Björk - Fossora

björk fossoraÜber BJÖRK zu schreiben – was hab‘ ich mir da nur vorgenommen? Wie soll man diese Ausnahmekünstlerin oder ihr musikalisches Schaffen denn beschreiben? Einerseits kennt jeder BJÖRK und weiß, was er von ihr zu erwarten hat – andererseits liefert BJÖRK immer wieder etwas Unerwartetes ab. Wobei das dann auch wieder nicht stimmt, denn ihr neues Album „Fossora“ ist im Grunde eine logische Fortsetzung des Vorgängers „Utopia“. Denn während „Utopia“ ein „Album in den Wolken“ war, kehrt „Fossora“ auf die Erde zurück.

Oder besser gesagt: In die Erde. Denn um die Erde, darin graben, sich darin eingraben, Wurzeln ausbreiten, darum geht es auf diesem Album. Wenn man sich die Songtitel so anschaut, dann kommt man recht schnell darauf, dass Pilze auf diesem Album eine große Rolle spielen (evtl. auch bei seiner Entstehung). Pilze und ihr unterirdisches Wurzelwerk, das Mycel. BJÖRK selbst sagt dazu, dass die Wurzeln von Bäumen zu statisch sind. Bei einem Baum weiß man genau, wo er steht. Aber Pilze, Pilze können überall unvorhergesehen auftauchen und auch jedes Jahr an anderer Stelle. Pilze sind psychedelisch und diesen Eindruck hat man oft auf „Fossora“.

Gleichzeitig ist das Album aber auch sehr düster geraten. Kein Wunder, wenn man an die Umstände denkt, unter denen es entstanden ist. Zum einen wurde es – zumindest teilweise – geschrieben und aufgenommen, als die Pandemie auf ihrem Höhepunkt war und Isolation das Gebot der Stunde war. Da ist es doch tröstlich, wenn es zumindest ein Mycel gibt, das einen mit anderen Menschen verbindet. Zum anderen war ein großer Einfluss der Tod von BJÖRKs Mutter im Jahr 2018. Sowohl das Stück „Sorrowful Soil“ als auch „Ancestress“ sind ihr explizit gewidmet.

Bei Songtiteln wie „Mycelia“ und „Fungal City“ sind die pilzlichen Verflechtungen sehr offensichtlich, aber auch andere Verflechtungen werden thematisiert. Da haben wir einmal die rückwärtsgerichteten Verflechtungen mit ihrer Mutter und dann auch die vorwärtsgerichteten Verflechtungen mit ihren eigenen Kindern, die in Songs wie „Ovule“ thematisiert werden. Gleichzeitig gibt es aber auch ganz konkrete Verflechtungen, denn sowohl ihr Sohn Sindri als auch ihre Tochter Ísadóra wirken an diesem Album mit.

Und viele, viele andere auch. Klarinetten- und Flötenensembles spielen auf „Fossora“ eine große Rolle und ich sage es mal so: Man muss das mögen. Ich bin kein großer Fan von Klarinetten und finde das Album alleine deshalb oft anstrengend. Auch Oboen und andere Blasinstrumente kommen immer wieder zum Einsatz. Und die mag ich alle lieber als Klarinetten. Dazu kommen Chöre, Synths und allerlei elektronische Spielereien, aber das ist man von BJÖRK ja gewohnt.

„Allow“ stammt noch aus den Songwritingsessions für das letzte Album „Utopia“ und ist hier nun in einer überarbeiteten und zugegebenermaßen sehr alternativen bis anstrengenden Fassung zu hören. Dafür gibt es aber auch fast schon eingängige Songs, wie das bereits erwähnte „Ancestress“, das liebevolle Herzstück des Albums, bei dem auch musikalisch so ziemlich alle Aspekte des Albums zusammenkommen. Oder auch „Her Mother’s House“ das ebenfalls sehr liebevoll und sanft daherkommt.

Mit „Fagurt Er Í Fjörðum“ gibt es auch einen kurzen, an ein Kirchenlied erinnernden Einspieler auf Isländisch. „Trolla Gabba“ ist laut, chaotisch, freaky – wie man es von BJÖRK in gewisser Weise erwartet. Auch der Titelsong „Fossora“ ist fast schon kakophonisch verrückt und laut. BJÖRK zeigt auf diesem Album wieder einmal ihre vielen Facetten und Fähigkeiten. Und das macht den Genuss des Albums nicht unbedingt leichter. Ich persönlich finde es oft sehr anstrengend zu hören. Aber wer bei BJÖRK easy listening erwartet, ist sowieso falsch. (Anne)

 

Bewertung:

Anne7,0 7 / 10

Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 54:14 min
Label: One Little Independent Records
Veröffentlichungstermin: 30.09.2022

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