Steven Wilson - The Future Bites

stevenwilson thefuturebitesDas aktuelle STEVEN WILSON Album hätte eigentlich bereits im Juni des vergangenen Jahres erscheinen sollen, die Veröffentlichung des Albums wurde wegen der Corona-Pandemie aber von Wilson auf Januar diesen Jahres verschoben. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mich damals sehr über diese Verschiebung geärgert habe, denn was passt in unsichere Zeiten besser als ein Album eines visionären Künstlers wie STEVEN WILSON? Für mein Empfinden war diese Verschiebung damals ein Zeichen großer Schwäche.

Nun gut, das Album wurde verschoben, weil Kommerz auch in diesem Fall wichtiger schien als Kunst, vielleicht ist es gerade deshalb auch eine Ironie des Schicksals, dass in diesen Tagen die Pandemie stärker um sich greift als jemals zuvor und zu diesem ironischen Gedanken passt dann auch, dass sich „The Future Bites“ thematisch unter anderem kritisch mit dem Konsumverhalten der Menschheit auseinandersetzt, was durchaus die Frage aufwirft, mit welcher Berechtigung Wilson mahnend den Finger hebt, wenn er selber auch nicht besser ist?

Die Rahmenbedingungen könnten aus emotionaler Sichtweise jedenfalls besser sein, um „The Future Bites“ als Hörer zu konsumieren. Ich verwende dabei ganz ausdrücklich dieses Wort, normalerweise passen Worte wie „genießen“, „eintauchen“, „sich beschäftigen“ besser zu dem musikalischen Schaffen des Briten, aber dieses Mal ist alles anders, denn „The Future Bites“ ist eine einzige Enttäuschung, da will ich auch gar nichts schönreden oder schönschreiben.
Etwas, was leider aktuell weit verbreitet ist in der schreibenden Presse, denn STEVEN WILSON ist ohne jeden Zweifel einer der ganz großen Künstler der letzten beiden Dekaden und so einem pinkelt man natürlich nur ungerne ans Bein.

Dabei bin ich ganz grundsätzlich immer ein Fan davon, wenn sich Künstler verändern, sich selber herausfordern, neue Wege gehen, von daher passt es ins Bild, dass Wilson bei seinem aktuellen Album den Weg von Progressive Rock in Richtung Progressive Pop weiter vorangeht, so wie es einen stilistischen Wandel zwischen „Hand.Cannot.Erase“ und „To The Bone“ gab, gibt es auch einen solchen zwischen „To The Bone“ und „The Future Bites“; dieser fällt allerdings noch stärker und spürbarer aus.

Die zwei großen Probleme bei vorliegendem Album liegen bereits beim ersten Hören auf der Hand und die führen auch dazu, dass man sich „The Future Bites“ eben nicht schön hören kann ohne sich selbst zu verleugnen. STEVEN WILSON hat es für dieses Album tatsächlich verpasst, gute Songs zu schreiben, Songs, die einen emotional berühren, Songs mit Tiefgang und Seele. Die großartigen Musiker, die ihn sonst auf der Bühne und im Studio unterstützen, wirken bei „The Future Bites“ unsichtbar. Dieses Album klingt so als sei der Sound wichtiger als die Songs, das Problem an der Sache ist dabei zusätzlich, dass das Album so überproduziert und künstlich klingt, dass es einfach keinen Spaß macht. Statt der Wärme echter Instrumente gibt es die Kälte von Computern zu hören, ich kann nicht anders als den Schlagzeugsound von „The Future Bites“ zu hassen. Anstelle eines natürlich klingenden Schlagzeugs gibt es hier vor allem Effekte, Samples, Percussions. Das ist einfach nur grausam, da kann man gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

Das mag in den 80er Jahren bei einem Künstler wie DAVID BOWIE interessant und neu gewesen sein, wirkt im Jahr 2021 für mich allerdings peinlich und wie ein Widerspruch in sich. „The Future Bites“ stellt nach außen hin eine Kritik am Konsumverhalten und der Inhaltslosigkeit der Generation Spotify dar, klingt am Ende dann aber genauso seelenlos, unterkühlt und auf digital getrimmt wie moderne Popmusik. Man dreht sich im Kreis und ist wieder zurück bei "Fressen" und "Kotzen".

Mit „12 Things I Forgot“ gibt es unter den neun neuen Stücken ein Hörenswertes, das an BLACKFIELD oder PORCUPINE TREE Alben wie „Stupid Dream“ oder „Lightbulb Sun“ erinnert und mit dem abschließenden „Count Of Unease“ noch ein sehr ruhig gehaltenes, das als Ausblick auf die Zukunft vielleicht etwas versöhnen kann, der Rest fällt in Sachen Melodieführung und Songwriting durchs Raster und das ist umso erschreckender, weil das normalerweise die Paradedisziplin von Wilson ist.

Von daher habe ich da auch gar keine Lust etwas künstlerisch Wertvolles in dieses Album hineinzuinterpretieren, was faktisch einfach nicht da ist, deshalb stehen hier dann auch nur 5 Punkte. Bleibt abschließend die Hoffnung, dass Wilson mit diesem Album kommerziell auf die Schnauze fallen wird, vielleicht wird er sich dann beim nächsten Mal wieder an seinen eigenen Glanzlichtern wie „The Raven Refused To Sing“ orientieren, von seiner eigenen PORCUPINE TREE Vergangenheit ist er aktuell meilenweit entfernt. Eine Empfehlung für dieses Album geht lediglich an Menschen, die auf 80er Jahre Discomucke und tanzbare Funkrhythmen stehen. Also wenn das die Zukunft ist, lebe ich lieber weiter in der Vergangenheit. (Maik)

Bewertung: 

Maik 20165,0 5 / 10

Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 42:30 min
Label: Caroline
Veröffentlichungstermin: 29.01.2021

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