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therion belovedantichristLange war es ruhig um die Schweden, die einst mit ihren Operneinflüssen dem Death Metal entflohen sind, und sich so eine eigene Nische geschaffen haben. Das letzte Studioalbum "Sitra Ahra" datiert" schon von 2010, und auch "Les Fleurs Du Mal", das Coveralbum mit französischem Liedgut hat sechs Jahre auf dem Buckel. Bis auf ein paar kurze Motto-Tourneen und Festivalauftritte haben sich THERION rar gemacht. Gut Ding will ja bekanntlich Weile haben und Bandkopf Christofer Johnsson nahm sich diese, um endlich sein Herzensprojekt zu verwirklichen, an welchem er nun schon seit 15 Jahren bastelt. Eine Rockoper sollte es werden, ein Gegenstück zu "Jesus Christ Superstar", und so wurde "Beloved Antichrist" am Ende auch ein Mammutwerk, mit dem man mehrere Alben hätte füllen können.

Im Falle der Schweden sind es denn auch drei Silberlinge geworden, welche der Mastermind prallvoll gepackt hat, womit er seinen Fans auch direkt mal einen Brocken vorgesetzt hat. Doch das ist beileibe nicht die einzige Hürde, welche die Anhänger überwinden müssen, von dem Konzept, das dahinter steht ganz zu schweigen. Die Handlung wurde von "Kurze Erzählung Vom Antichrist" des russischen Philosophen Vladimir Solovivov inspiriert, dessen Story Johnsson aber im Laufe des Entstehungsprozesses immer mehr abwandelte. Insgesamt gibt es in den drei Akten dreißig verschiedene Rollen, die von verschiedenen Sängern und Sängerinnen übernommen werden, einige Akteure bekleiden auch mehrere Rollen. Neben aus der bisherigen Bandgeschichte bekannten Vokalisten wie Thomas Vikström oder Lori Lewis kommen auch neue Operntalente zum Zug, Sandra Laureanno ist leider nicht mehr an Bord.

Das Ganze ist auf insgesamt 46 Stücke aufgeteilt, die nur zweimal die zwei Minuten unterschreiten, sich aber auch nur zweimal auf Longtrackformat strecken. Richtige Interludien gibt es keine, alle Songs sind mit Vocals versehen, wobei sich der Instrumentalanteil deutlich in Grenzen hält, die Story ist komplex und will erzählt werden. Das dürfte Metalfans natürlich erstmal abschrecken, denn die Befürchtung liegt nahe, dass die kompatiblen Elemente in den Hintergrund rücken. Doch nicht nur das, denn wenn der kreative Kopf Oper meint, dann kommt am Ende auch eine dabei heraus, selbst Rockanteile tauchen nur marginal auf. Kantige Gesangslagen sucht man auf dem Opus vergeblich, alles ist klar auf Oper getrimmt, vieles zwar in normaler Tonlage, doch oft jubilieren die Mitwirkenden auch in Ariensphären.

Eine gewisse Opernaffinität muss der Hörer also mitbringen, um sich diesem Werk zu nähern, denn auch das Orchester hat die Oberhand über das Rockinstrumentarium. Nur in wenigen Liedern können die Gitarren Akzente setzen, und dann auch nur zu Beginn der Songs, bevor die Riffs wieder dem Konzept untergeordnet werden. Das ist bei "Night Reborn", "Astral Sophia" oder dem schweren "Cursed be The Fallen" schon schade, weil da gute Ansätze im Keim erstickt werden. Noch drastischer kommt der Bruch bei "Shoot Them Down!", dessen rockiger Drive zu Beginn auch von TWISTED SISTERS gleichnamigen Song hätte stammen können. Auch der wuchtige Bombast, der einst auf dem Durchbruch "Theli" so überzeugen und überraschen konnte, findet man hier nur noch ansatzweise bei "Never Again" und "Lions Roar".
Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, denn eine gewisse Entwicklung muss man jeder Band zugestehen und über weite Strecken ist es sehr interessant, was THERION da ausgeheckt haben. Nur leider bleibt über die Spielzeit von mehr als drei Stunden die Abwechslung ein wenig auf der Strecke. Natürlich weiß Johnsson wie man mit Stimmungen spielt, so fällt das von Leads getragene "Our Destiny" sehr düster aus, während "Garden Of Peace" fast schon süßlich wirkt. "Bringing The Gospel" tönt mit seinen vielen Chören dem Titel entsprechend sehr getragen, überhaupt sind die Gesangsarrangements sehr ausgefeilt, man merkt dem Schöpfer an, dass er sich in der Materie auskennt. Doch mit fortwährender Spieldauer sind das vielleicht in paar Stimmen zu viel, da hätte der kurze jazzige Exkurs in "Behold Antichrist" einfach konsequenter ausgestaltet werden können.

Hinzu kommt, dass es das gesamte Werk produktionstechnisch nicht versteht, die einzelnen Emotionen stärker heraus zu arbeiten, ein wenig Tiefe hätte da nicht geschadet. So sind es nur die scharfen Wechsel wie etwa zwischen dem Orchester in "Anthem" und den schnellen Gitarren, die dann kurz aufhorchen lassen. In den metallischen Parts wird zudem im Rhythmusbereich zu einsilbig agiert, ein paar Breaks hätten die Stimmungen ebenfalls besser akzentuieren können. Auch vor Kitsch ist man nicht völlig gefeit, das Grundthema von "Laudate Dominum" erinnert mich an das Jingle der Ur-Soap" Dallas". Am stärksten wirkt "Beloved Antichrist" vor allem dann, wenn sich die Bläser dominant in Szene setzen wie im Opener "Turn From Heaven" oder dem schwermütigen "Day Of Wrath".
Das kann natürlich kaum einen Hörer über die komplette Spielzeit bei der Stange halten, oft schleicht sich Leerlauf ein, wo Atmosphäre hätte einnehmen müssen. Natürlich ist das Ganze handwerklich sehr gut gemacht und die vielen Sänger kommen sehr gut auf den Punkt, wobei das Zusammenspiel ohnehin gut funktioniert. Aber vielleicht ist das Unterfangen auf Konserve auch einfach zu trocken, mir fällt es schwer Bilder entstehen zu lassen. Der gute Christofer hat das Ganze ohnehin für die Bühne konzipiert, wo sich alles noch einmal ganz anders darstellen dürfte. Da kann man auch der Storyline folgen, die sich einem hier emotional nicht erschließt. Man darf also gespannt sein, was THERION mit diesem Werk noch anstellen werden, allerdings müssen sie aufpassen, durch den Flirt mit dem ernsthaften Fach nicht zu verkopft zu werden, wie es VIRGIN STEELE passiert ist (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 17 (CD1) / 15 (CD2) / 14 (CD3)
Spielzeit: 66:11 min (CD1) / 63:12 min (CD2) / 55: 03 min (CD3)
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 09.02.2018

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