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freedomcall tourplakatEin Jubiläum nach 666 Wochen zu feiern, auf die Idee muss man erst mal kommen. Es war allerdings keine ultraböse Extremmetalcombo, denen das einfiel, sondern ausgerechnet den fröhlichsten aller Happy Metaller. Und so veröffentlichten sie eine Re-Issue-Box ihres erfolgreichsten Albums "Eternity" unter dem Titel "666 Weeks Beyond Eternity". Da so ein Ereignis gefeiert werden muss, ging es zum Ende des Jahres mit ebenjenen Songs der Scheibe auf Tour, spielen wollen die Jungs ja ohnehin immer. Eine der Stationen führte sie ins grenznahe Colmar in Frankreich, in jenem Land indem es jüngst einen Terroranschlag auf ein Rockkonzert gegeben hatte. Weder an der Grenze noch am Eingang gab es großartige Kontrollen, Angst hatte dennoch keiner, die sollte an dem Abend weg gelacht werden. Begleitet wurden sie von den Italienern DRAGONHAMMER, an dem Abend gesellte sich mit SYR DARIA noch ein lokaler Support dazu.

SYR DARIA
Das Le Grillen erwies sich als kleiner Club in einem ehemaligen Industriegebäude, mit hoher Decke, sehr aufgeräumt und dennoch mit dem nötigen Flair. Schon bei der Ankunft war ich überrascht über die lange Schlange 20 Minuten vor Einlass. Doch das waren nicht nur Fans des Headliners, sondern auch der Lokalmatadoren. Und die scheinen ja einige Anhänger zu haben, was nicht weiter verwunderte, als Chris Bay die Truppe später als Söhne der elsässischen Stadt vorstellt, mit denen FREEDOM CALL schon öfter zusammen gespielt hatten.

So war dann auch die Stimmung bereits richtig gut, als es noch keine halbe Stunde nach Toröffnung losging. Man sah ebenso viele Shirts mit den Farben der einheimischen Helden wie denen des Hauptacts und deren Träger gaben alles, um ihre Band zu unterstützen. Warum SYR DARIA bislang nicht bekannter sind, weiß ich auch nicht so recht, sie sind schon länger am Start und mit Ausnahme ihres Frontmanns wohl schon länger in der Szene aktiv.
An dem Abend boten sie ausschließlich Songs, die auf dem kommenden Debüt vertreten sind, bisher steht nur ein Demo zu Buche. Schon der Opener „Back To The Circus" wusste mit seinen prägnanten Leads zu gefallen, am besten sind die Vier aber, wenn sie ein paar modern thrashende Staccatos einbauen. Diese geben ihrem Stil eine eigene Note, etwas, was nicht unbedingt jede traditionelle Metalband von sich behaupten kann. Diese fügen sich sehr gut ins Gesamtbild ein, so dass eine klare Handschrift beim Songwriting zu erkennen ist.

Gerade dann, wenn es schön nach vorne ging, flogen die Matten und die Fäuste bei den Anhängern. Jeder der Songs, die womöglich alle schon live ihre Feuertaufe hinter sich hatten, wurde bejubelt, das Material war also auch bekannt. Nicht nur die Fans vor der Bühne hatten ihren Spaß, sondern auch die Musiker selbst. Die Gitarrenfraktion Michel Erhart und Thomas Haessy grinst die ganze Zeit um die Wette, während sie ihre Riffs lässig rausfeuerten.
Selbst Drummer Christophe Brunner, der schon für die bekannteren LONEWOLF die Stöcke schwang hatte den Spaß in den Backen. Der etwas jüngere Bassist und Sänger Guillaume Heese verbreitete mit seinen witzigen Ansagen ebenfalls beste Laune, auch wenn der Verfasser dieser Zeilen kein Wort davon verstand. Im Überschwang geriet zwar sein Stageacting und seine Mimik etwas affektiert, doch das angesichts der Darbietung gerne mal verziehen werden.

So konnten die Local Heroes schon einmal richtig Alarm machen, Titel wie „Slaves To Osisis", „Army Of Clowns" oder das leicht punkige „Pornstar" konnten vollends überzeugen. Beim Zusammenspiel macht sich auch die Erfahrung der Akteure bemerkbar, das saß doch alles schon richtig gut für einen kleinen Act. In Sachen Soli, welche sich Erhart und Haessy brüderlich aufteilten, konnten sie glänzen. Da verging die dreiviertel Stunde wie im Flug, auch diese unüblich lange Spielzeit ist ein fairer Zug der Hauptband, der nicht unbedingt üblich ist.

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DRAGONHAMMER
Ebenso schnell war die Umbaupause vorbei, die Keyboards wurden rasch herbei geräumt, der Linecheck war aber unzureichend, weswegen im Gesamtsound so einiges unterging. Doch auch mit besserem Sound hätten es die Italiener schwer gehabt, den Stimmungslevel zu halten. Das lag allerdings nicht ausschließlich daran, dass sie fast allen Anwesenden gänzlich unbekannt waren, im direkten Vergleich zog ihr Songmaterial klar den Kürzeren.

So mussten sich DRAGONHAMMER vor deutlich leereren Reihen mühen, um den Draht zum Publikum zu bekommen. Sänger und Gitarrist Max Aguzzi ließ sich davon nicht beirren und feuerte von der Front aus die Menge unermüdlich an. Neben ihm war auch Bassist Gar Amodio, der viele Backgroundgesänge beisteuerte, ständig in Aktion, während der zweite Gitarrist eher blass blieb und sich auf seine Soli konzentrierte.
Dafür gab Drummer Andrea Gianangeli mächtig Gas und lugte immer hinter seinem Frontmann hervor, um ebenfalls Kontakt zu den Anwesenden zu halten. Allerdings entlarvte sich der neuerdings mit Iro trommelnde Schelm recht schnell als einer, der nach Groupies fischt. Da könnte er im eigenen Lager ernsthaft Konkurrenz bekommen, denn Giulio Cattivera war hinter seinen Tasten sicher ein Blickfang. Noch dazu, dass er mit in Jens Johansson-Manier nach vorne gekippten Keyboard ganz den Poser gab.

Im Gegensatz zur ersten Band sind die Fünf schon länger in der Formation unterwegs, zwischendurch gab es eine längere Albumpause. Die Songs vom jüngsten Output „The X Experiment" wie „Seek In The Ice" oder „Last Solution" besitzen eine leicht moderne Progschlagseite besitzen. Damit stehen sie im Gegensatz zu Liedern ihrer ersten beiden Scheiben, die ganz klar in der Metaltradition ihres Heimatlandes gehalten sind. Stücke wie „Fear Of A Child", „Legend" oder die Bandhymne bieten reinrassigen Melodic Speed. Auch wenn sie mit viel Applaus bedacht wurden, dürften sie sich an dem Abend nicht nachhaltig im Gedächtnis der Zuhörer festgesetzt haben.

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FREEDOM CALL
Danach waren die Reihen wieder voll, die gut 300 Besucher unterbreiteten den Headlinern einen lauten Empfang. Mit dem Opener des aktuellen Albums hatte dieser die Fans sofort im Griff, schließlich eignet sich das Stück ideal zum Mitgrölen. Dabei wunderte mich der Enthusiasmus der Franzosen schon ein wenig, in Saarbrücken fallen die Grenzgänger eher als bewegungslose Mitfilmer auf. An dem Abend war aber Hüpfalarm angesagt und alles ging voll mit, die Matten kreisten und die Hörner wurden gehoben. Ihr Metal mag ja der happieste unter der Sonne sein, aber die Betonung liegt immer noch auf dem Wort Metal.

Wie zu erwarten stand das erfolgreichste Album der Band im Vordergrund, während im letzten Jahr der Fokus auf „Beyond" lag. So kamen auch einige Songs wieder zum Zug, die schon länger nicht mehr gespielt wurden. Ebenso stark vertreten im Set war eben der aktuelle Longplayer und mit „Crystal Empire" der wohl beste. Leider mussten die Fans auf Nummern vom Debüt verzichten, auch die jüngere Vergangenheit wurde weniger berücksichtigt, da gab es aber auch ein paar schwächere Dreher. Insofern konnte sich keiner beschweren, auch wenn die Spielzeit mit 90 Minuten etwas kürzer ausfiel als zuletzt.

Neben starken Songs können FREEDOM CALL aber auch ihre launige Art in die Waagschale werfen, um die Leute auf Touren zu bringen. Frontmann Chris Bay ist schon ein guter Typ, der stets höflich ist, sich vergewisserte, ob englische Ansagen in Ordnung sind und sich auch gerne mal in die Geheimnisse der französischen Sprache einweihen ließ. Ständig wurden Späße mit den Zuschauern getrieben, diese auch gerne mal persönlich angesprochen. Irgendjemand hatte dem Sänger und Gitarristen wohl gesteckt, dass ein Geburtstagskind anwesend wäre, was ihn dazu veranlasste, beim nächsten Song zu bitten, anstatt des Wortes „Power" den Namen der Dame zu singen.

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So sehr die Band in der Szene immer mal wieder kritisiert wird, spielerisch müssen sich andere da schon strecken. Sowohl Bay als auch sein Axtpartner Lars Rettkowitz hauten reihenwiese starke Soli raus, ihre Stärke kam aber dann zum Vorschein, wenn sie sich mit Bravour an doppelten Leadgitarren versuchten. Hier zeigte sich, wie die beiden mit den Jahren zu einer wirklichen Einheit zusammen gewachsen sind, die sehr tight agierte. Hinter ihnen lieferte Rami Ali ein sehr druckvolles Fundament, welches immer wieder mit starken Breaks gespickt war. Besonders beim Titelsong des aktuellen Langeisenss konnte er mit seinen wuchtigen Schlägen Akzente setzen.

Somit kam neben dem Spaß auch das musikalische nicht zu kurz, denn die Jungs haben weit mehr zu bieten als Mitsingrefrains. Diese wurden natürlich immer wieder ausgiebig zelebriert, wobei Mastermind Chris Bay den perfekten Dirigenten gab. Der Mann weiß sich aber immer wieder mit seiner Selbstironie dafür zu sorgen, dass es kaum eine Distanz zwischen Fans und Band aufkam.
Formationen wie FREEDOM CALL müssen heutzutage um jeden Anhänger kämpfen und sind sich auch für nichts zu schade, sie legen viel Wert auf Fannähe. Wie sehr die Musiker auf ihre Fans eingehen, zeigte sich als Ali nach der Show ganz bewusst den Zuschauern seine Stöcke überreichte, welche da unten der Band am meisten Energie zurückgaben. Das zeigt, dass jedes Mitglied ständig die Leute im Fokus hatten, ohne die sie nicht da stehen würden, wo sie sind. (Pfälzer)

Setlist FREEDOM CALL:
Union Of The Strong
Eyes Of The World
Heart Of The Warrior
Farewell
Island Of Dreams
Metal Invasion
Beyond
The Quest
666 Weeks Beyond Eternity
Power And The Glory
Tears Of Babylon
Freedom Call
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Warriors
Land Of Light

Photos von Cindy

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