orchid flyer webRetrorock scheint momentan das Ding der Stunde, ständig tauchen neue, talentierte Bands auf der Bildfläche auf. Nuclear Blast hat drei seiner viel versprechensten Acts auf eine gemeinsame Tour geschickt. ORCHID sind schon etwas länger dabei, ihr aktuelles Album "The Mouths Of Madness" war sehr erfolgreich. Die Kalifornier sind auch schon etwas betagter und haben die Ursprünge dieser Musik wohl noch miterlebt, konnten sich aber erst jetzt damit einen Namen machen. SCORPION CHILD dagegen sind junge Newcomer, die vor einem halben Jahr ihr selbstbetiteltes Debüt vorlegten. Noch jünger, im Schnitt gerade mal zwanzig sind die schwedischen BLUES PILLS, deren Debüt erst noch erscheint. Dieses Trio gastierte am 12. November im altehrwürdigen Trierer Ex-Haus, ein idealer Rahmen für urwüchsigen Rock.

SCORPION CHILD
Ohne viel Getöse drum herum betraten die jungen Amerikaner die Bühne stöpselten ihre Instrumente ein und legten sofort los, als gäbe es kein Morgen mehr. Das rockte so was von fett, versprühte den Vibe von frühen LED ZEPPELIN oder GRAND FUNK und ging umgehend ins Bein und die Nackenmuskeln. Auch auf der Bühne gingen die Fünf gut ab, legten sich trotz des geringen Platzes ordentlich ins Zeug. Mittelpunkt der Show war Frontmann Aryn Jonathan Black, der mit seinem hohen Organ ein wenig an Robert Plant erinnerte. Er hüpfte unablässig umher, wand sich und spielte gekonnt mit seinem Mikroständer. Immer wieder ließ er diesen nach vorne fallen, fing ihn aber mit dem Kabel wieder ein und hatte daran sichtlich seinen Spaß.

Die beiden Gitarristen Christopher Jay Coward und Tom Frank brateten mit ihren Gitarren einen Höllensound herunter, der nur eine Richtung kannte, nach vorne. Dieser kam leider nicht sehr differenziert aus den Boxen, so dass der Gesang manches Mal unterging. Doch irgendwie störte das bei den räudigen Riffs keinen so richtig, man wurde von der enormen Power gefangen genommen. Während Frank in den ruhigen Passagen ständig der Fuß über sein Effektpedal rutschte und er aus seiner Gibson SG alle möglichen schrägen Klänge rausholte, zockte Coward ein cooles, breitbeiniges Riff nach dem anderen auf seiner Les Paul.
Die beiden ergänzten sich super, auch wenn sie schon alleine rein optisch völlig verschieden sind. Frank wirkte mit seinem Afro, den dicken Koteletten und der Heiner Brand-Gedächtnissichel schon ein wenig abgefahren. Auch seine Gitarrenhaltung, die eher an Liebkosungen erinnerte, trug zu dem Bild bei. Da gab sein Partner lieber den coolen Rockstar und packte alle erdenklichen Posen aus. Hinter ihnen drosch Shawn Alvear unbarmherzig auf sein Kit ein und haute dabei das ein oder andere knallige Arrangement heraus. Im mit 35 Minuten zu kurzen Gig hatte der Mann sein Jeanshemd komplett durchgeschwitzt.

Die kurze Spielzeit reichte nicht einmal aus, um das komplette Material des Erstlings darzubieten. Doch Titel wie "Polygon Of Eyes", "Kings Highway" oder "The Secret Spot" verfehlten ihre Wirkung nicht und ließen immer wieder Jubel aufbranden. Vor allem, weil SCORPION CHILD später im Set auch mal ein wenig das Tempo heraus nahmen und ein paar spacige Ausflüge unternahmen. Dabei erinnerte man phasenweise sogar an ganz frühe SCORPIONS, bevor man dann wieder auf das Gaspedal drückte. Ein sehr druckvoller Auftakt eines tollen Abends.

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BLUES PILLS
Die große Frage, welche mich im Vorfeld beschäftigte war, ob es Elin Larsson gelingen würde diese Stimme von der "Devil Man"-EP live herüber zu bringen. Doch mit dem ersten Song, welcher auf ihrem im Frühjahr erscheinenden ersten Longplayer sein wird blies sie alle Zweifel weg. Kompositorisch noch stärker wie auf dem Großteil des Mini-Albums rockte die Nummer nach vorne, ohne an den Drive von SCORPION CHILD heran zu kommen. Auch die knalligen Elemente wurden hier zugunsten von gefühlvolleren und trockenen Grooves geopfert. Das passte wunderbar zur unprätentiösen Herangehensweise der BLUES PILLS.

In Frontgrazie Larsson haben die Vier einen ganz großen Trumpf, der auf der Bühne erst ihre volle Persönlichkeit entfalten kann. Auch wenn sie sehr schüchtern und zurückhaltend wirkt, so besitzt sie doch eine gewisse Aura, die gerade durch eine latente Unsicherheit angefeuert wird. Diese ließ die sehr schlanke Sängerin zart und verletzlich wirken, wenn sie sich ganz in ihre Songs hinein begab. In ruhigen Passagen klammerte sie sich an ihr Mikro, hauchte und flehte, doch wehe wenn die Dynamik anzog. Dann lehnte sie sich zum Publikum hin, riss ihre kajalumrandeten Augen auf und fauchte diesem ihre Lyrics entgegen.
Und wenn sie in den rockigen Passagen ihre Stimme erhob, nahm sie den ganzen Raum ein, so kraftvoll und klar, dazu so leidenschaftlich. Wem sich beim Titelsong der EP nicht die sämtliche Körperhaare stellten, der sollte sich mal vom Arzt untersuchen lassen, ob er nicht eventuell tot ist. Immer wieder tänzelte dieses blonde, feengleiche Geschöpf ein wenig verloren in ihrem Hippiekleidchen auf der Bühne herum. Und wenn sie dann den Kontakt zu ihren Mitmusikern suchte, entsprang ihrem Gesicht ein bezauberndes Lächeln, das zeigte, wie viel Spaß Elin Larsson ihre Darbietung machte.

Die BLUES PILLS haben das Glück, dass sich die Aufmerksamkeit trotz ihrer Qualitäten nicht auf das Frontfräulein beschränkt, dazu ist Dorrian Soriaux zu gut. Ist die einzige gebürtige Schwedin schon eine Ausnahmeerscheinung, ist der Begriff Wunderkind bei dem achtzehnjährigen nicht unangebracht. Was dieser knabenhafte Bursche, der im Samtjäckchen an der Bühneseite verharrte aus seiner Flying V heraus kitzelte, war das Bluesfeeling eines Großen. Mit welcher Hingabe er die Töne formte, er wunderschöne Slow Blues-Leads ins Gewölbe zauberte ließ mehrmals die Kinnlade runterklappen. Von seiner eher unspektakulären, aber schon ungemein abgeklärten Spielweise erinnerte er an einen jungen Joe Bonamassa. Unglaublich wie lässig seine Finger bei den treiben Parts über sein Instrument glitten.

Auf der anderen Seite zieht Bassist Zack Anderson stoisch sein Blues-Schema durch, einzig das Nicken mit Kopf und das dadurch leichte Schütteln seiner Locken sind als Bewegung zu vernehmen. Beim Bestücken seines schweren Rickenbacker hat er aber wohl die Oberleitung am letzten Bahnhof mit seinen Saiten verwechselt, und die dicken Dinger aufgezogen. Mit seinem Parter Cory Berry liefert er den perfekten Rhythmusteppich, auf dem sich die beiden Frontfiguren ausbreiten können. Der Drummer haut, wie jede Band an dem Abend viele Fills und Breaks auf seiner Snare und den Becken hinaus, übertreibt es zum Glück aber nicht.
Das Quartett lebt nur von ihrer Musik, doch die Hingabe, mit der sie diese zelebrieren, lässt die Musiker weitaus größer strahlen als sie es mit ihrer bloßen Bühnepräsenz erreichen könnten. Wenn die Vier so zusammen bleiben, sich nicht verheizen lassen und auch weiterhin so großartige Lieder schreiben, kann es für sie ganz weit nach oben gehen, das Potential ist definitiv vorhanden. Das spürte auch das Publikum, das begeistert war und lautstark eine Zugabe verlangte. Von den ganzen Retrobands werde ich diese am stärksten im Auge behalten.

Setlist BLUES PILLS:
Bliss
Dig In
Devil Man
Little Sun
Mind Exit
Astra Planes
Black Smoke

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ORCHID
Nach einer längern Umbaupause, in der das Drumkit komplett auf - und wieder abgebaut wurde, enterten die Retrodoomster die Bühne im Keller des Exil. Die lange Wartezeit ließ die Stimmung ein wenig abflauen, so dass der Empfang nicht so warm wie erwartet ausfiel. Der Titelsong der "Heretic"-EP walzte zwar schwer herein, doch die etwa 250 Zuschauer brauchten eine Weile bis sie sich eingegroovt hatten. Das gilt auch für das neue Album, dessen Lieder noch nicht ganz die Begeisterung hervor rufen, denn auch "Mouths Of Madness" konnte den Bann nicht brechen.
Erst mit "Capicorn" gingen die Leute wieder voll mit und sangen lauthals mit. Zu dem Zeitpunkt hatte sich der kräftige Sänger Theo Mindell nicht nur seiner Jacke, sondern auch seines Shirts entledigt und stellte so seine Tattoos zur Schau. Ein wenig mehr Publikumsinteraktion hätte es sein können, doch wie alle Bands an dem Abend lbten auch ORCHID sehr in ihrer eignen Welt.

Und die besteht aus mächtigen Riffbergen, welche Mark Thomas Baker aus seiner Gibson SG heraus holt. Da färbt natürlich unweigerlich der Sound des großen Vorbildes Tony Iommi ab, doch die Kalifornier schicken sich an, die schon jetzt die Lücke zu füllen, welche die Urväter irgendwann hinterlassen werden. Immer wieder bretterte der Mann mit dem angegrauten Rauschebart über die Saiten und erzeugte so diese tiefe, unheilschwangere Atmosphäre. Noch mehr, wenn sie das Tempo heraus nahmen und die schweren Songs, leicht psychedelische Titel zockten wie etwa "Masters Of It All" mit seinen mantraartigen Drums.
Als Blickfang auf der Bühne tat sich speziell Bassist Keith Nickel hervor, der immer ein Grinsen im Gesicht hatte. Vom Äußeren könnte man fast annehmen, dass der Mann schon mit Robby Naish ein paar Wellen abgesurft hat. Sein Spiel war ebenfalls sehr interessant, weil er fast nur die unteren Bünde benutze und mit den Fingern der rechten Hand sehr kräftig anschlug. Dazu stammten auch die meisten Ansagen von ihm, auch wenn sie meistens etwas mit einem aus Gerste gewonnen Getränk zu tun hatten.

Die Vier kommen so authentisch rüber, weil sie nicht als junge Männer den Sound für sich entdeckt haben, sondern ihn schon immer lebten. Für sie ist der Boom sicher ein Segen, denn plötzlich ist im Stoner - und Doomsegment eine Nische für sie im Kommen. Sie schaffen es, den Zuhörer tatsächlich in die damalige Zeit zurück zu versetzten, wobei ihnen das heutige Ambiente sicherlich in die Karten spielte. Auch bei ihnen herrschte wie bei den BLUES PILLS ein weitaus differenzierterer Sound als bei den Openern des Abends. In den siebzig zu kurzen Minuten zelebrierten sie die hohe Riffkunst mit einem bunt gemischten Programm aus ihrer vornehmlich aus EPs bestehenden Discographie und wurden am Ende zu recht abgefeiert. (Pfälzer)

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