Within Temptation + Anneke van Giersbergen (04.11.2011, Esch-Sur-Alzette (LUX))

withintemptationDer Erfolg von WITHIN TEMPTATION ließ anfangs auf sich warten, die erste CD "Enter" ging noch im Wust der vielen Gothicmetal-Veröffentlichungen unter. Das Zweitwerk bewegte sich dann im melodischeren Fahrwasser von NIGHTWISH, die zu dem Zeitpunkt noch eher unbekannt waren. Als sich der Zustand änderte, wirkte sich das auch auf die Wahrnehmung der Niederländer aus. Nachdem "Mother Earth" zwei Jahre wie Blei in den Regalen lag, hob eine Tour mit PARADISE LOST und ein Vertrag mit GUN Records den Sechser auf eine andere Stufe.
In der Folgezeit hatten sie es schwer ihren Erfolg zu bestätigen, zumal auch die Richtung, in die man gehen will nicht immer klar war. Nach diversen Experimenten mit Akustikversionen und Orchester gab es erst mal eine Zwangspause, weil Sängerin Sharon Den Adel zweimal Mutter wurde. Auf dem neuesten Output legte man wieder mehr Wert auf den Song und schuf das beste Album seit dem Durchbruch. Dem liegt ein Konzept zugrunde, welches in Comics illustriert wurde und auch live umgesetzt werden soll. Ein weiterer Grund neben der Tatsache die Truppe seit sechs Jahren nicht mehr gesehen zu haben, um den Abstecher über die Grenze nach Luxemburg zu wagen. Dort spielten WITHIN TEMPTATION in der Rockhal in Esch-sur-Alzette zusammen mit der ehemaligen THE GATHERING-Frontfrau ANNEKE VAN GIERSBERGEN.


ANNEKE VAN GIERSBERGEN

Das Fräulein, welches den Abend eröffnen sollte, war eigentlich mit nicht unähnlicher Mucke lange vor dem heutigen Hauptact erfolgreich. Aber wie schon so oft in der Musikgeschichte wird manche Combo wie in dem Fall THE GATHERING von der Entwicklung überholt. Wobei ihr Ausstieg bis heute noch rätselhaft ist, da ANNEKE VAN GIERSBERGEN weniger touren wollte und nun öfter unterwegs ist als ihre ehemaligen Mitmusiker. Zumal denen aufgrund der weiten Entfernung zu ihrer neuen Sängerin ein Stück weit die Hände gebunden sind.
Genauso verwunderlich kam einem zu Konzertbeginn die Ansage, dass die Show ausverkauft sein vor. Keine Ahnung warum, denn nicht nur, dass die Kapazitäten nicht voll ausgeschöpft waren, selbst in dem zur Verfügung stehenden Raum war noch viel Platz. So war noch nicht viel los als die Dame mit ihrem Gefolge die Bühne recht unspektakulär enterte. Vom Pomp, der später noch verbreitet werden sollte, war kaum etwas zu spüren.

Über das Äußere der Frontfrau hat man schon so ziemlich alle Meinungen gehört, egal was, blond steht ihr einfach nicht. Mit den Trainingsanzugähnlichen Hosen und ihrem Tanktop kam sie schon eine Spur zu leger rüber, was im krassen Gegensatz zum knallroten Lippenstift stand. Wäre Marlene Dietrich nicht in die Staaten ausgewandert, sondern per Zeitsprung ins Hip Hop-Berlin der Neunziger so würde sie wohl aussehen.
Auch ihre Gestik wirkte ein wenig überstrapaziert, fast mädchenhaft und ließ einiges an Selbstsicherheit vermissen. Stimmlich war sie indes voll auf der Höhe, das war schon immer ihr großes Talent die Töne wunderbar zu formen. In der Hinsicht eine der besten, die es im Female-Fronted-Bereich je gab, aber wer so lange dabei ist, sollte einfach mehr auf der Bühne ausstrahlen.

Auch ihre Backing-Band war sehr in ihren guten Vortrag vertieft, um sich großartig präsentieren zu können. Gerade in Sachen Bewegung ging da fast nichts, das erinnerte in seiner Schlichtheit an eine Alternative-Act. Und in die Richtung schlägt auch das Material, welches ANNEKE VAN GIERSBERGEN live darbietet. Nicht so weit weg von ihrer ehemaligen Formation, auch schön atmosphärisch, aber auch nicht wirklich zwingend. Das fiel spätestens bei "Saturnine" dem einzigen THE GATHERING-Titel, der zum Zug kam, auf, der kompositorisch hervorstach. So war am Ende nicht mehr als Höflichkeitsapplaus drin, als man nach 30 Minuten die Bretter verließ.

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WITHIN TEMPTATION
Als in  der Umbaupause das Equipment des Supportes weg geräumt wurde, legte man rechts und links zwei hohe Rampen frei, auf die die Keyboards und das Schlagzeug aufgebaut wurden. Diese waren über Treppen zu erreichen, dahinter prangte das zweiteilige Backdrop mit dem WT-Celt-Logo. Der obere Teil öffnete sich wie ein Theatervorhang als das Licht ausging und legte eine große LED-Wand frei, auf der ein einleitendes Video gezeigt wurde. Die erklärenden Bilder waren ein Vorgeschmack auf das multimediale Spektakel was einen in den folgenden eineinhalb Stunden erwarten sollte.

Als der Vorhang erstmal wieder fiel erscheinen Martin Spierenburg und der neue Drummer Mike Coolen auf ihren Risern und leiteten den Opener von "The Unforgiving" ein.  Als man den Gesang ihrer Frontelfe schon vernehmen konnte suchte man die Dame noch. Zu entdecken war sie zwischen den Risern, der untere Teil des Hintergrundes entpuppte sich als Steg zwischen den Podesten. Hinter dem Vorhang sang sie die erste Strophe, doch alleine ihre Silhouette dürfte bei den männlichen Anwesenden für erhöhten Pulsschlag gesorgt haben.
Zum Refrain rannte dann die Saitenfraktion auf den unteren Teil der Bühne und es ging so richtig los. Der Sound knallte so richtig fett aus den Boxen, differenziert, wuchtig, druckvoll und ordentlich laut, so muss das sein. Aber die guten Klangverhältnisse in der Rockhal hatte ich schon bei OZZY OSBOURNE gelobt. Und dann stieg sie empor zu uns, gekleidet in knallenge schwarze Hosen darüber hohe Stiefel und die schwarze Korsage betonte wunderbar den, nun ja, Resonanzkörper ihrer Stimme. Ihr dunkles Haar fiel locker auf das flauschige weiße Jäckchen, es schien als wäre Schneewittchen grad frisch dem Märchen entstiegen. Hatte ich schon erwähnt, dass man an dem Abend auch optisch viel geboten bekam? So sollte eine Frau aussehen, alles andere sind Mädchen!

Mit der aktuellen Langrille ging es dann auch direkt weiter, zum großen Teil in chronologischer Form, was das Konzept unterstützte. Dazu gab es auf der Leinwand immer großflächige Projektionen zu sehen, die teilweise schon drastisch und auch gut gespielt waren. Zumindest lyrisch sind die Holländer recht weit weg vom Kuschelsound, der ihnen immer vorgeworfen wird. Und der auf der Bühne so nicht stattfindet, denn gerade die flotteren Nummern, die nun auf dem Programm standen fielen live um einiges knackiger und gitarrenlastiger als auf Konserve aus.
Auch hier profitierte man von den guten Verhältnissen in dem Saal, das Material rockte ordentlich. Auch die Truppe zeigte sich gut eingespielt und agierte nicht mehr so steif wie in der Vergangenheit. Vor allem die beiden Sechssaiter nutzten die gesamte Fläche aus und tauchten ebenfalls öfter auf dem oberen Laufsteg auf, wo sie Frau den Adel flankierten. Mit der grandiosen Lightshow wurde das Ganze schön in Szene gesetzt. Gerade technisch war alles auf oberstem Niveau, auf den Risern waren noch kleinere Leinwände, alles hervorragend abgestimmt mit immer wieder tollen Effekten. Man fühlte sich teilweise wie im Kino, doch das ist genau, das was die Band mit der Produktion erreichen will.
Das Bandgefüge profitierte seltsamerweise auch davon, dass Robert Westerholt nicht mehr bei Live-Auftritten dabei ist. Als Gatte der Frontgrazie stand er vielleicht zu sehr im Mittelpunkt und zwei gleichberechtigte Gitarristen, die sich auch die Soli teilen tun da eher gut. Oft standen die beiden auch zusammen, man suchte den Blickkontakt zu den anderen Mitgliedern sowie auch zum Publikum, was früher alleine auf den Schultern der Sängerin lag. Das lockerte die ganze Atmosphäre zusätzlich auf, gab dem Ganzen dann doch den Touch einer Rockshow.

Das Publikum sah das wohl leider etwas anders. Nicht, dass die Stimmung schlecht gewesen wäre, aber der Bewegungsdrang im Publikum war gleich null. Nun sind ja WITHIN TEMPTATION keine Band bei der es ordentlich abgeht und das Luxemburger Publikum gilt auch nicht als das Agilste. Doch selbst unter den Aspekten war das noch wirklich grausam. Unter den 2500 waren noch keine 20 die beim "Mother Earth"-Gassenhauer gesprungen sind, da erwarte ich normal, dass es 20 sind, die das nicht tun, da muss der Saal hüpfen. Und diejenigen, die es Taten mussten sich noch ständiges Gemecker anhören, geht´s noch!
Von der Lautstärke war alles im grünen Bereich, der Jubel nach den Songs war ordentlich und bei den wenigen Singalongs, welche die durchkonzipierte Show zuließ waren die Zuschauer auch da. Interessanterweise aber nur die beiden ersten Reihen und so ab Reihe zehn. Dazwischen hatten die Leute vor lauter die Kameras und Handys hoch halten keine Muse mehr um wenigstens zu klatschen. Was sehne ich mich an die Zeiten vor dieser Unsitte zurück, als der Versuch eine Kamera mitzunehmen mit Ausschluss geahndet wurde. Klar war das Visuelle sehr wichtig bei der Show, aber dafür gibt es DVDs und Bildbände. Die sind sogar günstiger als ein Ticket, das man Leuten, die Lust am Abfeiern haben nicht wegschnappen muss bei ausverkauften Shows.

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Dabei wurde man voll bedient, auch an der Songauswahl gab es nichts zu meckern, Lieder vom ersten Album hat wohl ohnehin keiner erwartet. Mit acht Titeln gab es die neue starke Scheibe fast komplett, worauf sich ja die Show aufbaute. Dazu eine gute Auswahl der anderen drei Longplayer, wobei der Fokus auf den bekanntesten Stücken lag. Beim Hit von "The Heart Of Everything" war auch Mina Caputo via Leinwand und Bandeinspielung mit dabei. Dass die männlichen Stimmen und einige Orchesterparts vom Band kamen, störte zwar ein wenig, lässt sich aber nicht immer vermeiden.
WITHIN TEMPTATION haben es in der Vergangenheit bewiesen, dass sie Shows abliefern können, bei denen alles live gespielt wird. Nur ist das bei einer mehrmonatigen Tour mit einer sowieso großen Produktion weder logistisch noch finanziell zu stemmen. Ein weiterer etwaiger Kritikpunkt wäre wie schon angedeutet die ziemlich konstruierte Show, die bis auf die Bühnengebaren keinen Raum für Improvisationen ließ. Klar wirkt das alles einstudiert, aber bei derart viel Theatralik liegt das im Sinn der Sache.
Da ist es nur logisch, dass auf erklärende Ansagen verzichtet wurde, die Bilder und die Musik sprachen für sich selbst. Bis auf die Bandvorstellung und mehrere nette Dankesreden konzentrierte sich Sharon den Adel auf ihren Gesang und der war ihrer optischen Präsenz angemessen. Selbst die hohen Töne meisterte sie problemlos und die Kraft ihrer Stimme konnte sich gegen die Soundwand ihrer Nebenleute behaupten.

Die Sechs boten an dem Abend wahrhaft großes Kino, ein Fest für Auge und Ohren. Viel besser kann man eine derartige Show nicht darbieten, das war nahe an der Perfektion, zumal wie gesagt der Spaßfaktor nicht zu kurz kam. Auch die Band schein den Auftritt zu genießen, war agiler als ich sie in Erinnerung hatte. Am Ende ließen sich die Jungs und die Dame dann verdientermaßen abfeiern. Für die anstehenden Deutschland-Dates sind noch ein paar Tickets erhältlich, ich würde nicht mehr solange warten, man würde echt etwas verpassen. (Pfälzer)

Setlist WITHIN TEMPTATION:
Shot In The Dark
In The Middle Of The Night
Faster
Fire And Ice
Ice Queen
The Howling
Our Solemn Hour
Stand Your Ground
Sinead
What Have You Done
Iron
Angels
Lost
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See Who I Am
Mother Earth
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Stairway To The Skies

Alle Live-Bilder von Maik!
Quelle Tourposter: www.within-temptation.com

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