It bites - The tall ships

itbitesthetallships300.jpgAuch in der progressiven Musik ist man vor Reunionen nicht gefeit, gerade einige der Achtziger-Neo-Prog-Vertreter tauchen in den letzten Jahren wieder auf der Bildfläche auf. So auch die Briten IT BITES, die Ende der vorletzten Dekade immerhin drei vielbeachtete Alben auf den Markt werfen konnten. Gegründet wurde diese Truppe 1983, das Debüt erschien drei Jahre später und in der Folgezeit tourten sie mit solch renommierten Bands wie MARILLION, GO WEST oder ROBERT PLANT. Leider löste sich die Gruppe nach dem Ausstieg von Sänger Francis Dunnery während der Vorbereitungen zum vierten Dreher auf. Erst mehr als 10 Jahre danach brachte der Rest der Truppe mit dem von ARENA bekannten John Mitchell IT BITES wieder an den Start. Nun erscheint das Comebackwerk „The tall Ships" beim deutschen Vorzeige-Proglabel Inside Out, das sehr große Stücke auf die Jungs hält. Ob das Vertrauen gerechtfertigt ist wird man sehen oder besser hier lesen. 

IT BITES machen genau da weiter wo sie Anfang der Neunziger aufgehört haben, bei typisch opulentem und hochmelodischem Neo-Prog des vorletzten Jahrzehnts. Einige Einflüsse gehen auch auf die großen Acts der Siebziger zurück, aber daran wird sich in dem Genre nie etwas ändern. Die vielschichtigen Kompositionen werden von Gitarre und Keyboards gleich stark nach vorne getragen. Mitchell bringt neben feinen, akzentuierten und teilweise leicht jazzigen Riffs viele kleine Lead-Melodien an den Start, packt hin und wieder auch die Akustische aus. Sein Gegenüber John Beck spielt die ganze Vielfalt, welche aus den Tasten raus zu holen ist aus, ob jetzt Orgel-Tupfer, flächige Synthesizer, Piano-Kaskaden oder knackige Fanfaren. Selbst vor klassischen Einflüssen macht er nicht halt, aber nichts ungewöhnliches im Prog-Bereich.
Meist harmonieren beide Instrumente schön miteinander, sei es in den Strophen oder in den Solo-Parts. Die einzelnen kleinen Licks ergänzen sich prima, beim Longtrack „The Wind that shakes the Barley" spielen sie sich die Elemente zielsicher zu. In den instrumentalen Passagen duellieren sich die beiden auch schon mal, halten sich aber meist dezent zurück, um den Melodien Raum zu geben.

Denn diese sind der große Trumpf von „The tall Ships", ziehen sich durch das ganze Album und sorgen dafür, dass schon beim ersten Durchlauf einiges hängen bleibt. Mit einer unglaublichen Sicherheit laufen die Gesangslinien des neuen Mannes leichtfüßig nach vorne. Oft bilden sich auch sehr schöne Harmonien mit den Mitmusikern heraus, die auch mal kanon-artig aufgebaut sind. Solche Gesänge vermisst die Musikwelt, seit YES sich mehr oder minder auf das Altenteil zurückgezogen haben, die Briten liefern sie auf „Great Disasters" und dem äußerst süffigen Opener „Oh my God".
Doch auch wenn der bunte Strauss zündender Melodien das Album beherrscht, so gehen die Lieder sicherlich nicht einfach schnurstracks durch, sondern warten immer wieder mit kleinen Wendungen und Tempowechseln auf. Dabei steht immer das warme, leicht angeraute aber nie aufdringliche Organ des Frontmannes im Vordergrund.

Die Instrumentalfraktion steuert ihren stets präsenten Anteil bei, ordnet sich aber stets unter und gibt dem Song das was er braucht um zu wirken. Dabei agieren die drei stilvoll, mit sehr viel Feeling und Gespür für die richtige Note. Die Bässe teilen sich im Übrigen Mitchell und Beck, da Gründungsmitglied Dick Nolan vor den Aufnahmen seinen Hut nehmen musste.
Heraus kamen ebenfalls sehr warme, pumpende Läufe, die die feinfühlige Rhythmusarbeit von Bob Dalton unterstützen. Dieser agiert wie seine Vorderleute mit filigranem Spiel, übertreibt es aber nicht mit den Breaks, sondern lässt sie zur rechten Zeit wirken, um die Atmosphäre zu unterstützen.
Zusammen gehalten wird das Ganze von der glasklaren Eigenproduktion, die einmal mehr die Reife der Truppe zeigt. Trotzdem wirken die Songs frisch und unbekümmert und nicht zu durchdacht, was vor allem daran liegt, dass man sie wenig vorhersehbar arrangiert. Es sind vor allem die kleinen Details, die den Dreher auch noch längere Zeit interessant machen. Wie etwa das an Achtziger-Pop erinnernde Keyboard-Flirren über den Basslauf in „Ghosts" oder die folkloristischen Zitate im traumhaften Titelsong.

Dazu kann man es auch vermeiden, dass sich allzu viel Patina auf der Musik ansetzt, denn modernen Einflüssen gegenüber ist man jederzeit offen. Seien es jetzt die kruden Riffs über die schweren Orgeln in „Memory of Water" oder das an COLDPLAY erinnernde „Fahrenheit". Abwechslung gibt es obwohl „The tall Ships" aus einem Guss klingt, ohnehin genügend, wie der abschließende 13-Minüter „This is England" unter Beweis stellt.
Ich könnte jetzt noch stundenlang über jeden einzelnen Ton, der auf dem Album genau da sitzt wo er hingehört, referieren, aber diese sollen die Hörer selbst für sich entdecken. Egal in welcher Epoche der progressiven Rockmusik man sich zuhause fühlt, diese Scheibe sollte man besitzen. Ein Comeback, das die Welt brauchte, welche uns ein wunderschönes, anspruchsvolles Werk beschert hat. Bisher das Prog-Highlight des Jahres. (MetalPfälzer)

Bewertung: 9 /10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 69:43 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 26.09.2008

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