deeppurple tourplakatEigentlich sollte in dem Jahr noch ein neues Album erscheinen, doch trotz der frühzeitigen Ankündigung der Tour vor mehr als einem Jahr gelang es den Herren nicht, sich ins Studio zu begeben. Eile werden sie allerdings nicht haben, denn ihre Tourneen sind auch so immer gut besucht, neues Material müssen DEEP PURPLE auch nicht mehr aufwendig bewerben. Nach fast 50 Jahren geht es nur noch nach dem Lustprinzip, warum sollte man einen Schnellschuss veröffentlichen, vor dem letzten Longplayer "Now What ?!" mussten sich die Anhänger auch sieben Jahre gedulden. Ohnehin sind Konzerte heutzutage wichtiger, nicht nur als Einnahmequelle und so machte die britische Legende einen ausgedehnten Abstecher durch die Hallen des Kontinents. Auf der Bühne waren sie ohnehin schon immer zuhause, und in lange Zeit besser als im Studio, weswegen die Vorfreude bei Fans und Band gleich gewesen sein wird. Mit den Kaliforniern RIVAL SONS hatte man einen der bekanntesten Vertreter der aktuellen Retrorockwelle als Support verpflichtet, was ja musikalisch nach dem Geschmack der Zuschauer sein dürfte.

RIVAL SONS

Bislang waren mir die nur vom Namen her geläufig, ein paar Videos habe ich eher beiläufig zur Kenntnis genommen, wollte mich aber von ihrem guten Ruf überzeugen. Als das Licht ausging erschien eine kunterbunte Truppe auf der Bühne, die schon mal aufgrund ihres Outfits mein Interesse weckte. Am Keyboard nahm ein jüdischer Rabbi Platz, hinterm Schlagzeug ein Detektiv aus einer Siebziger-US-Serie, der Bassist könnte kürzlich bei KADAVER geschasst worden sein, der Mann an den sechs Saiten sah auch wie Guy Fawkes, und das ohne Maske von Anonymous, und ans Mikro klammerte sich ein etwas pausbäckiger Jim Morrison-Klon. Na das konnte was werden!
Es wurde was und wie! Schon das erste Riff von "Electric Man" blies mich sowas von weg, wie ich es nur selten erlebt haben. Tief, erdig, knackig, mit viel Groove und noch mehr Sex! Fast schien es so, als wollen die Fünf das Luftschiff wieder steigen lassen, denn eine gewisse Nähe war nicht zu verleugnen, im besten Sinne! Was die Formation im Laufe der dreiviertel Stunde auf die Bretter zauberte, war schlicht phänomenal. Solche Riffs gab es zwar schon in den ganz frühen Siebzigern, doch mit dieser Qualität auch eben nur zu der Zeit.

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Aber die RIVAL SONS beschränkten sich nicht nur auf bloße Abkupferei, eine eigene Handschrift zog sich durch das komplette dargebotene Material. Hier stand nicht nur der Swing im Vordergrund, nach dem sich sämtliche derzeitige Retrokapellen die Finger lecken würden, die ganzen Songs sind richtig groß. Stücke wie "Secret" verfügten über großartige Refrains, die sich sofort in die Gehörgänge frästen, ohne bewusst darauf aufgelegt zu sein. Immer wieder nahmen sich die Jungs Auszeiten für psychedelische Jams, in denen sie ihre kompaktes Spiel unter Beweis stellen konnten. Doch wo viele daran scheitern aus diesen Passagen ohne Knackpunkte zurück zum Song zu finden, lieferten die Fünf hier Lehrstücke in Sachen Dynamik ab, zogen das Tempo konstant an, bis zum kraftvollen Ausbruch.

So wie ihre Songs vor Power strotzten, so wild gebärdeten sich die Musiker auf der Bühne. Gitarrist Scott Holiday wirbelte mit seinem Instrument durch die Gegend, riss es immer wieder hoch und warf sich in alle möglichen Posen. Dazu offenbarte er neben seinem wuchtigen Anschlag noch eine Menge Gefühl, gerade in den Soli und Jams, selbst mit seinen Slides konnte er absolut überzeugen. Auf der anderen Bühnenseite ging es etwas gemächlicher zu, auch wenn Todd E. Ögern-Brooks die Tasten wie wild malträtierte. Neben ihm drehte Dave Beste, dessen pumpender Bass das Herz war, lässig seine Runden, grinste unablässig und steuerte ein paar punktgenau Backgroundvocals bei. Auch Schlagwerker Michael Miley war mit vollem Einsatz dabei, stand öfter hinter seinem kleinen Kit auf und feuerte das Publikum an.

Einer stahl ihnen allen die Show, mit Jay Buchanan haben RIVAL SONS einen Frontmann in ihren Reihen, der mühelos auch die großen Bühnen zu füllen weiß. Mit seinem Sechstagebart und seinen halblangen dunklen Locken kann er auch beim schwachen Geschlecht punkten, auch wenn einige Damen im Publikum sämtliche Musiker heiß fanden. Stimmlich wirklich einem ROBERT PLANT nicht unähnlich, intoniert er die Kompositionen mit einer unglaublichen Hingabe, allen voran die gefühlvolle Ballade "Where I´ve Been".
Aufreizend in den Gesten tänzelt er auf der Bühne umher, wandelt dabei zwischen bewundern lassen und intensiven Publikumskontakt. Wie ein Ektase windet er sich um seinen Mikrofonständer, wobei seine Haltung mehr als einmal an Jim Morisson erinnert. Besonders dann wenn er einen seiner nackten Füße auf den Boden auftippt und dadurch das Knie anhebt, während er den Mikroständer an sich presst. Er bringt dieses unterschwellige Betören, welches die Stücke transportieren, unglaublich authentisch rüber.

So mancher der Anwesenden muss sich da vorgekommen sein wie in seinen Jugendjahren, damals als der Rock noch wild und ungezügelt war, vor sexuellen Anspielungen nur so strotzte. Der Hauptact des Abends verströmte solch eine Aura sicherlich auch einmal, heute muss er auf andere Tugenden setzen. Es ist kein Wunder, dass die Truppe sofort mitriss, die ganze Halle war sich hinterher einig, einen der besten Vorbands überhaupt gesehen zu haben.
Die Männer aus Long Beach konnten auch vom druckvollen Sound profitieren, in dem nur die Keyboards zu leise waren. Warum sie allerdings bislang immer noch den Support oder die kleinen Clubs spielen müssen, ist mir absolut schleierhaft, ebenso wie diese Truppe an mir vorüber gehen konnte. Vielleicht haben sie mit Earache ein zu kleines Label in der Hinterhand, ein Vertrag mit Atlantic platzte leider. Mit solchen Auftritten machen sie allerdings alles nötige, um diesen Zustand zu ändern, an dem Abend dürften sie etliche neue Fans gewonnen haben.

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DEEP PURPLE

Nun habe ich ja schon selbst gesehen, wie jener Headliner von der vorher auftretenden Band an die Wand gespielt wurde. Die hörte aber auf einem Festival in Holland auf den Namen JOURNEY und absolvierte ihren ersten Europagig nach 22 Jahren, dazu erwischten die Briten keinen guten Tag. Mit derselben Leistung hätte es an dem Tag auch eng werden können, doch bereits mit Erscheinen der Musiker war klar, dass sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen.
Die Spielfreude, welche sie immer noch an den Tag legten, war enorm, da gab es kein routiniertes herunter zocken, die Altmeister knieten sich voll rein. Es wird oft über das Karriereende von Musikern geredet, doch hier wurde wieder deutlich, warum selbst mit über siebzig noch ins Studio, anstatt in Rente gegangen wird, weil die Herren so einen unglaublichen Spaß an ihrem Vortrag hatten. Roger Glover und der stets supersympathische Steve Morse kamen aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus.

Es muss schon ein Traum sein, wenn man allabendlich für das bezahlt wird, was man am liebsten macht, vor allem, wenn man in seinem Job derart gut ist, wie DEEP PURPLE. Musikalisch passte da alles, und wer es sich leisten kann, mit einem Kaliber vom Opener ihres "Machine Head"-Klassikers zu eröffnen, der ist ohnehin auf der Siegerstraße. Zu Beginn hauten sie gleich vier Nummern ihrer ersten drei Siebzigeralben, welche die Legende begründen, direkt hintereinander heraus. Mit seiner ersten Ansage bezeichnete der blendend aufgelegte Ian Gillan dieses als den Jazzpart der Show. Auch sonst strotzten seine Ansagen nur so von britischem Humor und dem Charme des alten Hasen.

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Stimmlich kommt er schon länger nicht mehr in die Regionen von "Child In Time" vor, weswegen dieser Übersong schon lange aus dem Set verschwunden ist. Umso erfreulicher, dass er in einem anderen "In Rock"-Track sich dennoch ordentlich an den hohen Schreien versuchte. Dieser stellte nicht die einzige Überraschung im Programm dar, mit so manchem Lied dürften die wenigsten gerechnet haben, alleine die Songauswahl vom "Fireball"-Werk unterschied sich stark vom letzten Mal als ich die Formation sah. Damit war das auch meine erste Möglichkeit, die Nummern vom aktuellen Longplayer, dem stärksten seit Jahrzehnten, live zu hören.

Auch wenn ich mir persönlich die Jon Lord-Hommage "Above And Beyond" gewünscht hätte, konnten alle Songs überzeugen, einer wurde sogar sehr gekonnt in einen langen Jam-Pert integriert. Und die erste Single konnte mit ihrem simplen Refrain sogar noch einmal richtig etwas aus dem sehr begeisterungsfähigen Publikum heraus holen. Auch wenn die kompositorische Handschrift deutlich zu erkennen ist, so zeigte sich vor allem live eine deutliche Phasenverschiebung hinsichtlich der Instrumentierung. Was sich bereits auf Platte andeutete, wurde an dem Abend offensichtlich, Don Airey scheint immer mehr das Zepter in die Hand zu nehmen.

Jener Mann, der schon so viele Werke ob seiner Versiertheit gekonnt einspielte, darf nun endlich selbst kreativ sein. Seine Synthesizer bestimmten die Songs, ohne ihnen die Kraft zu nehmen, eher um viele interessante Akzente zu setzen. Im Gegensatz zu den heute weit verbreiteten Nord-Synthies, von deren umfangreicher Soundbibliothek auch die Vorband Gebrauch machte, bevorzugt der Meister den Eigenklang seines Kurzweil-Equipments und natürlich der Hammond-Orgel. Fast wie besessen wirbelte er hinter seiner Burg herum, zog dabei Grimassen, wie man sie eher von Bluesgitarristen her kennt. Wie sehr er in seinem Spiel aufging konnte man sehr schön auf den Leinwänden beobachten, wenn ihm die Kamera über die Schulter filmte.

Aufsehenerregend waren auch die Duelle, welche sich die Musiker unter einander lieferten, Airey forderte immer wieder Morse heraus, dieser wiederum konterte Gillans Vocals. Einige Soli ließen auch jedem den Raum, sein Können zu demonstrieren, wurden aber nie bis zum Exzess zelebriert, so dass die Songs und der Fluss des Gigs nicht darunter litten. Natürlich wissen die alten Recken genau, wie man ein Konzert aufbaut, die Formel funktioniert schon seit vielen Jahren und augenscheinlich sind alle glücklich damit.
Hier wurde mit einer ungeheuren Lockerheit, welche viel Fankontakt erlaubte, musikalisch im absoluten Spitzenbereich agiert. Da saß jeder Ton, auch vom Anschlag und Umfang her, alles perfekt auf den Punkt getimt. Alles noch in ein druckvolles und sehr klares Soundgewand verpackt, damit sich die Details noch besser entfalten konnten. Mit tollem Licht und drei großen LED-Wänden wurde an dem Abend die große Produktion aufgefahren, der zahlende Kunde bekam einiges geboten für sein Geld.

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Und er gab auch einiges zurück, für eine Classic Rock-Veranstaltung war die Stimmung sehr gelöst, dafür die Reaktionen sehr lautstark. Die Anhängerschaft ließ sich immer wieder gerne für Singalongs in das Set einbauen und feierte ihre alten Helden gebührend ab. Die Mitbegründer des Hardrock bewiesen wieder einmal mehr ihre Ausnahmestellung, und das sie den jungen Hüpfern mit ihrer Erfahrung immer noch ein Schnippchen schlagen können. In der Form sind DEEP PURPLE noch lange nicht aus der Szene wegzudenken, freuen wir uns auf Studiowerk Nummer 20. (Pfälzer)

Setlist DEEP PURPLE:
Highway Star
Bloodsucker
Hard Lovin´Man
Strange Kind Of Woman
Vincent Price
Contact Lost
Uncommon Man
The Well-Dressed Guitar
The Mule
-Drumsolo-
The Mule
Lazy
Demons Eye
Hell To Pay
-Keyboardsolo-
Perfect Strangers
Space Truckin´
Smoke On The Water
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Hush
-Basssolo-
Black Night

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