Eternal Tears Of Sorrow - Saivon Lapsi

EternalTearsOfS_SaivonLapsi_160pxEs ist dunkel und trübe draußen. Es schneit unaufhörlich. Schatten huschen über zugeschneite Flächen und verschwinden im Dunkel. Wer kann, flieht vor den Kamin im heimischen Wohnzimmer oder zumindest in eine Gaststube, um ein paar Starkbier zu trinken und was Gehaltvolles zu essen. Ich entscheide mich für die Gaststube. Viele finden sich mit genau dem gleichen Wunsch ein, und es gibt nur das eine Thema: der dunkle und grausig kalte Winter. In der hinteren Ecke eben jener Gaststube machen sich gerade ein paar Musiker bereit, um etwas Klang aus dem Grau und Trüb zu zaubern. ETERNAL TEARS OF SORROW heißt diese Truppe aus dem fernen und um diese Jahreszeit dunklen Finnland.

Sie starten ihren Liederreigen mit einem Intro, das sich "Saivo" nennt. Man wird sofort hineingezogen. Ein eisiger Spannungsbogen entsteht, der einen unruhig zappeln lässt und entlädt sich in "Dark Alliance", welches einem das Gefühl gibt, schnell durch hohen Schnee laufen zu müssen. Als ich es höre, überläuft es mich regelrecht, und ich vergewissere mich ein paar Mal, ob es draußen wirklich so ungemütlich ist. Ob sich die Platte im Sommer auch als Klimaanlage eignet? Ich döse langsam am Feuer weg. Fortwährend begleiten einen Chöre mit engelsgleichen Gesängen, die von wabernden Synthesizer-Teppichen eingerahmt werden. Ich schrecke hoch und schüttele den mitgebrachten Frost recht schnell von meinem Rücken, denn es wird einem beim Headbangen zum flotten "Legion Of The Beast" schön warm. Angetrieben von tollen Gitarrensoli und Sänger Altti Veteläinens tiefen Growls. "Kuura" beginnt mit Akustikgitarren-Melodien und erinnert mich fortwährend an "In A Dream" von TIAMATS Überalbum "Clouds", "Kuura" bleibt jedoch im Stile des Albums "Saivon Lapsi". Ich döse wieder weg und wähne mich plötzlich in einem surrealen Traum. Der Song gleitet über in "Dance Of Dezember", und der hat einige Überraschungen zu bieten, weil er mich auf einmal an selige SENTENCED-Zeiten erinnert. Überhaupt bietet das Album viel SENTENCED und auch AMORPHIS, jedoch weitaus symphonischer. Selbst beim nachfolgenden "The Day" bleibt dieses Gefühl bestehen. Sehr angenehm kommt hier der Clean-Gesang zum Tragen. Ich liege im Schnee und vergesse die Kälte, denn "Sound Of Silence" lullt mich ein, deckt mich zu mit süßer Melodie und einer Atmosphäre, die ich von LAKE OF TEARS kenne. Das Duett zwischen Sänger Jarmo Kylmänen und Gastsängerin Miriam Renvåg ist einfach hinreißend und nicht so effekthascherisch wie zunächst befürchtet.

Schon geht die halsbrecherische Jagd durch die Nacht weiter. Es gilt hinter, also "Beneath The Frozen Lakes" zu kommen. Schnell, das Eis bricht an manchen Stellen schon. Sänger Jarmo Kylmänen ist schon vorgelaufen und warnt die Nachzöglinge mit klarer Stimme im eisigen Gegenwind. Geschafft, der See ist überwunden! Mit schnellen, aber entspannten Schritten geht es weiter über die feste Schneedecke Richtung Heimat. Altti Veteläinen und Jarmo Kylmänen wechseln sich bei "Swan Saivo" ab, um die Truppe bei Laune zu halten und rufen sich wechselseitig Geschichten zu. Der klare Gesang gibt hier klar die Marschrichtung vor, die Antwort Alttis gleicht dagegen einem Donnergrollen in weiter Ferne. So weiß man immer, in welche Richtung man gehen muss, denn die Schneedecke bricht plötzlich ständig ein, und der aufkommende Schneefall wird einem vom Wind in die Augen geblasen.

Etwas Furchtbares muss passiert sein. Auf einmal stehen wir vor einem blutbedeckten See. "Blood Stained Sea" lässt ein ungutes Gefühl vor räuberischen Wildtieren aufkommen. Allti fühlt sich sehr unwohl und verleiht seinem Unmut Ausdruck, wird aber sofort von Jarmo beruhigt. Die Gitarrenfraktion, bestehend aus Jarmo Puolakanaho und Mika Lammassaari sichert die Flanken, Altti schwingt zusätzlich seinen Bass. Verlässlichen Rückhalt gibt es durch Janne Tolsa's Keyboard-Wand. Endich! Wieder zurück in ruhigeren Gefilden, fühle ich mich sicher angekommen, als "Angelheart Ravenheart" ertönt und die Hatz durch Eis und Schnee ein Ende findet. Ich schrecke hoch und bin froh, immer noch am prasselnden Feuer der Gaststube zu sitzen.

Ein furchtbarer Winter ist das!

ETERNAL TEARS OF SORROW ist hier ein kleines, musikalisches Meisterwerk gelungen, das man erst beim zweiten Hinhören erkennt. Man muss in der richtigen Stimmung sein, denn es dient nicht zum Nebenbeihören. Es regt die Fantasie an und lässt einen für eine dreiviertel Stunde einen rasanten Traum erleben. Ob man in Finnland wirklich so fühlt, kann ich leider nicht beurteilen. Ich weiß allerdings, dass unser vergleichsweise warmer Winter mit seinen trüben und dunkeln Tagen das gleiche Gefühl in mir auslöst. ETERNAL TEARS OF SORROW haben dieses Gefühl jedenfalls musikalisch sehr gut umgesetzt. Die Band, die 1994 gegründet wurde, zahlreiche Besetzungswechsel verkraften musste und fast schon aufgegeben hatte, schafft mit dem siebten Album, oder auch dritten Album neuerer Bandgeschichte seit 2005, den Sprung in die Spur.

Wer die überlangen WINTERSUN-Songs nicht abkann, sollte einmal reinhören, denn hier gibt's in durchschnittlich, knackig kalten, viereinhalb Minuten, dunkle Melodien im SENTENCED Stil mit AMORPHIS und TIAMAT drin um die Ohren. (Andreas)


Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 45:13 min
Label: Massacre Records
Veröffentlichungstermin: 22.02.2013

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