Marillion - With Friends From The Orchestra

marillion withfriendsfromtheorchestraSie haben sich nie lange bei einem Sound aufgehalten, sonst hätten sie auch beim erfolgreichen Neo Prog der Achtziger bleiben können. Doch MARILLION suchten stets die Entwicklung, das Abenteuer und die Herausforderung. Nach einem Abstecher ins akustische Fach vor ein paar Jahren mit "Less Is More" experimentieren die Briten nun mit klassischen Klängen. Schon bei ihrer meisterhaften DVD "All One Tonight" kamen solche Klänge zum Einsatz, nun wagt man den Schritt ins Studio. Das Ergebnis dieser Aufnahmen ist nun unter dem Titel "With Friends From The Orchestra" erhältlich.

Mit den Freunden meinen sie sicherlich das belgische Kammerorchester IN PRAISE OF FOLLY, welches schon beim Konzert in der Royal Albert Hall dabei war. So ein Unterfangen wird immer kritisch beäugt, denn oft steckt Ideenlosigkeit und Ausverkauf hinter so einem Konzept. Dazu wird die Musik in einer derartigen Bearbeitung oft verwässert, gerade die ätherischen Klänge des Fünfers stellen da ein Risiko dar. Doch die Erfahrung lehrte ihn, diese Elemente geschickt einzubauen, weswegen dieser nun in der Richtung weitermacht. Dabei setzt er keinesfalls auf das Material des damaligen Konzertes, sondern hat sich komplett anderen Stücken angenommen, wobei die interessanterweise meist von den gleichen, vornehmlich frühen Alben der Hogarth-Phase stammen.

Mit neuen Stücken, die man auf die Art überarbeitet hat man auch die Herangehensweise etwas verändert. Bei den Liveinterpretationen war das Orchester sehr präsent und setzte eigene Akzente. Nun wird es eher als atmosphärische Untermalung genutzt, ohne dabei allerdings komplett nur im Hintergrund zu agieren. Natürlich sind all die Passagen der Originalversionen, in den Sreicher durch die Keyboards imitiert wurden auf das Streichquartett umgeschrieben worden, doch es bekommt noch viel mehr Raum. Am besten ist das bei "Fantastic Place" nachzuhören, welches noch an Erhabenheit gewinnt.
Eröffnet wird die Scheibe dann auch von einer kleinen Soloeinlage der Streicher, die todtraurige Melodie passt perfekt zur Thematik von "Estonia". Unterstrichen wird diese Atmosphäre vor allem in der Strophe, die noch gespenstischer wirkt, in der Folge haben die befreundeten Gäste einen kurzen Solospot. Es lässt sich nicht verleugnen, dass diese neuen Töne teilweise einschmeichelnder rüberkommen, doch niemals seicht. Vielmehr verstärken sie die Kontraste wie im sehr flächig ummodellierten "The Sky Above The Rain", wo die akustische Gitarre mehr heraus gehoben wird.

Die Beiträge von IN PRAISE OF FOLLY wissen auch Löcer zu stopfen und lassen die Songs mehr in den Fluss kommen. War der grandiose Longtrack "This Strange Engine" vielleicht manchmal zu sehr aus Einzelteilen zusamen gefügt, so verschmelzen sie hier mehr zu einer Sinfonie. Gerade wenn die Geigen gezupft werden erzeugen sie noch mehr Tiefe, und von den Flächen getragen können sich die phantastischen Soli noch viel besser entfalten. Sobald das Tempo dann angezogen wird, gehen diese Steigerungen noch reibungsloser vonstatten, als ob die Streichinstrumente alles zusammen halten würden. Das derzeit aktuelle "Seasons End" erfährt noch mehr Wärme und lässt den Hörer völlig wegschweben, das Outro findet irgendwo in anderen Sphären statt.

Ein paar andere zusätzliche Instrumente wie die Flöte tauchen im Laufe des Werkes ebenfalls auf, Mark Kelly versucht sich auf der Orgel, alles kleine Details, die den Hörer noch mehr fesseln. Mit großen Spannungsbogen gerät ein "Ocean Cloud" am Ende zum ganz großen Epos, einTitel, der von der Neuinterpretation lebt. Hier spielen Geige und Violine auch mal gegen die tieferen Streicher an, die Arrangements sind noch ausgefeilter. Wenn die Nummer nach dem reduzierten Mittelteil wieder anschwillt, könnte das Ergebnis mit etwas Abstraktionsvermögen von den Prog-Kollegen KANSAS stammen. Das ist eben was ich oben meinte, sobald das getragene Metier verlassen wird grundieren die Streichelemente nicht nur, sondern bilden den Nährboden für emotionale Höhepunte.

Doch nicht nur von den neuen Klangzutaten leben diese Versionen, auch MARILLION selbst haben sich richtig ins Zeug gelegt. Während andere Formationen bei so einem Projekt vielleicht etwas zu viel Routine walten lassen, scheinen sie geradezu beflügelt. Durch den jahrelangen Liveeinsatz hat man die Lieder völlig verinnerlicht und vermag ihnen nun hier noch das gewisse Extra zu verleihen. Die Soli wirken noch intensiver und der gute Steve singt unglaublich bewegend, legt all seine Emotionen hinein. "With Friends From The Orchestra" bietet damit so viel mehr als nur etwas Zuckerguss über die Torte, nein er verziert sie mit opulenten Figuren und Formen, die sich wunderbar ins Gesamtbild einpassen. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs:  9
Spielzeit: 79:32 min
Label: EAR Music
Veröffentlichungstermin: 29.11.2019

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