heidenfest_logo_2011An einem wunderschönen sonnigen Herbsttag, der so heiß ist, daß im Auto die Klimaanlage auf Dauerbetrieb laufen muß, finden wir uns kurz vor Konzertbeginn in den Gießener Hessenhallen ein. Hier soll heute eine der sogenannten Extended Shows der Heidenfest-Tournee stattfinden und wir freuen uns schon mächtig auf die Bands - und auf was zu Essen, denn wir waren über Mittag unterwegs. Und so dürfen wir erstmal feststellen, daß es auf einem Konzert, das immerhin 9,5 Stunden dauern soll, nicht einen Bissen zu essen gibt. Was dazu führt, daß viele Zuschauer in die Stadt wandern oder sich sogar Pizza zur Konzerthalle liefern lassen und in der Zeit dann Bands verpassen. Da die Umbaupausen zwischen den Bands nur 15 Minuten betragen und ich jede Band sehen will, heißt das: Zwangsdiät. Na danke. Wenigstens ’ne Frittenbude hätte man ja hinstellen können. Das ist doch wirklich nicht zuviel verlangt.

 

SKALMÖLD
Wie auch immer, als erste Band betreten die Isländer SKALMÖLD die Bühne. Die bieten zwar gute Ansätze, wirken jedoch etwas schüchtern und gehemmt. Außerdem stehen sie recht steif auf der Bühne rum, einzig Gitarrist Þráinn Árni Baldvinsson versucht es rauszureißen, post fleißig und läßt die Matte kreisen. Sänger Björgvin Sigurðsson verzichtet weitestgehend auf Ansagen – auch er wirkt noch sehr schüchtern. SKALMÖLD klingen mit ihren mehrstimmigen Chören wie eine schlechtere Version der Färinger TÝR und können nicht wirklich überzeugen. Dazu tragen auch die nervigen Flötensamples das ihre bei.

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TODTGELICHTER
TODTGELICHTER aus Hamburg entern als zweite Band die Bühne. Sie können schon deutlich mehr Zuschauer vor selbige ziehen und wirken auch deutlich routinierter als die Isländer. Ganz in weiß gekleidet bietet die Band mit ihren atmosphärischen, an DORNENREICH erinnernden Songs was fürs Auge und was fürs Ohr. Einzig Sängerin Marta wirkt öfter mal etwas verloren auf der Bühne, wenn sie nur rumsteht und wohlwollend sanft mit dem Kopf nickt. Auch sonst wirkt ihr Stageacting eher gekünstelt, während Sänger und Bassist Nils absolut authentisch rüberkommt. Vielleicht liegt das auch daran, daß man Martas Gesang ziemlich in den Hintergrund gemischt hat und sie oft kaum zu hören ist. Nichtsdestotrotz kann die Band mit Songs wie „Bestie“ vom aktuellen Album „Angst“ durchaus begeistern und legt einen sehr kurzweiligen Auftritt hin.

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TROLLFEST
Dem gegenüber sind TROLLFEST sowohl musikalisch als auch optisch ein krasser Gegensatz. Reichlich obskur sieht Sänger Trollmannen mit seinem dubiosen Kostüm aus, und man weiß nicht wirklich, was das jetzt darstellen soll (oder weiß man das?). Aber auch Netzhemd zu Turnschuhen zu Saxophon ist nicht von schlechten Eltern. Dennoch, oder gerade deswegen, können die Norweger eine ansehnliche Meute vor die Bühne ziehen, die die Mehr-oder-weniger-Nonsens-Texte des Siebeners abfeiern. Songs wie „Brakebein“ oder „Der Jegermeister“ werden begeistert abgefeiert und TROLLFEST können den ersten – und ziemlich beeindruckenden – Circle Pit des Tages verbuchen. TROLLFEST sind zwar reichlich seltsam und albern (z.B. steht auf dem Backdrop „Trollfest Backdrop“), kommen bei den Fans aber gut an und zeigen, daß man mit Fun Metal meist nur gewinnen kann. Da ist es dann auch egal, wie die sonstigen musikalischen Fähigkeiten so gelagert sind.

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ARKONA
Mit ARKONA folgt eine gänzlich unlustige Kapelle, deren Frontfrau Mascha Archipowa mit Blicken töten kann – davon bin ich fest überzeugt. Die Show der Russen ist wie immer sehr energiegeladen, Mascha fegt wie ein Derwisch über die Bühne, steht niemals still und dirigiert das Publikum souverän durch die Setlist. Auch die Felle der großen, an einem Rinderschädel arrangierten Drums verdrischt sie ganz ordentlich. ARKONA hauen so sehr auf den Putz, daß die Boxen krachen und knacken, was kein wirklicher Genuß ist. Außerdem brechen die Intros der einzelnen Songs oft unvermittelt ab, beginnen dann aber auch gerne genau so unvermittelt wieder. Die Band ignoriert das völlig, die zwischen den Songs meistens „My brothers!“ brüllende Mascha fordert eine Wall Of Death, zeigt mit Gesten aber einen Circle Pit, was zur Folge hat, daß das verwirrte Publikum keins von beidem umsetzt. Macht aber nix, denn ARKONA machen auch so genug Stimmung für zwei und sind so auch die erste Band des Tages, von der eine Zugabe gefordert wird.

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DORNENREICH
DORNENREICH sind auf der diesjährigen Heidenfest-Tournee nur bei den Extended Shows dabei und ganz offensichtlich nicht jedermanns Sache. Denn die Band spielt vor deutlich weniger Publikum als die vor ihnen. Tja, da kann man nur sagen: Pech gehabt, denn wer nicht da ist, verpaßt einen der besseren DORNENREICH-Auftritte. Die Band (die übrigens sowohl vor als auch nach ihrer Show am Merchstand ihre Sachen selber verkauft und für Autogramme und Gespräche mit den Fans stets freundlich lächelnd zur Verfügung steht) beeindruckt mit einer unglaublich druckvollen Show. Mit gerade mal 3 Leuten auf der Bühne schaffen sie es mehr Power zu bringen als Bands mit doppelt so vielen Mitgliedern. Hut ab. Songs wie „Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz“, „Flammenmensch“ „Erst deine Träne löscht den Brand“ oder auch das absolut geniale „Trauerbrandung“ begeistern mit ihrem Zauber und machen DORNENREICH zur eine der besten, wenn nicht sogar zu DER besten Band des Abends. Das sieht auch das Publikum so, das vehement nach einer Zugabe verlangt. Schade, daß bei dem enggesteckten Zeitplan keine drin ist. Aber es bleibt ja immer noch die Tour Ende des Monats.

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ALESTORM
Die anschließend spielenden ALESTORM halten dann wieder die Fahne des Fun – pardon – Pirate Metal hoch. Und das, obwohl Sänger Chris Bowes laut Aufschrift auf seiner Keytar lieber ein Ninja wäre. Naja, vermutlich ist er dazu zu langsam. Aber apropos Keyboards: ALESTORM überraschen (zumindest mich) mit der Kraft der zwei Keyboards auf der Bühne. Laut Sänger Chris hat man nun ein Lead und ein Rhythm Keyboard. Nun denn. Wenn’s schön macht… Bei der Setlist geht man auf Nummer sicher und spult sein übliches Programm ab: „Back Through Time“, „Shipwrecked“, „The Sunk'n Norwegian“ (welcher live sehr cool kommt) und das epische „Death Throes Of The Terrorsquid“ vom aktuellen Album, „Wenches And Mead“, „Captain Morgan’s Revenge“ vom Debüt oder das fantastische Cover „Wolves Of The Sea“ (unbedingt das Original auf youtube ansehen!) ergeben eine Setlist, die sich quer durch das bisherige Schaffen der Band bewegt und mit „Keelhauled“ einen absoluten Mitsingabschluß findet. Wie üblich kommuniziert Chris sehr viel mit dem Publikum und bewegt sich auch auf der Bühne stilsicher mit gelben Hosen zu lila Schnürsenkeln. Augenkrebs ahoi. Dazu noch die herrliche Platte von Gitarrist Danny Evans, die nur beim Bangen zum Vorschein kommt – ALESTORM sind eine Augenweide. Aber nicht nur deshalb können sie bisher die größte Zuschauermenge verbuchen. ALESTORM mögen musikalisch fragwürdig sein, live machen die sympathischen Schotten (und der eine Ire) auf jeden Fall Spaß. Man muß sich nur darauf einlassen.

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TURISAS
Auch bei TURISAS gibt es Neues zu vermelden. Denn nach dem Ausstieg von Bassist Hannes Horma und Akkordeonspielerin Netta Skog hat die Band erstmals in ihrer Geschichte ein Keyboard auf der Bühne stehen. Das ist ziemlich ungewohnt, aber doch akzeptabel. Zumal es wahrscheinlich nicht leicht ist, einen ähnlich bekloppten fähigen Akkordeonspieler zu finden. Mit „One More“ haut man einen seiner stärksten Song schon gleich zu Beginn raus und springt dann mit „The Great Escape“ und „Stand Up And Fight“ zum gleichnamigen aktuellen Album. Die Scheibe hat es in die deutschen Charts geschafft, worauf Sänger Mathias Nygård stolz wie bolle ist. Der Warlord steht nicht eine Sekunde still, hechtet von einer Seite der Bühne auf die andere und auch die anderen Bandmitglieder, insbesondere Violinist Olli Vänskä stehen ihm da nicht viel nach. Richtig Kopf steht die Halle aber erst beim Boney M-Cover „Rasputin“, das einfach immer wieder für Stimmung sorgt. Wobei die Version der Finnen aber auch besonders gelungen ist. Zum Abschluß des Auftrittes gibt es dann wie immer die Bandhymne „Battle Metal“ auf die Ohren, die frenetisch abgefeiert wird. TURISAS waren wie immer gut, aber ich habe die Band auch schon besser gesehen. Vielleicht müssen sich die Sechs auch live erst in die neue Situation finden und die Sache sieht am Ende der Tour schon anders aus.

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FINNTROLL
Ihre Landsmänner FINNTROLL sind normalerweise die Headliner auf der Heidenfest-Tour, heute müssen sie diesen Posten an WINTERSUN abgegeben. Das macht aber nichts, es sind auch so jede Menge Leute nur für FINNTROLL gekommen. Geändert hat sich bei der Band nicht viel, außer daß sich Bassist Tundra eine ziemlich häßliche Frisur verpaßt hat. Man startet den Auftritt vielversprechend mit „Människopesten“ und „Nattfödd“ vom gleichnamigen Album und schwenkt dann mit „Solsagan“ auf das aktuelle Album „Nifelvind“. Langjährigen Fans macht man anschließend mit „Mittnattens Widunder“ vom Debüt eine Freude. Für „Under Bergets Rot“ wünscht man sich eine Wall Of Death (wieso muß eigentlich jede Deppenband eine Wall Of Death haben, selbst wenn es gar nicht zur Musik paßt?), ob es auch eine gab, konnte ich aber nicht erkennen. Dann kann’s auch nicht viel gewesen sein. Anschließend quält man das Publikum mit dem OINGO BOINGO-Cover „Insects“, das bei den Zuschauern nur wenig bis keine Begeisterung hervorruft. Besser kommt da schon das METALLICA-Cover „The God That Failed“ an, obwohl das aufgrund des miesen Sounds kaum zu erkennen ist. Warum man seine Fans mit irgendwelchen Covern zunölt, wenn man eigentlich genug eigene, geile Songs in der Hinterhand hat, erschließt sich mir nicht so ganz. Genausowenig wie der Sinn einer Touredition eines Albums, das bereits über ein Jahr auf dem Markt ist. Außer daß man den Fans das Geld aus der Tasche ziehen möchte. Da fällt es auch schwer, zu „Trollhammeren“ wieder Stimmung aufzubauen. Mit „Rivfader“ und „Jaktens Tid“ spielt man als Wiedergutmachung nochmal zwei alte Songs am Ende, aber irgendwie will keine richtige Stimmung mehr aufkommen. Sänger Vreth ist zwar sehr um Kommunikation mit dem Publikum bemüht, aber das macht den Kohl auch nicht fett. FINNTROLL sind heute einfach eher enttäuschend. Und das liegt nur zum Teil am ziemlich miesen und rumpeligen Sound. Schade.

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WINTERSUN
WINTERSUN sind nur bei den Extended Shows dabei. Und haben so einige Fans angelockt, die erwartungsfroh vor der Bühne stehen, hat sich die Band doch live in den letzten Jahren eher rar gemacht. Mit „Beyond The Dark Sun“ starten die Finnen stark in ihren Auftritt und bei „Battle Against Time“ (was man im Falle Wintersun wohl wörtlich nehmen muß) und „Sleeping Stars“ beginnt der Nacken doch zu schmerzen. Mit „Winter Madness“ und „Death And The Healing“ geht es erstmal mit alten Songs weiter. Und dann – man hat ja kaum noch zu hoffen gewagt - kündigt Mainman Jari Mäenpää einen neuen Song an. Doch es gibt nicht das schon bekannte „Time“, sondern einen unbekannten Song namens „The Way Of The Fire“. Der Song ist etwa 10 Minuten lang, schnell und knüpft eigentlich nahtlos an das alte Material an. Dabei erinnert er etwas an „Winter Madness“. Das läßt auf das neue Album hoffen, doch bei diesem Arbeitstempo (2 Songs in 7 Jahren) ist wohl frühestens 2025 mit „Time“ zu rechnen. Doch hoffen wir das beste. Mit dem fabelhaften „Starchild“ ist der Auftritt der Finnen dann auch schon zu Ende – nach gerade einmal guten 45 Minuten, obwohl die Band doch eine ganze Stunde Spielzeit zur Verfügung hat. Und auch die WINTERSUN-Sprechchöre bringen die Band nicht wieder auf die Bühne. Das verstehe, wer will. Es war schön, WINTERSUN nach Jahren mal wieder zu sehen, aber irgendwie hat man sich doch mehr erwartet (zumindest hätte sich der Teemu mal nackig machen können). Wobei die Finnen auch – wie die meisten Bands an diesem Abend – mit dem schlechten Sound zu kämpfen hatten.

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Denn das war ein echtes Problem in den Hessenhallen. In Mischpultnähe war der Sound meistens in Ordnung, aber je weiter man sich vom Mischpult entfernte, desto mieser wurde er, so daß manche Songs bis zur Unkenntlichkeit verrumpelt wurden. Das muß doch nicht sein. Schmerzhaft war auch, wie eingangs schon erwähnt, die fehlende Möglichkeit, etwas zu Essen zu erwerben (ein Hoch auf Alestorm-Chris und Toblerone, die mich vor dem Hungertod bewahrten). Dafür waren die Getränkepreise aber relativ günstig (was in Kombination wohl zu dem hohen Anteil Alkoholleichen schon zu früher Stunde führte). Insgesamt war es ein nettes, kleines Eintagesfestival mit vielen guten Bands, von denen jedoch einige hinter den Erwartungen zurückblieben.

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