheibe hat mir so gut gefallen wie „All Is One“. Die Band schafft es perfekt, Melodien und typische Tonfolgen des Orients mit metallischen Elementen zu verbinden und daraus absolute Ohrwürmer zu formen, die man einfach nicht mehr vergessen kann. Dazu kommt die eindringliche Stimme Kobi Farhis, die den Songs ihre besondere Tiefe verleiht. Muten manche Songs (z.B. „Shama'im“) fast schon sakral an, so wird doch auch hin und wieder die metallische Peitsche ausgepackt und bei „Fail“ gibt es dann doch wieder ein paar Growls. Dieser Song ist auch der intensivste, der mit seinen gesprochenen Worten genau das herüber bringt, was er ist: Eine Anklage.

Bei anderen Songs wiederum appelliert man mehr an das gemeinsame Miteinander; die Lyrics sind Hebräisch, Arabisch und Englisch (z.B. bei „Through Fire And Water“) damit auch wirklich jeder die Botschaft versteht. Betroffen macht die Ballade „Children“, in der es um die Kinder geht, die in den Kriegsgebieten des Nahen Ostens aufwachsen und die nichts als Hass auf Andersgläubige lernen und erfahren. Und doch sind sie die Zukunft dieser Länder. Eine düstere Zukunft.

Und dennoch versprüht „All Is One“ auch Hoffnung. Es ist ein Album voller Gefühle. Hass, Trauer, Enttäuschung, Wut – aber auch Hoffnung und Freude. „All Is One“ klagt an, so wie die Band schon immer anklagt. Und wie immer wird keine wertende Haltung eingenommen. Denn schuldig und unschuldig sind doch irgendwie alle. Und so steht die fast schon fröhlich anmutende Musik oft im Gegensatz zu den bitteren Texten. Aber wer sich mit diesem Album auch nur etwas länger beschäftigt, der wird seine Klasse erkennen. Oft werden eher ruhige Töne angeschlagen, die schon kaum noch etwas mit Metal zu tun haben. Den Streichern wird viel Raum eingeräumt. Aber oft genug packt man auch die harte Keule aus. Mit „All Is One“ haben ORPHANED LAND das wohl beste Album ihrer bisherigen Karriere geschrieben. Da freue ich mich schon auf die Tour im Herbst. (Anne)


Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 54:20 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 21.06.2013

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Katharina antwortete auf das Thema: #10492 10 Jahre 6 Monate her
..die ersten beiden hätte ich persönlich nicht gebraucht!
Annes Avatar
Anne antwortete auf das Thema: #10466 10 Jahre 6 Monate her
Irgendwas zwischen 1 und 1,5 Stunden. Fand's auch mindestens eine Vorband zuviel.
Maiks Avatar
Maik antwortete auf das Thema: #10454 10 Jahre 6 Monate her
Kann man sich vorstellen, wie lange haben OL denn gespielt? Drei Vorbands unter der Woche sind mMn mindestens eine zuviel.
Katharinas Avatar
Katharina antwortete auf das Thema: #10453 10 Jahre 6 Monate her
..und live sooo gut umgesetzt!

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