kilingjoke_mmxiiJaz Coleman gehört sicherlich zu den skurrilsten Persönlichkeiten des gesamten Rockzirkus. Dazu noch zu den einflussreichsten mit einer schier endlosen Liste an Musikern mit denen er gearbeitet hat, von seiner Arbeit als klassischer Dirigent ganz abgesehen. Nur mit seinem Freund Jimmy Page hat es noch nie geklappt, was nicht nur aufgrund von dessen Vergangenheit interessant wäre, sondern auch wegen ihrer Vorliebe für okkulte Mystik. Seine theatralischen Bühnenauftritte sind legendär und zeugen noch mehr von der außergewöhnlichen Erscheinung des Künstlers.
Bekannt aber wurde er vor allem durch die Post-Punk-Pioniere KILLING JOKE, mit welchen er immer wieder hochkreative Phasen hat. Nach den wilden Anfangstagen folgte der kommerzielle Durchbruch Mitte der Achtziger mit dem Kulthit "Love Like Blood". In den Neunzigern avancierte er mit der Hinwendung zum Industrialmetal und den Alben "Pandemonium" und "Democrazy" zum Liebling der Rockkritiker. Seit einigen Jahren sind diese wieder in Originalbesetzung unterwegs und veröffentlichten 2010 "Absolute Dissent". Nach der "In Excelsis"-EP steht nun mit dem vielsagenden Titel "MMXII" ein neuer Longplayer ins Haus.

Das Jahr 2012 muss doch für Coleman ein gefundenes Fressen sein, bei dem er sich so richtig in wilden Theorien austoben kann. Mit der stellaren Konstellation, die laut Maya-Kalender den Weltuntergang verursachen soll, hat sich der Mann bestimmt mehr als ausgiebig befasst. Nicht nur deswegen ist Armageddon zum Greifen nahe, auch die atomare Bedrohung in Nahost wächst zusehends. Dinge, welche der Kosmopolit Coleman nicht verstehen kann und auf die er mit bitterem Zynismus reagiert. Seine Songs sind also nicht nur spirituell, sondern auch politisch motiviert, was für Sprengstoff sorgen dürfte.

Der entzündet sich im eröffnenden Longtrack nur langsam, aber lässt schon die Intensität spüren. In "Pole Shift" prallen sich langsam steigernde postrockende Klangwände und anklagende WARRIOR SOUL-Wut aufeinander. Der Vergleich mit der Truppe um Cory Clarke kommt nicht von ungefähr, denn KILLING JOKE waren sowohl einer ihrer musikalischen Impulsgeber als auch zwischenzeitliches Betätigungsfeld von Schlagzeuger Paul Ferguson. Nun ist "Big Paul" ebenso wie Bassist Youth, der den verstorbenen Paul Raven beerbte zurückgekehrt.
Nach dem Exkurs durch die Dynamikschichten kommt "Fema Camp" mit seinem stampfenden Rhythmus geradliniger um die Ecke. Der Basslauf ist nicht die einzige Referenz an die Achtziger, die Synthieteppiche bei "In Cytheria" atmen den Geist der New Wave-Ära. Und auch hier ist der Viersaiter dominant, ein Stilmittel, welches sich durch das gesamte Werk zieht. Ohnehin pumpt das druckvolle Klangbild mächtig in die Gehörgänge und unterstützt ganz unbewusst damit die bedrohliche Atmosphäre.
Die Refrains bestehen oft nur aus dem Songtitel und werden wie in der leicht rockigen Industrialnummer "Rapture" zornig heraus geschrien. Doch die blanke, rohe Wut wird gerne zurück gehalten, oft wird sie ähnlich wie bei FEAR FACTORY von sakral anmutendem Hall gedämpft, was eine gewisse Verzweiflung transportiert. Hier nimmt man klar Kurs auf die Neunziger-Phase, wobei "MMXII" überhaupt sämtliche Schaffensperioden der Band gekonnt vereint.

Richtig  nach vorne preschen nur das punkig-räudige "Corporate Elect" und das elektronische "Glitch". Hier stampfen die Samples heftig durchs Gemüse während die Gitarrenschübe von Keyboardschwaden eingefangen werden. Könnte auch von MINISTRY stammen ist nur klar besser als deren jüngster Erguss. Dazwischen setzt man auf ruhige aber nicht weniger bedrückende Sphärik wie in "Primobile". Tiefe Synthesizer dröhnen behäbig und werden immer wieder von feinen Leads durchschnitten bevor im Refrain wieder die "Wall Of Sound" hochgezogen wird.

Man könnte es mit der Angst zu tun bekommen wenn man dieses Review liest, doch dem ist nicht so, denn die Scheibe macht Spaß, nicht nur wegen dem fast tanzbaren "Trance". Wie erwähnt malt Coleman hier ein zynisches Bild der Gegenwart und sieht durchaus Licht am Ende des Horizonts. Wenn man ihm Glauben schenken darf steht uns ein Zeitalter des Aquarius bevor. Das wurde uns schon einmal versprochen, mal sehen ob es diesmal hinhaut. Bis dahin kann man sich die Zeit prima mit diesem sehr intensiven Album vertreiben (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 51:12 min
Label: Spinefarm Records
Veröffentlichungstermin: 02.04.2012

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