The Night Flight Orchestra - Sometimes The Word Ain´t Enough

thenightflightorchestra sometimestheworldaintenoughIm letzten Jahr landete das ursprünglich als Projekt gestartete Unterfangen den Überraschungscoup, als es ihre Melange aus Siebziger Rock und AOR weiter verfeinerte. „Amber Galactic“ wurde von der Kritik mit Lob überschüttet und auch kommerziell trat das NIGHT FLIGHT ORCHESTRA aus seinem Nischendasein heraus. Um dem Erfolg, auch bei den Konzerten im Winter Rechnung zu tragen wurden die Hauptbands erst einmal hinten angestellt, um möglichst rasch einen Nachschlag liefern zu können. Dabei lag natürlich die Gefahr eines Schnellschusses in der Luft, oder aber auch etwas abzuheben, was bei dem Bandnamen gar nicht so weit hergeholt wäre. Der Titel „Sometimes The World Ain´t Enough“ jedenfalls schürt solche Ängste, doch was kann der gerade mal ein Jahr später veröffentlichte Dreher wirklich?

Erst einmal etwas schockieren, denn die arg zeitgemäß bombastischen Keyboards im flotten Opener „This Time“ wollen so gar nicht ins ursprüngliche Konzept der Band passen. Man kann schon fast befürchten, die Schweden wären im Standardsoundgewand ihres Labels aufgegangen, die durchgehende, wenn auch sehr nach Seventies klingende DoubleBass untermauert den Eindruck. Es darf aber nicht vergessen werden, das es mit „Midnight Flyer“ auf dem Vorgänger einen ähnlichen Titel gab, der ebenso deplatziert schien.
Doch zum Glück findet sich der Hörer beim folgenden „Turn To Miami“ auf JOURNEYs „Raised On Radio“ wieder, was der Truppe viel besser zu Gesicht steht. Neben den typischen Gitarre-Keyboard-Harmonien fällt wie schon beim angesprochenen 86er Werk eine deutlichere Soul – und Discoschlagseite auf. In der Tat wurden die rockigen Gitarren auf dem nunmehr vierten Album weiter zurück gefahren, die authentischen Tastenklänge der frühen Achtziger bestimmen noch mehr das Bild.

Völlig irre gerät dabei „Barcelona“, dessen eröffnende Harmonie an eine rockigere Version von DONNA SUMMERs „She Works Hard For The Money“ erinnert. Typische Achtziger-Gesangsharmonien prägen den Song, dessen Drive sinnbildlich für diese Dekade steht. In der Disziplin wird er nur noch von „Can´t Be That Bad“ übertroffen. Mit forderndem Piano anstatt Saitenpower, dafür mit viel knalligen Breaks schiebt das Ding so unwiderstehlich nach vorne, wie es höchstens noch die Landsleute von EUROPE vermochten.
Keyboardstaccato bringen den Chorus von „Paralyzed“ ähnlich in die Gänge, während sonst die Funkkarte gespielt wird. Von den Licks und dem Basslauf klingt das, als wäre Jon Bongiovi nach dem Ausstieg von Gloria Estefan bei MIAMI SOUND MACHINE eingestiegen. Wie sphärisch Funk gespielt werden kann, zeigt uns THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA später in „Pretty Thing Closing In“. Hier trifft man die weibliche Erzählstimme wieder, die durch die Alben leitet, obendrein haut man noch ein paar New Wave-Synths rein.

Die knackigen Riffs findet man am ehesten noch im Titelsong mit seinem tollen mehrstimmigen Refrain, auch wenn hier die Keys ebenso präsent sind. Gleiches gilt für „Speedwagon“, dessen Strophe mit dem Riffrock flirtet, während im Refrain die nach analogen Synthesizern klingenden Schleier vorbei huschen. Eine gewisse Parallele zu einer legendären Formation mit ähnlichem Namen ist da nicht von der Hand zu weisen. Das ist einer jener Songs, bei der die Faust im offenen Cabrio gereckt werden will, während man die kalifornische Küste entlang cruist, immer auf der Suche nach Brad Gillis´ Haus. Und den TOTO-Vergleich werden sie auch hier nicht ganz los, das swingende „Winged And Serpentine“ mit seinem perlenden Piano tönt nach deren Frühwerk.

Doch insgesamt löst man sich mit der Hinwendung zu noch mehr Discobeat deutlicher von den Vorbildern und schafft sich so mehr Identität. Das mindert zwar den Zugang zu den Songs, die nicht direkt zünden wollen, doch nach ein paar Durchgängen schälen sich auch hier die Hymnen fassweise heraus. Bestes Beispiel ist „Lovers In The Rain“, sicher der ruhigste Track, wenn auch weit von einer reinen Ballade entfernt. Der weite Refrain mit dem eher ungewöhnlichen Rhythmus lässt einen wegschweben oder wahlweise wieder im Cabrio mitfahren. Eine ähnliche Atmosphäre erzeugt auch „Moments Of Thunder“, dessen schwere Fanfaren beweisen, dass THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA Bombast auch authentisch intonieren können.

Selbiges gilt für das abschließende Epos „Last Of The Independent Romantics“, das ebenfalls den Tastenklang der Ära der ersten polyphonen Synthesizern wieder aufleben lässt. Es war die Ära, in dem sich die progressiven Klängen der Siebziger mehr und mehr dem Mainstream näherten. Interessant hierbei, dass Björn „Speed“ Strid in dem Lied seine rauesten Vocals auspackt, was die Vielschichtigkeit erhöht.
Die erkennt man im Laufe der Scheibe erst spät, zu Beginn hat man das Gefühl, dass man die Songideen des Vorgängers wie von „Josephine“ oder „Space Whisperer“ zu sehr strapaziert. Dadurch fällt „Sometimes The World Ain´t Enough“ nicht ganz so genial aus wie dieses Werk, doch bei der Vorlage hat man immer noch sehr gut nachgelegt. Wer kann heutzutage schon von sich behaupten, so eine Hitdichte auf einem Album zu haben? (Pfälzern)


Bewertung:

Pfaelzer8,5 8,5 / 10


Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 58:37 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 29.06.2018

Kategorie: CD-Reviews