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Mehrfach-Wertung der Redaktionicedearth_dystopiaVon ICED EARTH erwarte ich ja schon lange nichts mehr. Genauer gesagt, seit der „The Glorious Burden“. Den übermäßigen Gebrauch der amerikanischen Nationalhymne und das megapatriotische Geschwurbel hätte ich ja noch irgendwie verkraften können. Aber dieser flennende Adler im Booklet brachte das Faß zum Überlaufen. Einfach nur zum Kotzen. Hatten sich ICED EARTH mit „The Glorious Burden“ selbst getötet, so konnte sie auch der Wiedereinstieg von Matt Barlow nicht wiederbeleben. Was man auch an den Livesetlisten der diesjährigen Festivalshows merkte, die gerade mal einen einzigen Song der letzten drei Alben enthielten.

Und das völlig zu Recht. Denn diese Alben sind  - man muß es so sagen – ziemlicher Schrott, der zudem noch sehr gezwungen klingt. Und jetzt ist auch noch Matthew Barlow zum zweiten Mal ausgestiegen. Was soll da noch kommen? Nun, zunächst kam mal Stu Block, der einigen von INTO ETERNITY bekannt sein dürfte. So richtig am Mikro von ICED EARTH konnte man sich den Kerl aber irgendwie nicht vorstellen. Bis ICED EARTH auf Ihrer Homepage eine Neueinspielung von „Dante’s Inferno“ zum kostenlosen Download bereitstellten. Und das klang ja gar nicht mal so schlecht. Sollte da doch noch was kommen?

Entsprechend gespannt wartet der geneigte Fan nun auf „Dystopia“, das mittlerweile 10. Studioalbum der Band. Der Titel verspricht ein düsteres Album, doch der Titelsong und Opener der Scheibe beginnt erstmal mit Marschtrommeln, was erschreckt aufhorchen läßt. Doch dann setzt mit einem so auf einem ICED EARTH-Album wohl noch nie gehörten Schrei der eigentliche Song ein und der wird richtig schnell und sehr geil. Dieses Stück ist besser als alles, was die Amerikaner in den letzten 10 Jahren produziert haben. „Dystopia“ überrollt den Hörer förmlich und walzt ihn gnadenlos nieder. Wow, was für ein Song!

Da hat es das nachfolgende „Anthem“ richtig schwer, dagegen anzukommen. Und schafft es dank Stus mehr als nur guter Gesangsleistung und schöner Gitarrenläufe doch fast. Genau wie „Anguish Of Youth“ umgibt den Song ein kleines bißchen die Aura von Meisterwerken wie “The Hunter“, „I Died For You“ oder „Watching Over Me“. Und ja, ich weiß, an diese Songs kommen ICED EARTH wohl nie mehr ran. Behauptet man. Aber wer weiß das schon nach diesem Album?

„Boiling Point“ ist ein schöner schneller Song mit genialen hohen Screams und Ohrwurmrefrain. Also auch bei Song Nummer Drei gilt: Alles richtig gemacht. Und so geht es eigentlich durchgehend weiter. „V“ steht übrigens (zumindest nicht nur) für den fünften Song der Scheibe, sondern auch für den Film „V For Vendetta“, an den „V“ eine Hommage ist. Auch dieser Song ist mit einem Ohrwurmrefrain ausgestattet, der den Song live zur Mitsinghymne machen könnte.

Und mit „Dark City“ gibt es einen zum Thema „Dystopia“ passenden herrlich düsteren Song, der doch schon etwas deutlicher an die alten ICED EARTH erinnert. Noch stärker wird dies bei „Equilibrium“, bei dem man endlich die für die alten ICED EARTH so typischen stotternden Riffs erahnen kann. Und im brutalen, düsteren „Days Of Rage“ sind sie dann endlich da! Ein herrlicher, knackig kurzer, harter und roher Song. Genial!

Als Ausgleich dafür kommt „End Of Innocence“ anfangs fast schon als Popballade daher, bevor der Song noch richtig heavy wird aber nicht die Erhabenheit alter Großtaten erreicht. Der letzte Song, „Tragedy And Triumph“ greift noch einmal das Marschtrommelmotiv vom Opener „Dystopia“ auf. Und verwandelt sich dann in einen für ICED EARTH absolut untypischen Song. „Tragedy And Triumph“ klingen, als würden die Amerikaner IRON MAIDEN covern. Und dennoch faßt dieser Song wohl die ganzen letzten Jahre und diese Platte am besten zusammen. ICED EARTH bzw. Jon Schaffer haben ihre Krise überwunden. Die Songs klingen nicht mehr gezwungen, sondern befreit und trotz aller Düsternis auch irgendwo fröhlich. Ganz besonders natürlich dieser letzte, groovende Song, der einen genialen Abschluß für ein geniales Album bildet.

Ja, richtig. ICED fucking EARTH haben tatsächlich geschafft, an was wohl kaum jemand noch geglaubt hat. Sie haben ein verdammt geiles Album herausgebracht. Sicher, ICED EARTH klingen anno 2011 nicht mehr wie vor 10 oder 13 Jahren. Sicher, man vermisst viele der typischen Trademarks. Doch wer ein weiteres Album in der Tradition von z.B. „Something Wicked This Way Comes“ erwartet, der muß sich dann schon fragen, ob er nicht irgendwo in der Vergangenheit stehengeblieben ist. Daß ICED EARTH noch einmal ein paar gute Songs schreiben, haben wohl nicht viele erwartet. Aber sie haben nicht nur das geschafft, sondern sie zaubern aus dem Nichts heraus ein Album komplett ohne Ausfälle hervor. ICED EARTH 2011 klingen moderner, ungezwungen, von den Fesseln der „Something Wicked“-Trilogie befreit. Auch der neue Sänger Stu Block kann wirklich begeistern, er singt sich perfect durch alle Tonlagen und klingt gerade in den mittleren Lagen fast genauso wie Barlow. „Dystopia“ braucht zwar unter Umständen mehrere Anläufe, aber wenn sich die Scheibe erstmal in den Gehirnwindungen festgebissen hat, dann geht sie einem auch nicht mehr aus dem Kopf. Dieses Album sollte sich jeder Fan schleunigst zulegen, denn „Dystopia“ ist einfach nur genial. Das kann man mit Worten eigentlich nicht wirklich beschreiben, das muß man einfach gehört haben. ICED EARTH sind wieder zurück! (Anne)

Bewertung: 9 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:06 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 14.10.2011

Wertung der Redaktion
Maik Bernie Jochen Rainer Seb David Kevin
9 8,5 7,5 7 8,5 7,5 8
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