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live 20170406 01 archenemyDass es tatsächlich bereits wieder über zwei Jahre her ist, seitdem ARCH ENEMY das letzte Mal in Saarbrücken aufspielten, mag man kaum glauben, denn die Band schien seit der Veröffentlichung von „War Eternal“ (2014) pausenlos auf Tour zu sein, selbst der Ausstieg von Angela Gossow (Gesang), Nick Cordle (Gitarre) und Christopher Amott (Gitarre) in den letzten paar Jahren scheint der Band nicht geschadet, sondern sie eher beflügelt zu haben. Bevor das bereits heiß erwartete neue Studioalbum das Licht der Welt erblicken wird, das zweite mit Sängerin Alissa White-Gluz und das erste mit dem ehemaligen NEVERMORE Gitarristen Jeff Loomis, spielten ARCH ENEMY im Frühjahr auf der „As The Stages Burn!“ Tour nochmals ein paar Konzerte, eines davon in Saarbrücken.

Das Timing hätte allerdings etwas besser sein können, denn gerade einmal zwei Tage vorher gab es ebenfalls eine geballte Ladung Death Metal auf die Ohren der saarländischen Metaller mit AMON AMARTH, DARK TRANQUILLITY und OMNIUM GATHERUM. Es ist naheliegend, dass die Garage ohne diese eigene Konkurrenzveranstaltung näher an „ausverkauft“ gewesen wäre, so war ordentlich was los, aber immer noch genug Platz für jede und jeden; also fast alles optimal!?

Nicht ganz, denn das Vorprogramm in Form der sehr derben Thrasher THE HAUNTED sowie der inzwischen im Alternative/Nu Metal Bereich angekommenen Band LACUNA COIL dürfte nicht jedem gemundet haben. Zudem stand der ganze Abend unter dem Motto „laut, lauter, am lautesten“, bei THE HAUNTED war’s laut, bei LACUNA COIL lauter und bei ARCH ENEMY kaum auszuhalten. Wenn sich selbst Bären von Männern aus purer Verzweiflung die Finger in die Ohren stecken und man trotz Gehörschutz als Halbtauber den Weg nach Hause antritt, dann muss man dem zuständigen „Tonmenschen“ den gut gemeinten Rat mit auf den Weg geben, sich einen anderen Job zu suchen, denn diesen hier beherrscht er nicht wirklich. Ähnlich wie bei TESTAMENT im letzten Jahr (da war es nicht ganz so extrem) gingen durch diesen Soundoverkill viele technische Feinheiten im Gesamtpaket von ARCH ENEMY unter, was echt schade ist, denn es findet sich im extremen Metalsektor kaum eine Band, die mehr drauf hat als ARCH ENEMY und noch immer gilt bei zwei Musikern wie Michael Amott und Jeff Loomis das allseits beliebte Motto: „Was für verfickt geile Gitarrensoli“ und damit mitten rein ins Vergnügen.

THE HAUNTED
Pünktlich um 7 Uhr ging’s los mit der schwedischen Melodic Death Metal Band THE HAUNTED, bei denen man nie so genau weiß, aus welchen Mitgliedern sie gerade besteht und die vor 15 Jahren als so genannte AT THE GATES Nachfolgeband noch dicker im Geschäft zu sein schienen als heutzutage. Ich habe die Band über die Jahre immer nur so nebenbei verfolgt und war durchaus überrascht, welch derbe Keule die Schweden hier auspackten. Melodiöse Parts und SLAYER Reminiszenzen kamen weniger zum Zuge als erwartet, stattdessen gab’s voll eins auf die Fresse, Sänger Marco Aro würde nicht nur optisch auch prima in eine Hardcore Band passen, vielleicht habe ich auch deshalb so ein paar Probleme mit den Songs gehabt. Manch anderen dürfte es genau so gegangen sein, andere hatten ihren Spaß und reckten fleißig die Fäuste, den geforderten Moshpit habe ich allerdings nicht gesehen, war vielleicht auch noch etwas früh am Abend. Mit etwa 45 Minuten und 11 Songs hatten THE HAUNTED wenigstens die Möglichkeit mehr als nur eine kurze Supportshow zu spielen, für eine Band, die es bereits seit 20 Jahren gibt, wäre alles andere auch unangenehm gewesen. Insgesamt eine sehr ordentliche Performance, zum Schluss ging Sänger Marco auch noch auf direkte Tuchfühlung mit den Fans, das „Slow Song“ vs. „Fast Song“ Spielchen hat er sich aber bei jemand anderem geklaut.

Setlist THE HAUNTED:
Dark Intentions
Bury Your Dead
99
Trespass
The Flood
All Against All
Hollow Ground
Time Will Not Heal
DOA
Eye Of The Storm
Hate Song

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LACUNA COIL
Rein von der Papierform her waren LACUNA COIL eigentlich die Softies im Billing. Hätte es da nicht eine gewisse Kurskorrektur im Sound der Italiener mit ihrem achten Studioalbum „Delirium“ gegeben, weg von poppigen Songstrukturen wie auf „Dark Adrenaline“ und „Broken Crown Halo“ und noch weiter weg vom Gothic Rock von „Comalies“ und „Unleashed Memories“ hin zum reinrassigen Nu Metal der Marke KORN. LACUNA COIL hatten in den letzten Jahren immer schon einen Hang hin zu modernen US-Sounds, das war soweit auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal der Band, aber mit dem neuen Album hat man sich in Richtung Sackgasse begeben. Einerseits ist „Delirium“ als Album durchaus gut hörbar, weil es in sich stilistisch geschlossen ist, andererseits wird gerade hier deutlich, dass die Bandmitglieder nun wirklich nicht zu den begnadeten Songwritern gehören. Da die Hälfte der 10 gespielten Songs vom neuen Album stammten, konnte man das gut beurteilen, „Ghost In The Mist“ und die einzige Zugabe „The House Of Shame“ kommen live noch ganz gut rüber, „Ultima Ratio“ und „Downfall“ sind live hingegen Langweiler.

Die Stimmung war jedenfalls während der Dreiviertelstunde nicht mehr als mäßig, lediglich „Heaven’s A Lie“ und „Our Truth“ wurden so etwas wie abgefeiert, waren eben auch die besten Songs der Band, die es in die Auswahl geschafft haben. Mehr Zuneigung seitens des Publikums hatten sich LACUNA COIL ehrlich gesagt auch nicht verdient, die personell durchgewechselte Band präsentiert sich nach wie vor nicht als Einheit, die Bühnenoutfits und dieses seltsame Make-up sind eine Katastrophe und genauso schlecht gemacht wie manches Tattoo der Mitglieder. Außerdem lag Sängerin Cristina Scabbia, die normalerweise sowas wie der Lichtblick der Band ist, mehrmals stimmlich kräftig daneben und wenn man dann als zusätzliches Bandmitglied noch „die Konserve“ parat haben muss, um Soundlöcher zu stopfen, dann ist das auch kein besonders gutes Zeichen, ich bin noch nicht einmal sicher, ob wirklich alle Gesangsparts live waren, will der Band hier aber nichts unterstellen.

2014 habe ich über den Auftritt der Band in Esch-sur-Alzette etwas von „ok“ geschrieben, mehr als das war es dieses Mal auch nicht. Vielleicht wäre es eine Maßnahme zum 20jährigen Bandjubiläum eine Old-School-Tour zu machen, um seine eigenen Stärken wiederzufinden.

Setlist LACUNA COIL:
Ultima Ratio
Die & Rise
Trip The Darkness
Blood, Tears, Dust
Ghost In The Mist
Downfall
Heaven’s A Lie
Our Truth
Nothing Stands In Our Way
House Of Shame

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ARCH ENEMY
Wie eingangs erwähnt konnten ARCH ENEMY mit dem „War Eternal“ Album und der neuen Sängerin Alissa White-Gluz ihren Status behaupten, eigentlich sogar ausbauen, wenn man sich die Zuschauerzahlen der Konzerte so anschaut. Durch die neue Sängerin, die viel trendiger wirkt, konnte man eben auch jüngere Fans für sich gewinnen, während „die alten“ Jahr für Jahr träger und bequemer werden, ich nehme mich da selber gar nicht aus.

Gemäß diesem Rockstar Status ließen ARCH ENEMY die Leute dann nach LACUNA COIL auch mehr als eine halbe Stunde warten, was man im Nachhinein wirklich als die Ruhe vor dem Sturm sehen kann. Denn wie bereits gesagt, es war nicht nur brutal laut, sondern es ging auf der Bühne und davor mächtig ab. Auf der „Khaos Over Europe Tour“ 2011 habe ich damals noch relativ nahe an der Bühne irgendwo im vorderen Bereich gestanden, ich glaube dieses Mal hätte ich das nicht überlebt. Ganz klar, ARCH ENEMY haben viele hymnische Refrains und diese melodischen Gitarrenparts, die Basis des Sounds ist aber purer, wilder Thrash/Death Metal und wirklich nichts für schwache Gemüter, das vergisst man gerne.

Ich habe ARCH ENEMY mehrmals mit Angela Gossow live gesehen, muss aber zugeben, dass die Alissa aus Kanada ein ganz anderes Kaliber ist, Beschreibungen wie „Derwisch“ oder „Brüllmonster“ mögen wie eine Beleidigung klingen, aber Alissa White-Gluz klingt live so dermaßen angepisst und derb, dass man sich fragt, wie diese Frau diesen infernalischen Lärm machen kann und wo die Energie herkommt 90 Minuten wie eine wild gewordene Furie über die Bühne zu toben. Da bleibt zu hoffen, dass sie das noch ein paar Jahre durchhalten kann, denn gesund kann das doch eigentlich nicht sein...

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Neben dem Stageacting und so kleinen Effekten wie einem beleuchteten Schlagzeug, war das eine löbliche Sache gewesen, ARCH ENEMY mögen nach all den Konzerten der letzten drei Jahre etwas tourmüde sein und natürlich wirkte die gesamte Show sehr routiniert und organisiert, aber die Band bot immerhin das volle Programm und gab Vollgas von der ersten bis zur letzten Minute. Für Überraschungen im Set war leider kaum Platz, ich hätte mir zum Beispiel neben den beiden Standards „Dead Eyes See No Future“ und „We Will Rise“ noch mehr vom „Anthems Of Rebellion“ Album gewünscht, auf der anderen Seite dürften sich manche Fans sehr über eine Nummer wie „Heart Of Darkness“ gefreut haben. Vielleicht war es auch ganz gut so, dass man diesbezüglich auf Nummer sicher gegangen ist, denn unbekanntere Songs hätte man aufgrund des Soundoverkills eh nur mit Mühe erkannt, das war wirklich der einzige Schönheitsfehler, denn auch auf allzu lange Soloparts oder andere lächerliche Spielchen wurde verzichtet. Kompromisslos hieß das Stichwort. „As The Stages Burn!“ war tatsächlich das passende Motto für diesen Gig und rückblickend betrachtet war „War Eternal“ auch der richtige Albumtitel. Man darf gespannt sein, was die Zukunft noch für diese Band bringen mag, denn auf der einen Seite mag es für einen Ausnahmegitarristen wie Jeff Loomis schwierig zu sein, hier nur die Nummer zwei zu sein, auf der anderen Seite kann er seine Fähigkeiten bei ARCH ENEMY voll ausspielen und wirkte wie ein vollständig integriertes Bandmitglied.

Was bleibt ist ein Abend, der perfekt zum Abbauen von Aggressionen geeignet war und wer gut gelaunt zum Konzert ging, dürfte mit einem fiesen Grinsen nach Hause gegangen sein, der nornale Kreislauf des Lebens. (Maik)

Setlist ARCH ENEMY:
Intro
Enemy Within
Revolution Begins
War Eternal
Ravenous
Stolen Life
Heart Of Darkness
You Will Know My Name
Taking Back My Soul
Under Black Flags We March
As The Pages Burn
Dead Eyes See No Future
Avalanche
No Gods No Masters
Dead Bury Their Dead
We Will Rise
Blood On Your Hand
Snowbound
Nemesis
Fields Of Desolation
Outro

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