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Dass DIE APOKALYPTISCHEN REITER die wohl experimentierfreudigste und durchgeknallteste Band in der deutschen Metalszene ist, dem dürfte wohl kaum einer ernsthaft widersprechen wollen. Für meinen Geschmack haben es die vier Thüringer auf ihrem letzten Album "Have A Nice Trip" allerdings ein wenig mit den Experimenten und dem Einbauen stilfremder Elemente übertrieben, so dass dieses Werk ungleich sperriger und komplizierter war als dessen Vorgänger "All You Need Is Love", meines Erachtens nach das absolute Highlight in der bisherigen REITER-Discographie.
Nun, bezüglich der Sperrigkeit stellt das nun erschienende fünfte Studioalbum "Samurai" einen klaren Rückschritt von "HANT" in Richtung "AYNIL" dar, denn die neuen Songs sind wesentlich schlüssiger und straighter gehalten und gehen wesentlich schneller ins Ohr als ihre direkten Vorgänger. Dass ein REITER-Album aber immernoch weit davon entfernt ist, nach klassischen Maßstäben "normaler Metal" zu sein, sollte aber keinesfalls bezweifelt werden.

Der Opener "Wahnsinn" zeigt bereits deutlich an, wo es bei den – übrigens um den zweiten Gitarristen Pitrone erweiterten REITERN – anno 2004 langgeht: bolleriges, aber punktgenaues Drumming, sägende, aber auch äußerst melodische Gitarrenarbeit, dazu die typischen krank-genialen Keyboardlinien des Dr. Pest, und überwiegend klarer Gesang, der allerdings – glücklicherweise – inzwischen ziemlich eigenständig und nicht mehr so RAMMSTEIN- und SUBWAY TO SALLY-(ab)artig klingt. Dazu ein äußerst origineller Text, und fertig ist das erste Highlight der Scheibe.
Das folgende "Eruption" beginnt mit einem ziemlich maiden-mäßigem Gitarrenlead, bevor der Mittelteil dank verstärktem Elektronik-Einsatz fast schon wie WOLFSHEIM klingt – bei 99 % aller Bands gehen solche Crossover-Aktionen schief, bei den REITERN passt es einfach und markiert den nächsten Höhepunkt!
Bei "Rock’N’Roll" erklingt dann erstmals Fuchs’ altbekannte Death Metal-Stimme, das nicht einmal zweiminütige Stück klingt ein wenig wie neuere KREATOR auf Death Metal – der Refrain könnte so auch auf einem der ersten beiden REITER-Werke geklungen haben!
"Silence Of Sorrow" beginnt äußerst aggressiv, bis es beim Refrain wieder einmal äußerst episch-dramatisch zugange geht – dieses Stück könnte man symbolisch als typischen Song der Thüringer bezeichnen, hier gibt es alles, was sie ausmachen, im Überfluss!
Den nächsten Song "Der Teufel" als Black Metal zu titulieren, wäre sicherlich etwas übertrieben, aber eine gewisse DIMMU BORGIR-Schlagseite hat er zu Beginn schon. Im Refrain gibt es dann als Kontrastpunkt fast schon arienmäßige Theatralik pur – eine wahnsinnige Kombination, aber genau das ist halt die typische REITER-Programmatik.
"Reitermaniacs" ist dann die übliche Hymne an den Heavy Metal, diesmal eher doomig und episch – wer davon nicht ergriffen wird, sollte sich nicht als "Metaller" bezeichnen!
Während "Barmherzigkeit" zunächst etwas wie DIE TOTEN HOSEN auf Death Metal wirkt, bevor es durch arabische Harmonien das erste mal so richtig exotisch wird, steht mit „Per Aspera Ad Astra“ das nächste Highlight auf der Matte. Und was für eins – wer würde vermuten können, dass nach einem solchen thrashigen auf-die-Fresse-Anfang ein solch hymnischer, fast schon vikingmetallischer Bombast-Refrain folgen würde! Fantastisch!
Mit "Lazy Day" folgt dann allerdings das erste Stück, das ich komplett für überflüssig halte – so ein angejazzter Easy-Listening-Reggae kommt vielleicht gut beim Chillen oder Kiffen, aber nicht wirklich auf einem Metal-Album!
Bei "Die Sonne scheint" erscheint das vorher verschwundene Grinsen aber wieder ganz schnell im Gesicht, das ist ja fast schon Asi-Punk!!! Bei diesem Refrain muss ich zumindest immer unweigerlich an die Lokalmatadoren und Konsorten denken...
"Roll My Heart" ist dann ein recht typisches REITER-Stück, dem aber irgendwie das gewisse Etwas fehlt und das daher gegen die Vorgänger nicht richtig anstinken kann.
Das nachfolgende "Hey-Ho" allerdings umso mehr, nach dem extrem groovigen Auftakt ziehen die Thüringer noch mal alle Register und legen einen dramatischen Mittelpart aufs Parkett, das fast schon an LACRIMOSA erinnert. Ein würdiger Abschluss des Albums, bevor es mit dem ruhigen Instrumental "Northern Lights" ausklingt.

Bis auf die wenigen erwähnten Ausfälle ist "Samurai" also eine äußerst kurzweilige weil für REITER-Verhältnisse fast schon ungewohnt straighte Platte geworden – wie bereits erwähnt eigentlich das perfekte Bindeglied zwischen dem perfekten "AYNIL" und dem etwas zu experimentellen "HANT". Daher bleibt eigentlich nur das typische Fazit eines REITER-Albums: Metalheads, die bereits Fans waren, werden hier ihre helle Freude haben; wer bislang nix mit den kranken Ossis anfangen konnte, wird höchstwahrscheinlich auch von "Samurai" nicht kuriert werden können. Ich zähle mich zumindest leichtfüssig zu der ersten Gruppe und zolle dem sympatischen Quartett großen Respekt – hier haben sie ganz großes Kino abgeliefert! (Kai)

Bewertung: 9,0 / 10



Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 48:18 min
Label: Nuclear Blast
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