Anathema_PlakatSelten habe ich mich in den vergangenen Monaten auf ein Konzert so sehr gefreut wie auf diese ANATHEMA Show in Saarbrücken und mit dieser Vorfreude war ich nicht alleine. Die Briten, die in ihrer inzwischen auch schon fast 20jährigen Karriere viele Höhen und Tiefen erlebt haben und sich musikalisch so sehr gewandelt haben wie kaum eine andere Band, stehen derzeit mit ihrem famosen neuen Studioalbum „We’re Here Because We’re Here“ (dem ich in einem Anflug von spontaner Enttäuschung „nur“ 7,5 Punkte gegeben habe – Asche über mein Haupt) am Zenit ihres Schaffens und scheinen so langsam wieder richtig Fuß in der Szene zu fassen. Nach den drei gefeierten Shows im Juni diesen Jahres, den Bericht aus dem Kölner Luxor gibt’s hier, hängten die Briten noch einmal einige Shows im Herbst dran, um „We’re Here Because We’re Here“ ausgiebig zu promoten und das taten sie zum Glück auch in Saarbrücken, so dass den drei Anwesenden von Neckbreaker eine längere Anreise erspart blieb.

Eine richtige Vorband hatten die Briten auch auf dieser Tour nicht mit dabei, stattdessen gab und gibt es wechselnde Vorgruppen bzw. Solokünstler. In Karlsruhe und München zum Beispiel werden die großartigen LONG DISTANCE CALLING mit von der Partie sein, in Saarbrücken ging das Vorprogramm deutlich ruhiger mit den beiden Singer/Songwritern Petter Carlsen aus Norwegen und Anneke Van Giersbergen aus den Niederlanden, die vielen noch von ihrer Zeit bei THE GATHERING bekannt sein dürfte, von Statten.

An diesem Montag ging dieses Spielchen sogar so weit, dass sich Petter Carlsen und Anneke Van Giersbergen abwechselten und teilweise sogar gemeinsam ihre Songs spielten; bei drei oder vier Songs gesellte sich sogar Danny Cavanagh mit hinzu. Wirklich mal etwas ganz anderes, als man es sonst so gewohnt ist, und alle Beteiligten schienen ihre Freude dabei zu haben. Den Soloteil von Petter Carlsen habe ich leider komplett verpasst, von daher gebe ich kurz ab an meinen Kollegen Brix.

Danke, Maik! Carlsen ist definitiv etwas für die ganz sanften Gemüter - der norwegische Soundwriter kommt nach eigener Aussage aus einem Landesteil, wo es fast immer dunkel ist. Dementsprechend melancholisch bis traurig sind seine Kleinode geraten, die er wahlweise solo mit der Klampfe oder mit Danny von ANATHEMA am Keyboard zelebrierte.
Auf den ersten Blick mag dies ein wenig öde geklungen haben, aber ein Anhören auf seiner myspace-Seite bietet die komplett instrumentierten Tracks an und wirft ein neues Bild auf die Songs - "Pull The Brakes" beispielsweise verursacht nun bei mir erst recht eine wohlige Gänsehaut! Im vorderen Drittel hatten sich auch sogleich einige Fans und Interessierte eingefunden, die den verdienten Applaus spendeten. Zurück zu Maik! (Brix)

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Pünktlich zum ersten Song, an dem Anneke Van Giersbergen mitwirken durfte, war ich dann ebenfalls an Ort und Stelle und ich bin sehr glücklich darüber zumindest diesen Teil mitbekommen zu haben, gehören doch THE GATHERING schon seit vielen Jahren zu meinen Faves und mit „Locked Away“ (Anneke solo) und „My Electricity“ (mit Danny Cavanagh und Petter Carlsen) kamen sogar zwei THE GATHERING Nummern zum Zuge, die logischerweise am besten ankamen. Daneben sang Anneke in der knappen halben Stunde noch einige weitere Songs („Hey Okay!“, „Welcome Home“) von ihrem aktuellen Agua De Annike Album, begleitet nur von der akustischen Gitarre, die sie mehr schlecht als recht spielte. Dafür ist ihr Stimmchen nach wie vor bezaubernd, was für ein Jammer, dass es 2007 zur Trennung von THE GATHERING kam. Insgesamt ein sehr ruhiger und bereits intensiver Beginn in einen Abend, der bei ANATHEMA noch viel intensiver und endlich auch lauter wurde.

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Als ANATHEMA dann schließlich so gegen kurz vor 21 Uhr zu den Klängen eines undefinierbaren Intros die Bühne betraten, war der abgeteilte Bereich der Garage wenigstens ganz vernünftig gefüllt, eine Stunde vorher musste man noch Schlimmstes befürchten, und man war bereit für das ganz große Kino für die Ohren. Es erwies sich als eine weise Entscheidung, den Fotograben gleich ganz wegzulassen, so war man viel näher am Geschehen dran. Die Stimmung war von den ersten Klängen des ersten Songs euphorisch, die Songauswahl gerade zu Beginn tat ihr übriges dazu, denn die Briten legten nicht wie erwartet mit dem Doppel „Thin Air“/“Summernight Horizon“ vom neuen Album, sondern mit einigen „älteren“ Songs aus der Zeit von „Judgement“ und „Alternative 4“ los. „Deep“, „Pitiless“, „Forgotten Hopes“ , „Destiny Is Dead“ in dieser Reihenfolge, was für ein Beginn. Der Sound war bereits zu diesem frühen Zeitpunkt hervorragend und er wurde im Laufe der Zeit sogar noch besser (etwas, was man in der Garage nicht immer erlebt) und spätestens bei „Forgotten Hopes“ war auch die Stimme von Vinny Cavanagh bestens aufgelegt, der mehr und mehr zum Mittelpunkt der Band wird.
  
live_20101011_0301Weiter ging‘s mit dem magischen „Closer“ und dem „Alternative 4“ Dreierpack (jawoll!) „Shroud Of False“, „Lost Control“ sowie „Empty“ und als Abschluss des ersten Teils das überwältigend vorgetragene „One Last Goodbye“. Ja, man fragte sich so langsam schon, wo die neuen Songs bleiben und die Antwort kam prompt von Danny, der erzählte, dass die folgende Stunde ganz im Zeichen von „We’re Here Because We’re Here“ stehen wird. Dass ANATHEMA ihr neues Studioalbum komplett spielen werden, davon konnte man ausgehen, dass sie es dann aber am Stück taten, das überraschte sehr und war etwas ganz besonderes. Denn Saarbrücken war die erste Tourstation, bei der die Band aus Liverpool dieses Konzept praktizierte, und die geschätzten 400 Anwesenden erlebten sozusagen eine Weltpremiere.  Das hat man sich anscheinend von PORCUPINE TREE abgekuckt, die 2008 mit ihrer „Fear Of A Blank Planet“ Scheibe an gleicher Stelle das gleiche machten; ANATHEMA waren damals als Support mit dabei.
 
„We’re Here Because We’re Here“ von Alpha bis Omega, vom hart-rockenden Opener bis zum abschließenden atmosphärischen Outroinstrumental „Hindsight“, wirklich ein Erlebnis und das Beste, was die Band machen konnte. Es macht wirklich keinen Sinn, diese zehn Songs auseinanderzureißen, live kommt die ganze Chose sogar noch intensiver rüber als auf Konserve, vor allem die Highlights des Albums „Summernight Horizon“, „Angels Walk Among Us“ und „A Simple Mistake“. Pünktlich zum neuen Album war auch Lee Douglas mit auf der Bühne, die inzwischen als vollwertiges Bandmitglied geführt wird, und eigentlich das Beste ist, was ANATHEMA passieren konnte. Zwar stand Lee nur bei einigen Songs recht unscheinbar am linken Rand der Bühne, aber ihre Backing Vocals bereichern den Sound ungemein. Mit dem etwas merkwürdigen „Get Off, Get Out“ und dem zu langen „Hindsight“ werde ich auch nach dem Livegenuss nach wie vor nicht ganz warm, aber egal, alleine diese eine Stunde rechtfertigte den Besuch dieses Konzertes und im dritten Teil der Show sollte es sogar noch besser werden.

Nach einer kurzen Pause kehrten ANATHEMA mit einigen Highlights aus der jüngeren Vergangenheit zurück, genauer gesagt zuerst einmal nur Danny Cavanagh, der „Are You There?“ rein akustisch in der „Hindsight“ Version präsentierte. Die perfekte Einleitung für die magischsten fünf Minuten des Abends, die nun folgen sollten, als Lee Douglas ihren Auftritt bekam. „A Natural Disater“, der Song, auf den ich lange warten musste, bis ich ihn endlich live erleben durfte, der Song, der wie kaum ein anderer für eine solche Gänsehaut sorgen kann, ein Song, den man gerne auf seiner eigenen Beerdigung hören würde.

live_20101011_0302Da muss man erst mal wieder zur Besinnung und in die Realität zurück kommen und „Flying“ eignete sich dazu perfekt, zu dessen sich wiederholendem Gitarrenriff die einzelnen Musiker nacheinander erneut die Bühne verließen. Leider war anschließend nur noch Zeit für einen weiteren Song (Saarbrücken halt) und wer genau aufgepasst hat, wird festgestellt haben, dass DER Song von ANATHEMA noch fehlt und somit setzte „Fragile Dreams“ den Schlusspunkt unter einen nahezu perfekten Konzertabend, der in einer etwas intimeren Atmosphäre als in der viel zu großen und hohen Garage noch intensiver gewesen wäre.

Einige Unverbesserliche werden jetzt sicherlich rummeckern, dass aus der Pre-„Alternative 4“-Ära kein einziger Song zum Zuge kam, aber was hätten ANATHEMA weg lassen sollen? Bei anderen Tourstationen wurde auch „Sleepless“ oder „A Dying Wish“ gespielt, aber aufgrund der bekannten zeitlichen Restriktionen in Saarbrücken war für solche Extras kein Platz mehr. (Maik)

Hier auch noch ein paar Worte von mir zu ANATHEMA: Was die Briten an diesem Abend boten, sucht tatsächlich seinesgleichen - die Überraschung, das aktuelle Album am Stück UND dieses dabei so perfekt zu spielen war einfach nur oberste Klasse! Die Kosaken-Einlage am Ende der Zugabe war ebenso amüsant, aber dies nur nebenbei.
Ich werde das Konzert  in Karlsruhe ebenso besuchen und bin mir sicher, dass der Abend in der Garage allenfalls wegen LONG DISTANCE CALLING als Opener getoppt werden kann - denn in Saarbrücken waren ANATHEMA einfach nur perfekt! Eine ganz besondere Band auf dem bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens! (Brix)

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