Dream Theater + Periphery (29.02.2012, Esch-sur-Alzette (LUX))

dreamtheaterSie haben sich lange nach der Albumveröffentlichung Zeit gelassen, bis sie ihre erste Tour angehen. Doch ein wenig Lampenfieber jetzt wo Mike Portnoy nicht mehr dabei ist? Nachdem "A Dramatic Turn Of Events" bereits im September erschien, dauerte es bis ins neue Jahr bis die dazugehörige Tour stattfand. Nachdem sich der Verlust der Führungsfigur auf Konserve nicht so extrem bemerkbar machte, ging es nun daran zu beweisen, dass man auch auf der Bühne ohne ihn funktioniert. Schließlich will der Status als führende Progressive-Metal-Band gehalten werden.
Da das Konzert im luxemburgischen Esch-sur-Alzette aus logistischen Gründen im Kalender nach hinten verlegt werden musste, konnten wir uns erst am letzten Abend der Konzertreise ein Bild von den New Yorkern machen. Wie schon bei allen voran gegangenen europäischen Konzerten bestritten PERIPHERY das Vorprogramm. Ihre Labelkollegen sind eines der heißesten Eisen, wenn es um die Zukunft des Prog geht, dürften einigen Anhängern mit ihrer harschen Ausrichtung aber auch Kopfzerbrechen bereiten. Bislang war das Traumtheater nur einmal im kleinen Fürstentum, wie schlägt es sich dieses Mal im Vergleich zu vor fünf Jahren?

PERIPHERY
Damals hörte die Vorgruppe auf den Namen RIVERSIDE und ist bei mir und meinem Kollegen Maik seit jeher hoch in unserer Gunst. Die Amerikaner kenne ich nur von ihrem selbstbetitelten Debüt, welches ich seinerzeit reviewt habe. Musikalisch fallen sie unter die Bezeichnung Djent, auch wenn der Begriff einigen Schubladenverweigerern Haare auf die Zähne treiben wird. Progressiver Metalcore, das ist die ungefähre Beschreibung für das, was PERIPHERY auf die Bretter bringen.
So progressiv ist es heutzutage ja nicht mehr mit drei Gitarren auf die Bühne zu kommen, aber mit allen drei los zu frickeln gab es bislang nur selten. Das verlangt dem Hörer einiges an Nerven ab, zumal sich auch viele ältere Semester unter dem Publikum tummelten. Mit ihrer starken Verbreitung über die neuen Medien spricht die Truppe auch vermehrt jüngere Fans an. Dass sie aber alle spielen können, das bewiesen sie an dem Abend zu Genüge.

Optisch zwar sehr unspektakulär auf der Bühne aufgereiht und mit wenig Zug zum Publikum verfehlte ihr Auftritt seine Wirkung dennoch nicht. Denn was die drei Männer an ihren Siebensaitigen zauberten, hat man so bislang nicht gehört. Die schnelleren Shredder-Parts klingen zwar noch verstärkt nach MESHUGGAH, aber ihre Stärken offenbarten sie wenn das Tempo ein wenig heraus genommen wurde. Da jeder eine recht unterschiedliche Zutat zu dem Klanggebräu lieferte, wurde es für Ersthörer sehr schnell unübersichtlich.
Klasse zeigten PERIPHERY dann, wenn harte Staccatos auf sphärische Fills und feine Soli trafen. Dann legten die Jungs einen feinen Soundteppich, welcher einen schnell einnehmen konnte. Mastermind Misha Mansoor griff bei seinen Soloausflügen auch auf den guten alten Blues zurück, ein wirklich kruder Mix, der aber in einigen Momenten funktionierte.
Wenn Spencer Sotelo dann mit seinem Gesang einstieg wirken auch die Abgehmomente schlüssiger, weil sie von einer Melodie zusammen gehalten wurden. Hier überzeugte sein derbes Organ mehr als seine hohen Schreie. Mit Breakdowns sorgte man dann auch für den nötigen Spaßfaktor und zeigte aus welcher Ecke man kommt. Zum Glück hat man diese aber verlassen und sucht seine eigene Identität. Der spindeldürre Frontmann trug auch die Last der Show auf seinen Schultern, weil seine Kollegen in ihr Spiel vertieft waren.

Das Publikum stand zuerst noch recht verwundert dar und wusste nicht so recht wie ihm geschah. Die Tempowechsel bei Liedern wie "Jetpack Was Yes!" und "Racecar" kamen mitunter auch sehr abrupt. Das sorgte für die nötigen Überraschungsmomente, förderte aber weniger die Zugänglichkeit. Im Laufe des Sets tauten ein paar Zuschauer auf, was in Luxemburg schon als Erfolg zu bewerten ist. Applaus gab es jedenfalls reichlich und einige neue Fans wird man gewonnen haben. Wenn man die Stärken ihrer knallharten und atmosphärischen Passagen auch noch ins Midtempo rettet und ein wenig am Stageacting arbeitet könnte da in Zukunft was gehen.

DREAM THEATER
Nun war der Augenblick der Wahrheit auch in der Rockhal gekommen. Als das Saallicht ausging, ließ man erneut etwas auf sich warten. Zu einem Intro von Hans Zimmer liefen einige Videos auf den drei würfelförmigen Leinwänden. In Sachen Produktion steigert man sich in den letzten Jahren immer mehr, auch die Lightshow sollte sich als effektvoll erweisen. Das Ganze geht verstärkt in Richtung der großen Siebziger-Formationen, von denen der Fünfer seine Inspiration bezieht. Neben dem großen Schlagzeug des neuen Mannes füllten auch die abenteuerlichen Keyboardkonstruktionen von Jordan Rudess die große Bühne aus.

Als die Herren endlich erschienen waren, legten sie wie schon bei den Konzerten zum letzten Album mit einem Titel der aktuellen Scheibe los. Das war nicht immer so, beim letzten Besuch an gleicher Stelle war es noch ein Klassiker aus dem "Scenes From A Memory"-Meisterwerk, welches den Reigen eröffnete. Überhaupt stand das neue Opus bei dem Abend deutlich im Fokus, alleine sechs Titel fanden den Weg unter die vierzehn Nummern. Natürlich will man auch zeigen, dass es ohne Mike Portnoy weiter geht und das geht es, denn irgendwie hat man ihn nicht vermisst.
Mike Mangini wirkt auf der Bühne lockerer, er ist nicht so der absolute Kontrollfreak wie sein Vorgänger. Seine Kitkonfiguration ließ einen sehr guten Blick auf den Mann zu, es schien fast als säße er hinter einem Fenster. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass es die letzte Station war oder ob sich die fröhlichere Art der Musiker durch die ganze Tour zog. Auf jeden Fall scherzten die Herren sehr oft miteinander und James LaBrie präsentierte sich in seinen Ansagen gerne mal ein bisschen witzig. Dass er und John Petrucci sich einmal gegenseitig mit ihren Kabeln eingefangen hatten, hätte wohl die Augenbrauen von Portnoy zucken lassen.

So war denn auch die Spielfreude groß an dem Abend, es war eine Freude der Band zuzusehen. John Petrucci feuerte seine Riffs und Soli mit einer Begeisterung heraus, die ansteckte. Die Muckis sind immer noch ansehnlich, während der Haaransatz schon ein wenig gen Norden rückt. Von seiner Erscheinung abgesehen ist der Mann eine Ikone an seinem Instrument, immer wieder von den Zuschauern bestaunt und bejubelt.
Der "Mann am Fenster" lieferte auch einen tollen Job ab, sein Klang unterstützt mehr die alten Sachen seines neuen Arbeitgebers. Kein Wirbelwind oder einer der draufhaut, aber jemand, der immer den richtigen Rhythmus findet und selbst schwierige Passagen meistert. Dazu suchte er immer den Kontakt zum Publikum, was aufgrund seines Kits auch gut gelang. Neben ihm schob Jordan Rudess sein Arsenal an Tasteninstrumenten auf seinem Riser herum und entlockte ihnen die phantastische Bandbreite an Tönen.
Der Sänger schien wie schon angedeutet weitaus gelöster und befreiter als in der Vergangenheit, trat souverän auf und war sehr höflich bei seinen Ansagen. Stimmlich war er absolut auf der Höhe, die viele Kritik, die er einstecken musste war oft nicht gerechtfertigt. Ein Rätsel wird mir aber ewig dieser John Myung bleiben, einmal ging er mit seinem Gitarristen auf Tuchfühlung, ansonsten keine nennenswerte Reaktion.

Neben den neuen Songs wurde ein guter Querschnitt aus fast allen Alben zum Besten gegeben. Dabei setzte man nicht so sehr auf die großen Hits, auch wenn sie sich den einen nicht verkneifen konnten. Aber ein Titel vom Debüt sowie Auszüge aus dem "Six Degrees Of Inner Turbulence"-Epos waren nicht unbedingt zu erwarten. Ebenso nicht zu erwarten war, dass die neuen Stücke genau so gut ankamen wie die bekannteren.
Doch gerade diese erwiesen sich stärker als auf dem Album, nicht das sie da schlecht wären, aber live entfalten sie erst ihre Wirkung. Das eher unauffällige "Outcry" wurde mit seinen durchaus auch kritischen Bildern auf den Leinwänden zum ganz großen Gänsehautkino. Und mit "Breaking All Illusions" hat man ein grandioses Werk geschaffen, welches sich problemlos in die Meilensteine der Formation einreiht. Alleine die warmen Soli ließen einen förmlich abheben.

Die alte Tugend eines Akustikparts ist nun auch bei DREAM THEATER angekommen. In der Mitte des Sets setzten sich LaBrie und Petrucci auf ihre Hocker und zelebrierten zwei Balladen, bei denen sie von ihren Mitmusikern nur spärlich unterstützt wurde. Das lud natürlich zum Mitsingen ein, was die Zuschauer auch reichlich taten. Nur hätten es mehr sein können, denn bei ihrem letzten Gastspiel war es weitaus voller in der Rockhal.
Keine Ahnung ob man so langsam auf dem Rückzug ist und der Ausstieg des Aushängeschildes ein paar Anhänger gekostet hat. Ich habe keine Zahlen von anderen Auftritten, aber vielleicht ist das Rockhal-Publikum ein wenig gesättigt, bekommt man doch fast täglich etwas dort zu sehen. Auch der Bewegungsdrang ließ zu wünschen übrig, aber da sage ich nichts mehr drüber, es ist kein Gradmesser für die Stimmung. Die war top, es gab massig Applaus und am Ende dicke Ovationen sowie lautstarke Begeleitung bei einigen Songs.

Was ein wenig fehlte waren die ausladenden Jams, stattdessen setzte man auf zwei klassische Solospots. Doch die hatten es in sich, wie schon früh der große Auftritt des neuen Drummers belegte. Der legte teilweise derart furios los, dass die Zuschauer aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kamen. Zwar ist er offensichtlich ein wenig von Neil Peart beeinflusst, aber da ist nicht die schlechteste Referenz und auch als Anschauungsunterricht auf DVD erhältlich. Eine Reihe toller Rhythmuswechsel, die Einbindung vieler verschiedener Töne sowie ein tolles Finale machten es zu einem der besten die ich bislang gesehen habe.
Da wollte der Axtmann in nichts nachstehen und tat sich und seinen Fans den Gefallen komplett auf Skalengedudel zu verzichten. Stattdessen gab es von den sphärischen Schwaden unterstützt, die sein Keyboarder darunter legte ein Feuerwerk an gefühlvoller Gitarrenkunst. Der Meister scheint die weichen, emotionaleren Töne wieder für sich entdeckt zu haben und agierte mit einem unglaublichen Gefühl.

Nach 130 Minuten war das Auditorium restlos begeistert ob der Darbietung der Berkley-Absolventen. Sie haben es wieder einmal geschafft ihre enormen Fähigkeiten zu demonstrieren ohne dabei die Songs aus den Augen zu lassen. Der Weg zum etwas klassischeren Prog mit einer Portion mehr Feeling, den sie auf "A Dramatic Turn Of Events" eingeschlagen haben scheint sich als der richtige heraus zu stellen. In der Form werden sie weiter an der Spitze der progressiven Musik stehen und ihren alten Leitwolf schnell vergessen machen. (Pfälzer)

Setlist DREAM THEATER:
Bridges In The Sky
6:00
Build Me Up, Break Me Down
Surrounded
The Root Of All Evil
-Drumsolo-
A Fortune In Lies
Outcry
The Silent Man
Beneath The Surface
On The Back Of Angels
War Inside My Head/The Test That Stumped Them All
-Guitarsolo-
The Spirit Carries On
Breaking All Illusions
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Pull Me Under

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