Oceans Of Slumber - Starlight And Ash

oceansofslumber starlightandashEin neues Album von OCEANS OF SLUMBER zum ersten Mal anzuhören, bedeutet, in eine neue Welt einzutreten. Keine Platte klingt wie die davor, immer gibt es eine Weiterentwicklung. In diesem Fall hat sich diese bereits auf dem letzten, selbstbetitelten Album angedeutet, auf dem die eher ruhigen Songs immer mehr Raum einnahmen, genauso wie Cammie Beverlys Stimme, die immer mehr in den Vordergrund trat. Das hat man auf „Starlight And Ash“ konsequent weiter verfolgt, so dass man sich schon noch fragen kann, ob das hier noch Metal ist.

Kann man, muss man aber nicht, denn die Musik des Sechsers spielt ohnehin in einer ganz eigenen Liga, wie sie hier eindrucksvoll beweisen. Von Anfang an versprüht das Album einen ganz eigenen Vibe. Man kann sofort in die Songs eintauchen und fühlt sich in die Südstaaten versetzt. Auf einer Holzveranda sitzt man an einem schwülheißen Tag und versucht irgendwie, die drückende Hitze zu ertragen, während der leicht moderige Geruch der Sümpfe langsam richtig Veranda wabert. Dieses Album hat ein so massives Südstaatenflair, voller Melancholie und wirkt doch niemals übertrieben oder gar kitschig.

Ganz im Gegenteil. Die Plattenfirma kündigt den Stil der Band mit „New Southern Goth“ an und das beschreibt es vielleicht sogar ganz gut. Die Band, und insbesondere Sängerin Cammie schaffen es, eine Verzweiflung und Düsternis in diese Songs zu packen, dass es einen regelrecht mitreißt. In diesem Album steckt so unglaublich viel Gefühl. Man spürt es bei jeder einzelnen Note.

Schon der Opener „Waters Rising“, der auch schon vorab als Single veröffentlicht wurde, steht dafür exemplarisch. Leise und sanft steigt man ein und wird dann, mit der Dramatik des Textes zusammen immer härter und intensiver. Und dennoch halten sich die Instrumente eher im Hintergrund und geben Cammie den Raum, den sie braucht, um zu zeigen was sie kann. Gefühlt wird sie immer besser (ich schreibe bewusst gefühlt, denn eigentlich ist sie ja schon seit Jahren eine unfassbar gute Sängerin), was sich ja auch darin spiegelt, wie gefragt sie als Gastsängerin ist.

Cammie schafft es, mit ihrer Stimme jedem Song eine unglaublich gravierende Intensität und Heavyness zu verleihen und beim Hörer eine tiefe Traurigkeit zurückzulassen – weil man von ihr in die dunklen Tiefen des „New Southern Goth“ hineingezogen wird – und eigentlich ist das doch die perfekte Beschreibung von Doom Metal. Also, ich verstehe die Diskussion nicht.

„The Lighthouse“, ebenfalls vorab als Single veröffentlicht, ist ein Song, der vor Südstaatenflair nur so trieft, der aber auch voll abgrundtiefem Schmerz und Verzweiflung steckt, geht direkt ins Ohr – und ins Herz. Ein ergreifender Song, der die ganze Klasse dieser Band zusammenfasst. Neben Cammies klagender Stimme fallen hier vor allem die Gitarren auf, die immer wieder für die Südstaaten typische Melodien aufgreifen.

Dass die Band aber doch noch richtig hart und schwermetallisch zu Werke gehen kann, das beweist sie spätestens mit „Red Forest Roads“, bei dem Schlagzeug und Gitarren phasenweise versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Doch meist herrschen in „Starlight And Ash“ die ruhigen Töne vor, „Salvation“ ist dafür ein weiteres gutes Beispiel. Cammies Stimme steht wieder deutlich im Vordergrund und es ist eine wahre Freude, ihre zuzuhören. Die geschickt eingesetzten Chöre unterstreichen die Atmosphäre des Songs perfekt und steigern die Dramatik ohne zu dick aufzutragen.

Für die ruhigen Töne sorgt auch das wunderschöne, traurige, auf ein Klavier beschränkte, „The Spring Of 21“. Daraus hervor geht „Just A Day“ das textlich das Leben mit Depressionen behandelt und musikalisch sowohl die Traurigkeit als auch die Brutalität von Depressionen perfekt darstellt. Zwei besondere Songs haben sich OCEANS OF SLUMBER für das Ende des Albums aufgehoben.

Die Texaner sind ja bekannt dafür, recht viele Cover einzuspielen und diese dabei auf ihre ganz eigene Weise zu interpretieren. Das haben sie nun auch mit „House Of The Rising Sun“ getan, das man wohl am ehesten von THE ANIMALS kennt. Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um einen rund 100 Jahre alten Folksong, den die Briten ebenfalls gecovert hatten. OCEANS OF SLUMBER drücken nun auch diesem Song ihren Stempel auf. Textlich kehren sie mehr zur ursprünglichen Version zurück, die tatsächlich, im Gegensatz zur bekannteren ANIMALS-Version, aus der weiblichen Perspektive geschrieben ist. Und da eben dieser Text perfekt zu denen auf dem Album passt, steht der Song nicht irgendwo als Bonus am Ende, sondern wird in das Album eingefügt. Auch musikalisch geht man ganz andere Wege, als man das erwarten würde – und es funktioniert. Diese Version ist so ganz anders, als man diesen Song sonst kennt, und dennoch ist sie absolut perfekt. Die ganze Tragik, Melancholie und Verzweiflung des Songs ist musikalisch fantastisch umgesetzt. Die Band hat sich hier mal wieder selbst übertroffen.

Denkt man zumindest, bis der letzte Song „The Shipbuilder’s Son“ einsetzt. Ein monumentales Werk über das Gefühl, aufgrund der eigenen sozialen Situation gesellschaftlich abgehängt zu sein. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Während andere reisen, bleibt einem selbst nur, sehnsüchtig hinterher zu schauen. Das Stück ist wohl mein Lieblingssong des Albums, obwohl es schwer fällt, bei dieser hohen Qualität überhaupt einen Song als Favoriten auszuwählen. Aber „The Shipbuilder’s Son“ spricht einfach zu mir, seine Sanftheit, seine intensive Verzweiflung und darüber Cammies atemberaubende Stimme – dieser Song ist OCEANS OF SLUMBER in Perfektion.

Wie auch das ganze Album. Man hat das Gefühl, dass die Band zu sich selbst gefunden hat. Ich würde gerne schreiben, dass ich die Growls von früher vermisse, da ich Growls, insbesondere in Kombination mit weiblichem Gesang, liebe, aber das stimmt nicht. Ich vermisse sie nicht. Das Album ist so, wie es ist, richtig gut. Es ist Doom, es ist Metal und gleichzeitig nichts davon. Es ist die Vertonung eines endlosen, unerträglichen Sommertags. Langsam, träge unter der sengenden Sonne der Südstaaten, in der brütenden Hitze eines schwülen Sommers, der jede körperliche Aktivität zur Qual macht sitzend, machen sich Verzweiflung und Depression breit. Dieses Szenario haben OCEANS OF SLUMBER in Musik übersetzt. Und es ist absolut großartig. (Anne)

 

Bewertung:

Anne9,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 49:50 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 22.07.2022

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