Elinborg - Vera

elinborg veraSieben Jahre ist es nun her, seit Elinborg Pállsdóttir ihre Debüt-EP „Spor“ veröffentlicht hat. Ich muss sagen, dass diese EP nicht wirklich meinem Geschmack entsprach, aber da war ich auch schon lange der Zielgruppe entwachsen. Mir waren die Songs und vor allem die Texte einfach zu jungmädchenhaft, zu romantisch verträumt. Die Nachfolge-EP „Landið Sum Eingin Sær“ (2017) habe ich mir daraufhin gar nicht erst angehört. Nun, sieben Jahre später und mittlerweile 25 Jahre alt, ist etwas anderes zu erwarten und deshalb bin ich gespannt darauf zu hören, wie und wohin ELINBORG sich entwickelt hat.

Wobei ich wohl nicht allzu sehr überrascht sein werde, denn immerhin hat man ELINBORG in der Zwischenzeit live als Support ihrer Schwester EIVØR sehen können (übrigens begleitet sie sie just in diesen Tagen ein weiteres Mal) und auch auf den Färöern immer wieder erleben können und hat da schon gemerkt, dass sie dieser Jungmädchenzeit deutlich entwachsen und zu einer jungen Frau gereift ist.

Auch musikalisch lässt sich mit „Vera“ (auf deutsch: „Sein“) eine deutliche Entwicklung feststellen. Der sanfte, melancholische Pop ist Vergangenheit. Das merkt man schon beim Opener „Jørð“ (Erde), den Elinborg 2020 schrieb, während sie in Quarantäne saß und ihre Liebsten nicht sehen durfte. Der Song beginnt mit verzerrten, spacigen Sounds, düsteren, fast schon bedrohlichen Synths, die man so zunächst gar nicht von der jungen Frau erwartet hätte, die aber perfekt die damalige Stimmung ausdrücken. Zunächst setzt nur ELINBORGs klarer, sanfter Gesang ein, die anderen Instrumente folgen dann nach und nach. Der einem Herzschlag ähnelnde Takt, den es schon zur anfänglichen Kakophonie gab, zieht sich durch den kompletten Song, der in seinem Verlauf sein Gesicht vollkommen ändert und zu einer eher sanften, zarten Popnummer wird.

Der Titelsong „Vera“ ist schön melodisch und atmosphärisch ausgefallen, man hört, dass es sich bei ELINBORG um die Schwester EIVØRs handelt. Leider ein wenig zu sehr, der Song erinnert, gerade im Refrain, oft an EIVØR. Auch stimmlich ähnlich ELINBORG ihrer Schwester immer mehr, ihre Stimme steht hier auch oft im Vordergrund, während die Musik vornehm in den Hintergrund tritt.

Mein Lieblingssong auf dem Album ist jedoch „Sirm“ (Nieselregen). Dieses Stück ist sehr elektronisch ausgefallen, ELINBORG singt mit leicht verzerrter Stimme und als Sahnehäubchen gibt es ein Duett mit Rapper und Dichter Trygvi Danielsen, besser unter dem Namen SILVURDRONGUR bekannt, der den Song wirklich zu etwas besonderem macht, indem er einfach seine sanfte, unaufgeregte Stimme über ihren beinahe schon chaotisch wirkenden Song legt. ELINBORG selbst tritt immer weiter in den Hintergrund.

„Sjórok“ (Meeresgischt) gehört zu den Songs, die schon vor längerem als Single veröffentlicht wurden und daher vielen Menschen bekannt sind. Auch dies ist ein Song, der zeigt, wie sehr ELINBORG sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Hier klingt sie stimmlich fast genauso wie EIVØR, die Verwandtschaft lässt sich also nicht leugnen. Allerdings fehlt ihr (noch) die Kraft, die Power, die Intensität, die EIVØRs Stimme hat – aber auch hier gilt wieder einmal: ELINBORG ist noch jung, da kann noch viel passieren und sie kann sich noch viel entwickeln. Ansonsten ist „Sjórók“ ein wirklich schöner, melodischer Song, der in meiner persönlichen „Hitlist“ Platz zwei auf dieser EP belegt.

„Vón Mín“ (Meine Hoffnung) ist ein schöner sanfter Song, dessen sphärische Synthiemelodien durch den Raum zu schweben scheinen. Auch wenn auf dem Gesang immer mal wieder Effekte liegen, zeigt ELINBORG hier, was sie gesanglich mittlerweile drauf hat.

Insgesamt zeigt die EP „Vera“, was für eine Entwicklung ELINBORG in den letzten Jahren hinter sich hat und wie sehr sie sich musikalisch neu orientiert und ihren eigenen Stil herausgebildet hat. Wobei sie nach wie vor unverkennbar von ihrer Schwester beeinflusst ist. Vielleicht ist es falsch, ELINBORG permanent mit EIVØR zu vergleichen. Aber es fällt auch schwer, es nicht zu tun, zumal sowohl Eivør als auch ihre Bandmitglieder fast alle auf die eine oder andere Weise in einem oder mehreren Songs bei diesem Album mitgewirkt haben. Eivør gehört sogar offiziell zu den Produzent:innen, die an dieser EP gearbeitet haben. Eine gewisse Nähe ist also gar nicht zu leugnen. Aber wiederum andererseits stehen sich die beiden Schwestern so nahe, dass Vergleiche zwischen ihnen völlig unerheblich sind. „Vera“ ist ein erwachsenes Album, das durchaus allen, die einen Sinn für melancholischen, düsteren Synthpop haben, gefallen könnte. (Anne)

Bewertung:

Anne7,0 7 / 10

Anzahl der Songs: 5
Spielzeit: 21:46 min
Label: Tutl
Veröffentlichungstermin: 23.09.2022

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