Airbag - A Day At The Beach

airbag adayatthebeachIn den letzten Jahren sah es so aus, als hätte sich die ehemalige Art Rock-Hoffnung aus Norwegen klammheimlich aufgelöst. Mastermind Björn Riis hat in den vergangenen drei Jahren je ein Soloalbum veröffentlicht, während das letzte Output seiner Stammformation schon vier Jahre zurück liegt. Nebenbei haben mit Bassist Anders Hovdan und Keyboarder Jorgen Hagen zwei Gründungsmitglieder AIRBAG verlassen, weswegen man sich nun als Trio neu aufstellen musste. Was können Riis und sein kreativer Partner, Sänger Asle Tostrup mit "A Day At The Beach" vollbringen, nachdem "Disconnected" schon nicht ganz die Klasse seiner Vorgänger aufzeigte?

Man macht einfach das, was man am besten konnte, nämlich sich stetig verändern, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu verleugnen. So wie ihre Musik immer im Fluss ist, so ist es auch die stilistische Entwicklung. Neben PINK FLOYD, dem ewigen Fixpunkt des Genres hatte sich ja auf der jüngsten Veröffentlichungen der Einfluss von ANATHEMA immer bemerkbarer gemacht. Die Band pendelte ohnehin stets zwischen den traditionellen und dem New Art Rock hin und her und bediente sich beiderseitig.
Gerade in Sachen Gesang ist die Nähe zu den Cavanagh-Brüdern nicht zu verleugnen, doch auch die Gitarrenarbeit weist derartige Spuren auf. Speziell wenn das Tempo anzieht wie öfter im langen Opener "Machines And Men", und die Flächen nach vorne treiben. Da passiert es auch zum einzigen Mal im Laufe der Scheibe, dass die Drums über die Rolle der Untermalung hinaus kommen und wirklich als Rhythmusinstrument agieren.

Das andere Rhythmusgerät geht nicht mehr ganz so in die Tiefe wie gewohnt, sondern hat mehr einen natürlicheren, erdigen Klang. Wenn ganz tiefe Töne auftauchen, dann entstammen die eher dem Sequenzer, der auf "A Day At The Beach" öfter eingesetzt wird. Ob es daran liegt, dass die Liverpooler Vorbilder jüngst auch mit Elektronik flirteten lässt sich schwer sagen, AIRBAG wildern jedenfalls herrlich in den Urzeiten der Bewegung, den Achtzigern.
Ähnlich geht es auch in "Into The Unknown" zu, wobei das Stück eher ruhig beginnt, die Elektronik bedächtig pluckert und langsam an Intensität zunimmt. Diese breitet sich in endlose Weiten aus, die im Chorus keinen Horizont zu kennen scheinen, wenn man wirklich im Unbekannten umher schwebt. Von Keyboardteppichen mitgenommen gleitet man in eine Phase fast völliger Stille, bevor sich die Leadgitarre zum floydigsten Moment der Platte erhebt und dort lange ihre Saiten spinnt.

Noch sanfter dringt der zweiteilige Titeltrack ins Ohr, der sehr lose arrangiert ist. Irgendwo ziehen im ersten Teil ein paar Mellotronwolken vorbei, das Piano versucht sich an einem Grundthema, welches später von der Gitarre übernommen wird, immer wieder schauen Synthschwaden herein, bleiben aber nur zu einem flüchtigen Augenblick. Ein wenig entdeckt man von psychedelischen Anspruch des Vorgängers, gerade im zweiten Part, wo alles ineinander übergeht, wie man es von frühen MIKE OLDFILELD her kennt. Am Anfang ist da ein Fiepen, das sich immer mehr in geisterhaften Tasten auflöst, das Grundthema schiebt sich darüber, wird von der Akustikgitarre übernommen, bevor alles im Fiepen wieder aushallt.

Die Klampfe kommt nicht so oft zur Verwendung wie noch auf "Disconnect", im Schlusspunkt "Megalomaniac" gibt sie aber den Ton an. Erneut ist man zu nah am jüngeren Einfluss, setzt jenen aber gekonnt um, indem man die Töne mehr einzeln wirken lässt anstelle des dichten Sounds. Irgendwo nimmt ein Riff Fahrt auf, welches die härteren Anschläge anders zu nutzen weiß als die massiven Wände, wie AIRBAG sie auf "The Greatest Show On Earth" aufbauten. Noch rifflastiger kommt mit "Sunsets" der ungewöhnlichste Song daher, der vor allem hinsichtlich der Drums jazzig-progressive Spuren hinterlässt. Ein toller Kontrast zum weiten Refrain und den verhallten Klängen, die so stilbildend für den Art Rock sind. Auch hier wieder ein Riffeinsatz, der sich gleichsam an einem Synthesizersolo reibt.

Übrige Merkmale blieben ebenso durchweg präsent wie der auf "A Day At The Beach" neue Akzente setzende Bass oder die rudimentären und dennoch eindringlichen Beats. Ja, die Band macht das was sie am besten kann, auf fast gleichem Niveau, aber das verleiht ihnen leider keine hohe Eigenständigkeit. Interessanterweise heben sich die Alben teilweise untereinander mehr ab als sich die Band von ihrer Inspiration. Entrückte, eskapistische Atmosphäre und Kopfkino liefern sie alle, hier muss schon ein sehr einsamer Strand besungen werden, zumal sich die Gesangsbeiträge in Grenzen halten. Ob es genau der war, den Sänger Tostrup im Kopf hatte, als er das geniale Artwork entwarf, lässt sich nicht beziffern, aber es würde passen. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 6
Spielzeit: 49:00 min
Label: Karisma Records
Veröffentlichungstermin: 19.06.2020

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden