amonamarth_twilight.jpgÜber diese Band noch Worte zu verlieren hieße Wald nach Kanada zu bringen. Doch beinahe wären wir um eine der größten Bands unserer Tage betrogen worden. Denn der US-Abstecher der „The Crusher"-Tour verlief derart desaströs, dass die Schweden beinahe das Handtuch geworfen hätten. Doch Johan Hegg und seine Mannen rauften sich anhand des Erfolges bei europäischen Festivals zusammen und schafften mit dem direkten Nachfolger „VS. the World" den verdienten Durchbruch. Der Rest dürfte wohlbekannt sein und firmiert unter Metalgeschichte. Mit den beiden letzten Longplayern stiegen sie nicht nur in die Führungsriege der harten Szene auf, sondern halfen den Death Metal neu zu etablieren.
Den Siegeszug konnten auch ihre Gegner nicht aufhalten, die den Wikingern vorwarfen, sich ständig zu wiederholen. Denn ihre Fans lieben das eiserne Festhalten am bewährten Sound. Und wo wir gerade über Wikinger sprechen, auch da ist man uneins, ob man AMON AMARTH jetzt zur derzeit sehr angesagten Pagan Metal-Welle zählen soll oder nicht. Doch derart Gerede ist jetzt nebensächlich, das neue Album „Twilight of the Thunder God" steht in den Läden. Und das soll die Band noch ein paar Stufen weiter die Erfolgsleiter hochbringen.

Gerade das wieder stark an die Edda angelegte Konzept, das auch in einem Comic illustriert wurde bringt den neuen Dreher in die Nähe der Pagan-Bewegung. Zwar war von den Musikern in den Interviews zur Entstehung der Scheibe oft zu hören, dass sie mit dem typischen Viking-Metal nichts am Hut hätten, oder hätte man AMON AMARTH einmal in Röcken und Fellen auf der Bühne gesehen.
Die Band nicht, aber die Show war schon öfter mit allerlei Statisten und Aufbauten auf diese Schiene getrimmt, weswegen man solche Äußerungen als Lippenbekenntnisse bezeichnen könnte. Vor allem vor dem Hintergrund der im letzten Jahr schwächenden Wikinger-Szene. Ebenso das Statement, dass es auf ihren Alben nie Keyboards und Frauengesang geben wird, aber dazu später mehr.

Schon beim ersten Hören wird aber klar, dass AMON AMARTH eigentlich nicht vom Kurs abgekommen sind. Der Titelsong fegt alle Zweifel an der Integrität erst einmal hinweg, beinhaltet er doch alle Trademarks, die bisher für den Erfolg der Fünf standen. Grosse, raumgreifende Hymnen, stoisch nach vorne walzende Gitarrensalven, unablässiges Ballern der Double-Bass, feine Gitarrenharmonien, aggressives Sirren der Äxte.
Dazu ist das Ganze musikalisch voll auf der Höhe, beim sechsten Album mit dem gleichen Line-Up präsentiert sich die Truppe tight und eingespielt wie nie zuvor. Johan Hegg grunzt abgrundtief, Mikkonen und Söderberg spielen sich die Riffs fast blind gegenseitig zu und Lundström sowie Fredrik Andersson sorgen für das nötige Fundament. Obendrauf garnieren tolle Soli das Ganze, so dass der Fan kaum was zu meckern hat, zumal die Kompositionen schnell ins Ohr gehen und sofort zum Matteschütteln animieren.

Was ist nun anders als früher, wo liegt die Entwicklung innerhalb dieses Gefüges? Bei genauerem Hinsehen fällt vor allem der größere Anteil von Johan Söderberg am Songwriting ins Auge. Da der Mann eine andere Herangehensweise als sein Nebenmann an den sechs Saiten hat klingen auch seine Stücke wie „Free Will Sacrifice" ein wenig anders, etwas düsterer.
Dann sind auch zum ersten Mal Gastmusiker auf „Twilight of the Thunder God" vertreten. Roope Latvala von CHILDREN OF BODOM steuert ein Solo bei und LG Petrov von ENTOMBED unterstützt den Sänger bei der Hymne „Guardians of Asgaard". Diese reiht sich nahtlos in die Riege von Klassikern wie „Death in Fire" oder „Runes to my Memory" ein, AMON AMARTH gelingt es auf jedem Album einen solchen Übersong zu platzieren. Doch ist das überhaupt noch Death Metal? Melodic Death, ja gut, aber bei manch Melodiebogen kommt einem fast der Begriff „Death-Pop" in den Sinn, so eingängig und melodiös fallen diese aus.
Auch der epische Rausschmeißer „Embrace of the endless Ocean" fällt aus dem Rahmen, ebenso wie „The Hero", bei dessen Intro-Lead das Effektgerät ungewöhnlich oft betätigt wird. Desweiteren lässt sich ein vermehrter Einfluss von traditionellem Metal ausmachen. Die größte Neuerung allerdings findet sich allerdings bei „Live for the Kill" wieder, bei dem im Solopart APOCALYPTICA mit ihren Celli auftauchen. Keine Keyboards zwar, aber doch ein Instrument, welches schon manche Male zum Weichspülen benutzt wurde.

Wo wir gerade Weichspülen ansprechen, der Sound der Scheibe fällt zwar druckvoll aus, ballert ordentlich und klingt sehr differenziert, doch es fehlen die nötigen Ecken und Kanten. Wasser auf die Mühlen derer, die AMON AMARTH schon länger Verlust an Härte und Brutalität ankreiden. Doch warum sollte man die technischen Möglichkeiten nicht nutzen, wenn sie vorhanden sind, solange man sich treu bleibt.
So bleibt ein Album, mit dem man keine alten Fans vertreiben wird, aber neuen den Zugang weiter öffnet. Abgesehen davon ist „Twilight of the Thunder God" ein Metal-Album, das enorm viel Spaß macht mit tollen, knackigen Songs. Auch in einem eng gesteckten Feld finden die Schweden immer noch genug Ideen, um sich nicht ständig zu wiederholen.

Hier muss man AMON AMARTH einfach ein Kompliment machen, sie beherrschen den Spagat zwischen Bedienung der alten Fans und Weiterentwicklung wie kaum jemand anders. Für ein eigentlich Nummer-sicher-Album ist das hier richtig groß geworden. Sie haben also alles richtig gemacht, ohne auch nur eine Spur kalkuliert zu klingen. Man muss kein großer Prophet sein, um vorher zu sagen, dass das Album den Erfolg seines Vorgängers übertreffen wird und die Position der Formation über Jahre oben in der Szene festigen wird. Der Angriff auf den Thron hat begonnen. (MetalPfälzer)

 

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 44:20 min
Label: Metal Blade
Veröffentlichungstermin: 19.09.2008

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