Possessed - Revelations Of Oblivion

possessed revelationsofoblivionAls POSSESSED 1986 mit „Beyond The Gates“ ihr vorerst letztes musikalisches Lebenszeichen veröffentlichten, war die Welt noch eine komplett andere. Musik wurde auf Vinyl gepresst und das Ergebnis hieß Schallplatte und wurde in Plattenläden verkauft, das Internet existierte zwar schon, wurde aber überwiegend von Universitäten genutzt, Telefone hatten noch eine Wählscheibe und eine Schnur und Smartphones existierten höchstens in der Fantasie irgendwelcher Science-Fiction Autoren.

Damals war Deutschland noch ein geteiltes Land und die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl machte uns allen deutlich bewusst, dass Atomkraft nicht so sicher ist, wie man unseren Eltern und Großeltern jahrzehntelang weisgemacht hatte. In diesem Jahr erschienen mit „Master Of Puppets“ von METALLICA, „Somewhere In Time“ von IRON MAIDEN und „Reign In Blood“ von SLAYER drei Scheiben, die heutzutage als Meilensteine des Metal gelten.

POSSESSED hatten ihren Meilenstein bereits ein Jahr zuvor mit ihrem Debüt „Seven Churches“ vorgelegt. Und damit gelang der ursprünglich 1983 in San Francisco gegründeten Band etwas, was nur wenigen Musikern vergönnt ist. Sie erschufen ein komplett neues Genre.

Bis zum heutigen Tag denken viele Chuck Schuldiner, der 2001 verstorbene Sänger und Gitarrist von DEATH, hätte den Death Metal erfunden und das 1987 veröffentlichte „Scream Bloody Gore“ wäre das allererste Death Metal Album. Doch diese Behauptung ist schlicht und ergreifend falsch. Der Erfinder des Death Metal heißt Jeff Becerra, seines Zeichens Sänger von POSSESSED, womit „Seven Churches“ das erste jemals veröffentlichte Death Metal Album ist. Damit sind die Kalifornier ganz klar die Urväter des Genres.

Eigentlich müssten POSSESSED daher den Status haben, den METALLICA und SLAYER den Thrash Metal betreffend innehaben.

Doch wie schon der selige Lemmy wusste. „Life’s A Bitch“. Und so schlug das Schicksal bei POSSESSED unbarmherzig zu. 1987 trennte sich die Band. 1990 wurde Jeff Becerra auf offener Straße überfallen und von mehreren Kugeln in die linke Brust getroffen. Eine traf sein Rückgrat und beförderte ihn für immer in den Rollstuhl. Danach zog der Sänger sich komplett aus der Musik zurück, studierte Jura und Sozialwissenschaften und gründete eine Familie.

POSSESSED gab es nicht mehr. Doch die Szene vergaß sie nicht. Jeder Death Metal Fan, der sich eingehender mit der Geschichte des Genres auseinandersetzt, landet irgendwann bei „Seven Chuches“. Wodurch es nicht verwunderlich ist, dass die Urheber der Platte einen gewaltigen Legendenstatus in der Szene haben. Erst 2007 stand Becerra beim Wacken Open Air wieder mit POSSESSED auf der Bühne.

Ganze 33 Jahre nach dem letzten Studiowerk passierte nun, was wohl niemand mehr zu hoffen gewagt hätte. Mit „Revelations Of Oblivion“ erschien am 10.05. das neue Album von POSSESSED. Dass die Erwartungen hier gigantisch waren, dürfte wohl klar sein. Ebenso, dass die Gefahr bestand, dass die Sache gewaltig in die Hose geht.

Allerdings war Jeff Becerra, der als Einziger noch von der Urbesetzung übrig ist, so clever einige sehr gute Entscheidungen zu treffen. Da wäre zuerst einmal die Wahl seiner neuen Mitstreiter, die mit Daniel Gonzalez (NAILSHITTER, GRUESOME) an der Gitarre, Claudeous Creamer (DRAGONLORD, SERPENT, GIRTH) ebenfalls an der Gitarre, Robert Cardenas als Bassist (COFFIN TEXTS, MASTERS OF METAL, AGENT STEEL, MALICE, ENGRAVE) und Emilio Marquez (BRAINSTORM, SADISTIC INTENT, ENGRAVE, BRUJERIA) als Schlagzeuger auf talentierte und erfahrene Musiker gefallen ist.

Doch die wohl beste Entscheidung war wohl ganz klar mit Peter Tägtgren (HYPOCRISY) einen erklärten POSSESSED-Fan mit dem Mischen und Mastern von „Revelations Of Oblivion“ zu betrauen.

Bereits bei den ersten Klängen des Intros „Chant Of Oblivion“ steigt die Spannung ins fast Unerträgliche. Was haben POSSESSED nach all der Zeit noch drauf? Diese Frage wird sogleich mit „No More Room In Hell“ beantwortet. Ja, die neue Besetzung klingt um einiges technischer und moderner, aber wer ernsthaft glaubte die Kalifornier würden 2019 genau wie 1986 klingen, hat meiner Meinung nicht kapiert, dass die Zeit in über 3 Jahrzehnten natürlich nicht stehen geblieben ist. Spätestens wenn der Gesang einsetzt, weiß man jedoch, dass sich so viel dann doch nicht geändert hat. Becerra klingt noch genau wie damals und obwohl er natürlich nicht über eine engelsgleiche Stimme verfügt, die Texte sind jederzeit klar verständlich.

Eine gewisse Ähnlichkeit mit Cronos (VENOM) ist hier auch heute noch auszumachen. Stücke wie „No More Room In Hell“, “Shadowcult” und “The Word” machen deutlich, dass POSSESSED zwar ihre Wurzeln nicht verleugnen, es aber trotzdem schaffen, moderne Einflüsse nicht außen vor zu lassen.

Auch die gewisse Räudigkeit, die für mich zum Death Metal einfach dazu gehört, ist hier vorhanden. An „Seven Churches“ kommen POSSESSED mit ihrem neuen Werk zwar nicht heran, aber eins zeigt „Revelations Of Oblivion“ ganz deutlich, mit den Urvätern des Death Metal ist wieder zu rechnen.

Es bleibt zu hoffen, dass Jeff und seine Mannen uns dieses Mal dauerhaft erhalten bleiben. (Matthias)

Bewertung:

Matthias8,5 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 52:12 min
Label: Nuclear Blast Records
Veröffentlichungstermin: 10.05.2019

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