RPWL + Subsignal (14.12.2012, Homburg/Saar)

rpwl_subsignal_plakatDie deutsche Progszene lebt, immer wieder tauchen neue, vielversprechende Bands auf und auch die Arrivierten sorgen weiter für hohe Qualität. RPWL und SUBSIGNAL gehören sicherlich zu den Speerspitzen und sind auch schon länger dabei, wenn man die Vorgeschichte Letzterer als DREAMSCAPE und SIEGES EVEN hinzu zieht. Beide sind zwar schon öfter miteinander aufgetreten, aber der Abend im saarländischen Homburg versprach einzigartig zu werden, denn das Konzert war als Doubleheadlinershow angekündigt. Dabei ist das Saar-Pfalz-Städtchen nicht unbedingt der Nabel der Progwelt, aber ein paar Musikliebhaber holen regelmäßig interessante Acts wie EPITAPH in ihre Heimat. Umso gespannter war ich, als ich erstmals dort zu einem Konzert ging, zumal ich beide Bands noch nie live erleben konnte. SUBSIGNAL kannte ich bislang nur vom Namen, doch das sollte sich schnell ändern.

Im Saalbau, der direkt am Rande der Altstadt steht angekommen, empfing uns ein modern ausgestaltetes Mehrzweckgebäude mit nüchternem, aber zweckmäßigem Charme. Die große Halle erweist sich als ideal für Veranstaltungen dieser Art, die technischen Einrichtungen sind optimal den Bedingungen angepasst. Hinten gibt es eine Empore, die auch mit dem Aufzug zu erreichen ist und von der man optimale Sicht hat, was aber auch unten aufgrund der Bühnenhöhe gegeben ist. Und bei der Deckenkonstruktion scheint sich jemand, der von Raumklang etwas versteht, einiges gedacht zu haben.

SUBSIGNAL
Und in der Tat, schon beim ersten Ton, den SUBSIGNAL auf die Zuschauer losließen, war der Sound sowas von kristallklar, dass einem mal bewusst wurde, was bei vielen anderen Events fehlt. Und das kam gerade ihrer Musik zugute, die vor Detailreichtum nur so strotzte. Man wurde förmlich erschlagen von den vielfältigen Motiven, die ihre Songs aufwiesen. Getragen wurde das Gerüst von den vielen Harmonien, die Gitarrist Markus Steffen und Keyboarder David Bertok traumhaft zelebrierten.
Doch auch alleine brachten die beiden eine Fülle schönster Passagen, immer wieder tauchten Pianokaskaden oder schöne Soli von Bertok auf. Steffen hielt mit seinem Metalbackground meist zurück, und setzte eher auf sphärische Klangtupfer sowie gefühlvolle Leads. Ab und an durchbrach ein kurzes, heftigeres Lick den hochmelodischen Klangteppich, das ist aber so präzise gesetzt, dass es eine unglaubliche Wirkung erzielte.
Ähnlich melodisch war auch das Spiel von dem schön kantig rüber kommenden Bassisten Ralf Schwager.  Mit warmen, weichen Tönen schaltete er sich auch öfter vom Rhythmus- in den Leadbereich hinein. Sein Partner an den Drums, Danilo Batdorf, hatte viele zurückhaltende Breaks am Start, bei denen er über seine Toms streichelte und damit ein dezent hypnotisches Feeling erzeugte. Das ergab im Gesamtbild ein wunderschönes Fundament, das nie zu überladen wirkte, sondern den Raum für die Melodien von Arno Menses öffnete.

Und diese brachte der Hüne so perfekt rüber, dass es einem eine Erpelpelle nach der anderen bescherte. Technisch perfekt, aber nie auf die Technik bedacht, sondern mit jeder Faser seines muskulösen Körpers mitgelebt. Ein hochemotionales Feuerwerk mit einer unglaublichen Inbrunst dargeboten. Eigentlich braucht so ein Ausnahmekönner wie er keine Unterstützung, doch man hat mit der bezaubernden Bianca Stindler eine weibliche Verstärkung auf der Bühne, mit der sich der Frontmann einige Duette lieferte.
Aber der absolute Höhepunkt war der Satzgesang, seit jeher eine der Königsdisziplinen des Prog. Was Stindler, Bertok und Schwager unter die großartigen Melodiebögen ihres Frontmannes legten, war schlicht atemberaubend. So sicher, so punktgenau, so durchdacht, so wunderschön; Wahnsinn, das trieb auch einem, der mit dem Material nicht vertraut ist, das Wasser in die Augen. Kein Wunder, dass es nach jedem Song einen Jubelsturm gab, das Publikum wusste diese Leistung zu schätzen.

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Doch nicht nur im Gesangsbereich waren die Sechs absolut Top, sondern auch instrumental stimmte jeder Ton, der spürbar von den Musikern mitgefühlt wurde. Bei einigen Liedern gaben sie auch mal Gas und frickelten nach Herzenslust, aber übertrieben es nie, sondern stellten ihr beeindruckendes Können in den Dienst des Songs. So eine unglaublich musikalische, konzentrierte Darbietung habe ich nur selten erlebt. Dabei gaben sich die Herren und die Dame zwar sehr versunken in ihr Spiel, aber nicht zu introvertiert, sondern strahlten eine sympathische Spielfreude aus. Das ganze Auftreten war überzeugend, selbst das lässige bis coole Outfit passte zu den Protagonisten.
Das achtzigminütige Programm bestand fast ausschließlich aus Titeln ihrer beiden bisherigen Scheiben. Da sind zwar Stilelemente vorhanden, die man von MARILLION, FATES WARNING, SAGA oder THRESHOLD her kennt, doch die Band hat daraus etwas völlig eigenständiges, dichtes Gebilde geschaffen. Im Akustikset bewiesen sie sogar, dass ihre Kompositionen in reduzierter Form ebenso funktionieren. Mit "Eyes Wide Open" gab es einen Beitrag aus dem Fundus von SIEGES EVEN, und was für einen. Man hatte nicht das Gefühl, dass ungefähr 200-250 Zuschauer hinter einem standen, sondern ein volles Haus, welches den Refrain mitsang. Gigantisch, Stadion können sie also auch, was können SUBSIGNAL nicht? Vielleicht deutsche Ansagen, was schon ein wenig seltsam war.

Doch das ist in den Krümeln gesucht, weil der Rezensent sonst nichts zu kritisieren hat. Denn das hier war eine absolute Demonstration, die am Ende für Ovationen sorgte, welche die Musiker dankend entgegen nahmen. Keine Ahnung wieso ich diese Truppe bislang nicht auf dem Radar hatte, dafür gehöre ich eigentlich mit lebenslangem Erste-Reihe-Verbot bei RUSH bestraft. Seit ich WISHBONE ASH 1993 auf einem Festival zum ersten Mal gesehen habe, hat mich keine mir bislang unbekannte Band live so überzeugen können. Schade, dass sie sich nach dem Ende des Konzertes schon auf dem Weg nach Heidelberg befanden, vom Merchtisch hätten mich knapp eineinhalb Pfund Vinyl angelacht.

Setlist SUBSIGNAL:
Intro
Where Angels Fear To Tread
My Sanctuary
Echoes In Eternity
The Sea
Feeding Utopia
Walking With Ghosts
  -Akustikset:-
  Last Light Of Summer
  The Size Of Light On Earth
The Lifespan Of  A Glimpse
Beautiful & Monstorous
Eyes Wide Open
The Trick Is To Keep Breathing
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Paradigm

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RPWL

Schon im Vorfeld war klar, dass das neue Album "Beyond Man And Time" mit seinem Konzept das Set bestimmen würde. Dabei orientiert man sich grob an "Also sprach Zarathustra" von Friedrich Nitzsche. Die Figur der Geschichte befindet sich auf der Suche nach ihrem wahren Ich und trifft unterwegs verschiedene Charaktere, die ihr neue Einblicke in ihr Leben gewähren. Mit drei Leinwänden und Projektoren wurde das Gesamtkonzept wirkungsvoll unterstützt, schon beim Intro gab es ein längere Ansprache, bevor man direkt in die Scheibe einstieg.
Dieser fiel eher gemächlich aus, die ruhige Strophe wurde nur von dezenten elektronischen Rhythmen begleitet. Sänger Yogi Lang stand weiter hinten auf der Bühne vor einer Leinwand, und warf in seinem Kostüm eine Silhouette auf diese. Erst zum Chorus tauchten Gitarrist Kalle Wallner und Bassist Werner Taus auf, stellten sich aber nicht direkt dem Publikum, sondern sorgten hinter den seitlichen Leinwänden ebenfalls für Schattenspiele.
Erst beim ersten längeren Instrumentalteil befand sich die gesamte Formation auf der Bühne und Lang ließ es sich nicht nehmen, für die Moog-Soli an seinen früheren Platz hinter die Keyboards zurückzukehren. Da befindet sich mittlerweile Markus Jehle, der im Verlauf des Konzertes die Tasten bediente. Man muss Robert Moog immer noch für seine Erfindungen loben, ich liebe einfach den Klang der Dinger, diese Parts können gar nicht lang genug sein, so hatte der Gig seinen ersten Höhepunkt.

Im Gegensatz zu den sehr akzentuierten SUBSIGNAL befanden sich RPWL weit mehr im Fluss, ließen ihre Melodien mehr schweben. Überhaupt scheint man dem traditionellen Artrock ein wenig entwachsen und tendiert mehr in Richtung New Artrock oder auch progressiven Elementen. Gerade das Arbeiten mit Gitarrenwänden, die immer wieder anschwellen, erinnert an die moderne Variante ihres Ursprungsstils. Dazu rocken die Herren heutzutage deutlich mehr als zu Beginn ihrer Karriere, was den Melodien keinen Abbruch tut.
Immer wieder herrlich, wenn sich die warmen Synthesizer-Flächen zu den breiten Refrains hin erheben und so die Melodiebogen tragen. Auch hier passte der Gruppengesang gut, wenn auch nicht so mehrdimensional wie bei den Vorgängern agiert wurde. Wenn man aber genau auf die Stimmen achtete, stellte man fest, dass Yogi Lang kratziger wirkt als auf Konserve. Sein weiches Timbre stellt sich nicht so ein wie gewohnt und auch sonst wirkte der Mann ein wenig angeschlagen.

Doch die neu gewonnen Freiheiten als Frontmann konnte er auf der Bühne voll ausleben und schlüpfte immer in verschiedene Rollen, welche die einzelnen Figuren der Handlung darstellten. So war er mal als Blinder, als abscheulicher Buckeliger, verrückter Professor oder Hohepriester unterwegs. Dabei unterstrich er auch mit Mimik und Gestik den jeweiligen Charakter, ließ gegen Ende ein überdimensionales Herz an einer Stange wie eine Laterne über den Köpfen der Zuschauer kreisen. Gerade das visuelle Element verstärkte die Band auf der Tour zur Umsetzung des Albums noch zusätzlich. Bei einem Song sang Lang hinter der Bühne weiter, während er vorbereitet wurde und wurde via Kamera auf die Bühne projiziert. Auch die Merchdame erschien öfter auf der Bühne und reichte ihm in andächtiger Form diverse Utensilien.

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Seine Nebenleute sorgten für die perfekte musikalische Untermalung, bei der vor allem die Saitenfraktion recht agil wirkte. Werner Taus stolzierte meist breitbeinig auf seiner Seite herum und hatte ständig ein Grinsen im Gesicht. Sein dynamisches und forderndes Spiel wurde von seinem Partner des neuen Rhythmusgespanns gut unterstützt. Dabei agierte Marc Turiaux für die Verhältnisse der Gruppe ziemlich groovig, was vor allem in den rockigen Passagen für Impulse sorgte. Kalle Wallner zeigte, dass ihm einige Rockstarposen nicht fremd sind und war neben dem Sänger der Blickfang auf der Bühne. Dabei spielte er sehr variabel, mit seinem eigenwilligen Stil gelangen Gitarrenwände ebenso locker wie Progriffs oder sphärische Momente.

Nachdem die Zuschauer in den vollen Genuss der aktuellen Scheibe kamen, gab es erstmals eine Ansage. Zuvor war man komplett in der Musik verschwunden und ließ diese dadurch noch intensiver wirken. Dabei überschritt man sogar die Spielzeit der CD, da "Somewhere In Between" in der vollständigen Fassung gezockt wurde. Bevor noch der bekannteste Song zum Besten gegeben wurde, entschuldigte sich Yogi Lang noch dafür, dass seine Stimme fast weg ist und forderte die Fans auf ihn zu unterstützen, was sie gerne taten.
Bei der Zugabe ging nur noch sehr wenig bei dem Mann, so dass klar war, dass man heute auf einige Standards wie "Breathe In, Breathe Out", "Hole In The Sky" oder "Sleep" verzichten musste. Doch die Band war gewillt ihren Anhängern ein vollständiges Programm zu bieten, auch wenn man zur Not viel instrumental spielen musste. Und aus der Not machten sie eine Tugend, griffen tief in die Trickkiste und holten dort die Coverversion eines PINK FLOYD-Stücks, welches diese nie aufgenommen hatten hervor.
Zwar war die Nummer fester Bestandteil der Touren 1969 und 70, doch eine Studioversion davon gab es nie. Die Fünf tauchten in ein Meer von Klängen und tobten sich in einer mehr als zwanzigminütigen Soundorgie aus. Manchmal geisterten nur noch ein paar Töne durch den Saal, dann schwoll die Dynamik raumgreifend an, bevor sie sich in den schönsten Leadmotiven auflöste. Ein grandioses und würdiges Finale für einen traumhaften Abend.

Einen Abend, den leider viel zu wenig miterlebt haben, denn noch nicht mal 250 Zahlende ist schon eine Enttäuschung. Dabei gibt es Clubs hierzulande, da zieht jede Band einzeln das Doppelte an Zuschauern. Und jene bieten weit mehr Programm, haben fast ein Überangebot, während man hier nun wahrlich nicht verwöhnt wird und daher erst recht hungrig auf solche Events sein müsste. Das sieht man auch daran, dass alle, die da waren gut mitgegangen sind, was wenigstens die Bands entschädigte.
Woran das gelegen hat, kann ich nicht sagen, sind der Saarländer und der benachbarte Pfälzer zu träge oder fehlt es ihnen an Anspruch, so dass sie lieber bei SILBERMOND die Saarlandhalle voll machen. Der deutsche Progressiverock lebt auf alle Fälle und zeigte an dem Abend, dass man die internationale Konkurrenz nicht zu scheuen braucht, sondern selbst großartige Acts hervor bringt. (Pfälzer)

Setlist RPWL:
Transformation
We Are What We Are (The Keeper)
Beyond Man And Time (The Blind)
Unchain The Earth (The Scientist)
The Ugliest Man In The World (The Ugly)
The Road To Creation (The Creator)
Somewhere in Between (The Dream Of Saying Yes)
The Shadow
The Wise In The Desert
The Fisherman
The Noon (The Eternal Moment Of Return)
Roses
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Embryo

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Alle Photos von Manuela

Ein großes Dankeschön noch an Achim Müller und den CDU-Ortsverband Homburg-Beeden

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