summersendIm letzten Jahr stand das Summersend Festival unter keinem guten Stern. Einen Tag vor dem Festival jagte ein Gewittersturm über Andernach, der die Bühne in ein mit Stoffetzen behangenes Gestell verwandelte. Kurzfristig mußte die Konzerte in den direkt am Festivalgelände liegenden Club der Veranstalter verlegt werden – leider mit dem Effekt, daß der Laden hoffnungslos überfüllt war, da natürlich im Vorfeld Kartenmengen für eine Open Air-Veranstaltung verkauft wurden. In diesem Jahr war dann von Vorneherein die Durchführung im Club geplant. So war auch mit weniger Zuschauern zu rechnen.

Daß es jedoch so wenige werden, das hat mich dann doch ein wenig schockiert. Daß die beiden Headliner STRATOVARIUS und EVERGREY nicht mehr ziehen als etwas mehr als das halbe JUZ – das hätte ich jetzt wirklich nicht erwartet. Sehr undankbar für die Bands, vor allem für die ersten, die vor einer fast leeren Halle spielen müssen. Trotzdem hat es aber jede Band geschafft, die Leute mehr oder weniger zu mobilisieren.


DESTINATION'S CALLING
Den Auftakt machen DESTINATION’S CALLING aus Bamberg. Und die machen offensichtlich alles richtig, denn die Leute gehen schon ab den ersten Songs richtig gut mit. Und das, obwohl sicher nicht allzu viele Leute die Band kennen. Ein paar Fans sind aber doch anwesend, die die Band dann gesanglich kräftig unterstützen. Der Vierer kann die Dreiviertelstunde Spielzeit, die ihm zur Verfügung steht, jedenfalls richtig gut ausnutzen, und beim letzten Song „Destination’s Calling“ singen dann fast alle Anwesenden mit. So muß das sein. Zum Warmwerden war die Band mehr als nur genehm, so kann es jetzt weitergehen. Bei Facebook würde ich „Gefällt mir“ klicken.

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DRAGONSFIRE
DRAGONSFIRE muß man erlebt haben. Die Band aus Riedstadt begeistert nicht nur durch ihre Musik, sondern vor allem auch durch ihre überaus unterhaltsame Bühnenshow. Sänger Thassilo Herbert kommt jedoch kaum dazu, eine Ansage zu machen, denn Drummer Jan Müller fällt ihm permanent ins Wort - sofern er nicht gerade die Bühnendeko durch die Gegend wirft. Und da die Ansagen beim Drummer ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen, erfahren wir auch, daß die Band heute mit ihrem alten Gitarristen unterwegs ist, da der neue sich noch von seiner Hochzeitnacht erholen muß (aaaahhhhh – zuviel Information!). Deshalb gibt es heute auch fast nur alte Songs und gerade mal drei vom aktuellen Album „Metal Service“. Die Band schafft es, die Leute richtig mitzureißen und gut Stimmung zu machen, woran Drummer Jan Müller einen großen Anteil hat. Und das, obwohl er sich übers schwache Material beschwert (Deko fällt ständig um) und auch noch homophob zu sein scheint („Jetzt heb‘ mir das doch mal einer auf, ich will mich nicht ständig bücken müssen, das macht mir Angst!“) Ab und zu ist er aber auch mal einfach abgetaucht („Unser Drummer ist weg, wir können nicht weiterspielen!“). Aber auch vom Publikum wird alles abverlangt. So sollen wir bei „Devil’s Road“ alle möglichst schwul „Ahaaa!“ rufen, was tatsächlich noch viele mitmachen. Deutlich weniger Mitmacher findet aber das Flügelschlagen zu „Wings Of Death“. Zum Abschluß werden wir dann noch aufgefordert, uns am Merchstand mit CDs, T-Shirts und Trallala einzudecken, wobei besonderer Wert auf Trallala gelegt wird. Damit haben es DRAGONSFIRE geschafft, in der noch recht leeren Halle ordentlich Stimmung zu machen und haben die Meßlatte für die nachfolgenden Bands ziemlich hoch gelegt. Ja, die Band mit dem vorlauten Drummer hat richtig Spaß gemacht.

Setlist DRAGONSFIRE:
My Mashed Insane Brain
Kings
Blood For Blood
Dragonsfire Rockxxx
Devil’s Road
Raging Fire
Wings Of Death
Shine On
Burning For Metal
Oath Of Allegiance

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CUSTARD
CUSTARD danach sind irgendwie seltsam. Von einem Bär von Mann, wie Sänger Oliver Strasser einer ist, erwartet man nicht unbedingt ein hohes Power Metal-Stimmchen. Irgendwie irritiert das ganz gewaltig. Dazu kommt, daß man den Bonus, eine Frau an der Gitarre stehen zu haben, nicht ausnutzen kann, denn sie steht eben nur da, drückt sich schüchtern in irgendwelche Ecken und guckt abwechselnd gelangweilt oder traurig in der Gegend rum. Einziges Posing: Schmusen und verliebte Blicke austauschen mit Gitarrist Nr. 2 - nun ja…das ist dann wohl das etwas andere Posing… Und so hat man das Gefühl, daß die Gute nur deshalb in der Band ist, weil sie eben mit dem anderen Gitarristen zusammen ist. Als erste Band haben CUSTARD auch Probleme mit dem Sound. Zudem spielt man einige Songs vom neuen Album, das erst im Oktober erscheinen wird. Und diese Songs sind dem Publikum natürlich unbekannt. Dann wirft Sänger Oliver Strasser auch schon mal die Setlist durcheinander und läßt sich auch von seiner verwunderten Band nicht in seiner Songauswahl beirren. Insgesamt sind CUSTARD zwar nicht schlecht, können aber nicht wirklich überzeugen. Und man fragt sich schon, warum diese Truppe eigentlich so hoch im Billing steht. Vor allem aber könnte die Band auch etwas mehr Elan vertragen.

Setlist CUSTARD:
Death From Above
Creature
300
Freedom
Charons Call
Chance
Time To Bleed
The Dragonslayer
Poke The Flames
Up To The Sky

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RED CIRCUIT
RED CIRCUIT beginnen relativ ungünstig gleich mit einem neuen Song vom kommenden Album (später gibt es mit „Haze Of Nemesis“ noch einen weiteren). Auch hier sind die Publikumsreaktionen eher verhalten, die Band kommt nicht so gut an. Dazu kommen auch noch Probleme mit der Gitarre. Dabei wirken RED CIRCUIT heute deutlich rockiger und härter als sonst. Die romantische Ballade „You Can Sleep While You’re Dead“ wird durch knallende und knarzende Boxen gestört, was Sänger Chitral Somapala zu einem erstaunten „WTF!??“ mitten im Song verleitet. Mittlerweile ist das Publikum jedoch aufgetaut und geht deutlich besser mit. Offensichtlich mußten die Leute erst wieder warm werden. Fast schon niedlich ist es, wie sich Chitral Somapala beim Publikum dafür entschuldigt, daß er die meisten Ansagen auf englisch und nicht auf deutsch macht, weil er sich beim englisch sicherer fühlt und als er darum bittet, daß man ihn deswegen doch bitte nicht für arrogant halten möge. Aber da braucht der Sympath aus Sri Lanka mit der Vorliebe für gruselige bunte Glitzershirts keine Angst zu haben – ich glaube, es gibt niemanden, der ihn nicht mag. RED CIRCUIT kamen beim Publikum zwar nur bedingt an, ich fand sie aber besser als bei den Auftritten, die ich bisher von der Band gesehen habe.

Setlist RED CIRCUIT:
Spear Of Fate
Under The Sun
Through Eyes Of A Child
Haze Of Nemesis
Homeland
World Forgotten Sons
You Can Sleep While You’re Dead
The Veil
See The Light
Absinth
Sun Of Utopia

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EVERGREY
Bei EVERGREY wird es zum ersten Mal für heute richtig eng vor der Bühne und zum ersten Mal hat man Probleme in die erste Reihe zu kommen um Fotos zu schießen. Wirklich voll ist die Halle zwar immer noch nicht, aber immerhin ist sie jetzt mal gut gefüllt und es kommt erstmals richtiges Konzertfeeling auf. Mit „Leave It Behind Us“ und „As I Lie Here Bleeding“ steigt man etwas schleppend ein, aber spätestens mit „Monday Morning Apocalypse“ kann man das Publikum endgültig auf seine Seite ziehen. Tom Englund ist heute sehr sparsam was die Ansagen angeht, und wenn er welche macht, sind diese meistens irgendwie seltsam. Das macht aber nichts, denn musikalisch sind EVERGREY heute über jeden Zweifel erhaben. Die Band ist wesentlich besser als vor 1,5 Jahren im Vorprogramm von KAMELOT. Man hat auch den Eindruck, daß die meisten Anwesenden wegen EVERGREY vor Ort sind, obwohl man eigentlich nur wenige Zuschauer in einem Shirt der Band sieht. Für die Schweden wird der Auftritt auf dem Summersend zum Triumphzug. Spätestens bei „When The Walls Go Down“ geht die ganze Halle mit und als die letzten Töne von „A Touch Of Blessing“ verklungen sind, mag man es kaum glauben, daß der Auftritt schon wieder vorbei ist. EVERGREY haben gerockt wie schon lange nicht mehr und da freut man sich wirklich, daß man sie im Dezember im Vorprogramm von ICED EARTH noch einmal sehen kann. Und Tom Englund, der normalerweise schon nach drei Songs so aussieht, wie andere nach einem kompletten Auftritt, hat heute alles Recht der Welt, so zu schwitzen, denn auch die Temperatur in der Halle erreicht ihren Höhepunkt beim Auftritt der Schweden.

Setlist EVERGREY:
Leave It Behind Us
As I Lie Here Bleeding
Monday Morning Apocalypse
Blinded
Rulers Of The Mind
The Masterplan
I’m Sorry
Frozen
When The Walls Go Down
Recreation Day
Broken Wings
A Touch Of Blessing

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STRATOVARIUS
Die Headliner STRATOVARIUS hätten eigentlich allen Grund, enttäuscht zu sein. Denn nach EVERGREY sind viele Zuschauer schon nach Hause gefahren und die Halle sieht ganz schön leer aus. Vielleicht noch 100 Leute sind anwesend, wenn überhaupt. Lediglich in der ersten Reihe stehen ein paar Fans, die extra aus Frankreich angereist sind, schon seit mehreren Stunden. Doch die Band um Timo Kotipelto läßt sich nichts in dieser Richtung anmerken und zieht ihren Auftritt nicht nur professionell, sondern auch mit viel Spaß durch. Da ist es egal, daß die Bühne so winzig ist, daß auf dem Backdrop nur TRATOVARIU (mit abgestürztem U) zu lesen ist, daß die Halle fast leer ist und auch, daß auf dem Drumkit kein Bandlogo prangt. Das wird eben einfach während des Auftritts selbst gemalt und immer weiter ausgeschmückt und auch mit dem Namen des neuen Drummers Rolf Pilve versehen, der heute nach dem Ende der Ära Jörg Michael seinen ersten Deutschlandauftritt (und erst den siebten insgesamt) mit STRATOVARIUS absolviert – ein historischer Moment (nicht zu vergessen auch das Kleine Arschloch auf der Setlist und Timo Kotipelto, der nicht nur die ganze Zeit Grimassen schneidet, sondern auch mal mitten im Song Fans mit deren Fotoapparat fotografiert). Die Vorstellung des neuen Mannes, der von den Fans sofort akzeptiert und bejubelt wird, erfolgt jedoch erst relativ spät nach „Eagleheart“. Aber bis dahin hatte Rolf Pilve dann genug Gelegenheiten, sein Können unter Beweis zu stellen. Und sicher, er ist nicht Jörg Michael (wahrscheinlich wiegt er auch nur die Hälfte und ist nur halb so alt) und hat durchaus seinen eigenen Stil, aber gut ist er jedenfalls, da kann man sich nicht beschweren. Auch am Keyboard gab es Veränderungen. Jens Johanssons Quietschentchen hat sich vermehrt (vermutlich damit die Herren Kotipelto und Johansson jetzt im Duett Entchen streicheln können) und beide können jetzt leuchten. Die Setlist enthält zu Beginn für meinen Geschmack zu viele neue Songs, aber gegen Ende ändert sich das. „Forever“ widmen STRATOVARIUS ihrem Soundmann und „Visions“ wurde kurzfristig auf Wunsch von Bassist Lauri Porra (heute mit freiliegender Hühnerbrust und verboten aussehendem Oberlippenbart extrem pornös unterwegs) ins Programm genommen um mit diesem Song dem heute verstorbenen Neil Armstrong zu widmen. Um „Kiss Of Judas“ herum gibt es dann noch ein Baß- und ein Keyboardsolo, die man beide nicht wirklich gebraucht hätte. Die Zugabe eröffnet dann Rolf Pilve, um mit einem Solo nun jedem zu zeigen, was er so drauf hat, bevor die Band dann mit „Paradise“ und „Hunting High And Low“ ihren Auftritt mit zwei starken Songs beendet. Ich würde jetzt gerne schreiben, daß STRATOVARIUS die beste Band des Abends waren (verdammt stark waren sie jedenfalls), aber EVERGREY haben sie doch eiskalt an die Wand gespielt. Trotzdem glaube ich, daß sich STRATOVARIUS so langsam wieder auf dem aufsteigenden Ast befinden und ich bin schon auf das neue Album gespannt.

Setlist STRATOVARIUS:
Under Flaming Skies
Phoenix
Deep Unknown
Eternity
Against The Wind
Darkest Hours
Eagleheart
Infernal Maze
Forever
Visions
Kiss Of Judas
Black Diamond
----------------------
Drumsolo
Paradise
Hunting High And Low

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Und so wie ich zu Beginn enttäuscht war, daß es nicht mehr Besucher nach Andernach geschafft haben, so bin ich jetzt enttäuscht, das so viele Zuschauer schon vor dem Headliner gefahren sind. Sind STRATOVARIUS mittlerweile wirklich so unbedeutend? Ich glaube nicht. Und zu spät war es ja auch nicht. Das war schon verdammt bitter.

Aber trotzdem hat es wieder einmal verdammt viel Spaß gemacht. Nicht eine einzige Band war wirklich schlecht, die beiden Headliner großartig. Großartig war auch die Verpflegung, die es zu durchaus humanen Preisen gab. Die etwas obskure Kombination Pommes mit Zwiebeln habe ich zwar noch nirgendwo sonst bekommen, aber es war echt lecker. Auch einen kleinen Metalmarkt gab es, wo man wirklich noch Schnäppchen machen konnte. Ich denke, nächstes Jahr werde ich auch wieder dabei sein. Dann wird das Summersend übrigens erstmals über zwei Tage gehen. (Anne)

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