Eine der aufregendsten Bands des bald zu Ende gehenden Jahrzehnts sind sicherlich die Polen von RIVERSIDE. Anfangs einer der Geheimtipps der progressiven Szene machte man bald mit einer sehr ambitionierten Debüt-Trilogie von sich reden. Als Ritterschlag durfte man dann vor zweieinhalb Jahren DREAM THEATER auf Tour begleiten, was dem Namen weit reichendere Verbreitung einbrachte.
Mit dem aktuellen Werk „Anno Domini High Definition“ orientierte man sich musikalisch etwas neu, gab rockigeren und härteren Klängen den Vorzug vor dem gewohnten Artrock. Nun galt es das Album auch live vorzustellen, um zu sehen wie die Fans die neue Richtung aufgenommen haben. Wie man es von Prog-Formationen gewohnt ist machte man natürlich Station im Aschaffenburger Colos-Saal, dieses Mal im Rahmen des 12. Eclipsed-Festivals. Als Unterstützung waren an dem Abend die niederländischen Neo-Proggies von KNIGHT AREA dabei, welche mit ihrem aktuellen Album ähnliches vor hatten wie die Headliner.

Knight Area:
Ein Markenzeichen des Eclipsed Festivals ist es seit jeher, mehr auf Klasse, statt auf Masse zu setzen, und so sollte es auch an diesem Abend sein. Mit den holländischen Brit-Proggern von KNIGHT AREA, manche werden sich jetzt fragen, Holland und britischer Prog, wie mag das zusammen passen, gab es gerade einmal eine einzige Supportband für den später auftrumpfenden Headliner RIVERSIDE. Wobei bei einer Spielzeit von 75 Minuten der Begriff Support eine neue Bedeutung erhält, in einer Zeit, in der Konzerte immer kürzer werden.
Egal, pünktlich um 19:45 betraten die fünf KNIGHT AREA Musiker die Bühne, und legten wenig überraschend mit dem Opener des aktuellen Albums „Realm Of Shadows“ los. Auf „Ethereal“ folgte „Antagony“ und bereits da konnte man sich denken, dass KNIGHT AREA an diesem Abend etwas Besonderes vorhatten, man spielte das erst kürzlich erschienene dritte Album „Realm Of Sadows“ in seiner Gesamtheit von A-Z. Eine sehr mutige Entscheidung, mit der man mir einen großen Gefallen getan hat, ist doch „Realm Of Shadows“ mit seiner Mischung aus ARENA's Bombast, IQ's Theatralik und PENDRAGON's Härte ein wirklich schönes Werk geworden, das auf der heimischen Couch wunderbar funktioniert.

Live sieht das Ganze dafür schon etwas anders aus, nicht alle der 9 (zum Teil auch sehr ruhig gehaltenen) „Realm Of Shadows“ Songs sind für die Bühne geeignet; vor allem das instrumentale Doppel „Momentum“ und „Awakening“ hätte man sich getrost sparen können. So verwunderte es nicht, dass die Reaktionen von Seiten des Aschaffenburger Publikums (inklusive diverser Zugereiste) zwar anerkennend, aber nicht überschwänglich waren.
Irgendetwas fehlte einfach, und mein schreibender Kollege hatte schnell des Rätsels Lösung parat: die Persönlichkeit, das Außergewöhnliche. Irgendwie sind KNIGHT AREA nett, sie haben schöne Melodien und Harmonien, mehr aber auch nicht. Sänger und Teilzeitkeyboarder Mark Smit versuchte es wenigstens noch mit etwas Theatralik (inklusive Klamottenwechsel von weiß zu schwarz), stieß mit seinen immer gleichen Gesten aber schnell an seine Grenzen.
Der Rest des Fünfers konzentrierte sich ausschließlich auf sein eigenes Spiel, besonders erwähnenswert Gitarrist Mark Vermeule, von Kommunikation oder gar Bewegung keine Spur, wobei ich zugute halten muss, dass es für KNIGHT AREA definitiv an Platz mangelte (RIVERSIDE sei Dank).

Na ja, und diese komischen Mützen der Rhythmusabteilung da gingen schon mal gar nicht. Insgesamt ein solider Gig, der untermauerte, dass die Niederländer hörenswerte Kompositionen haben, das Großartige, das Fesselnde, das intensive Live-Erlebnis sollte aber den Polen vorbehalten werden. Wenigstens bei den beiden Zugaben (u.a. „Mastermind“ vom 2007er „Under A New Sign“ Album) ging die Menge besser mit, logisch, es waren die rockigsten Songs des KNIGHT AREA Sets. (Maik)

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Riverside:

Als das Licht ausging hob sich die Stimmung schon, der Hauptact verbeugte sich gleich beim Reinkommen für den warmen Empfang. Mit einem alternativen, härteren Intro stieg man in die Single vom letzten Album ein, bevor man die angekündigten Longtracks in Angriff nahm. Auch beim Titelsong des zweiten Drehers hatte man ein paar Zeilen aus „Out Of Myself“ zugefügt, man bereitete das Publikum schonend auf die weiteren Veränderungen vor.
Frontmann und Bassist Mariusz Duda konnte mit charmant-witzigen Ansagen punkten, zerlegte dabei gleich ein paar abgedroschene Klischees. Dies tat er mit seiner unglaublich bescheidenen Art, die ihn so sympathisch erscheinen lässt, seinen Aufforderungen zu Singalongs folgte man gerne.
Dazu war dann bei „In Two Minds“ am besten Gelegenheit, ein bisher nur selten gespielter Song, bei dem Duda die Akustische auspackte, was gut ankam und die Stimmung schon früh auf eine hohes Niveau brachte. Auch sonst wurde mal wieder das erste Album bedacht, welches doch etwas zu kurz kam auf der letzen Tour. Das neue Album hingegen sollte an dem Abend in seiner vollen Länge vorgestellt werden und auf die Reaktionen konnte man gespannt sein.

Kurz wurden die Instrumente gewechselt, dann stiegen RIVERSIDE beim Intro des neuen Werkes in die anschließenden Staccatos ein. Und plötzlich war die Band wie ausgewechselt, die Energie des neuen Albums strahlte erst auf der Bühne so richtig aus. Es gab schon einige kritische Stimmen über „Anno Domini High Definition“, doch die waren wie weg geblasen, selten gewannen Songs so in der Live-Situation.
Die Vier schienen förmlich zu explodieren, ein Piotr Grudzinski kann sich mit einem Mal bewegen, der Basser hebt bei einigen Breaks die Faust, während Michal Lapaj sich wie ein Derwisch auf seinen Keys austobt. Es scheint fast so, als wären die Fesseln des Trilogiekonzepts doch sehr eng gewesen und die Vier sind froh diese endlich abschütteln zu können.

Man merkte ihnen an wie viel Spaß sie mit ihren neuen Songs hatten, wie sehr sie von der Kraft zehrten, die sie entwickeln. Man ist jetzt an dem Punkt angekommen wo der Begriff Rockband auch zutreffend ist, während früher eher konzentriertes Schweben vorherrschte. Doch bei aller neu gewonnener Härte schaffen die Polen das Kunststück ihre Magie nicht zu verlieren, die hypnotischen Elemente und die traumhaften Harmonien sind weiterhin vorhanden.
Unglaublich wie sich Grudzinski und Lapaj die Riffs und die Hammondflächen gegenseitig zuspielten, wie alles zu einem großen Ganzen wurde. Das geht auch tief hinein in die Siebziger mit ihrer damals vorherrschenden Experimentierfreude. Als ich diese Truppe 2006 zum ersten Mal auf dem ArrowRock in Holland einen Tag nach DEEP PURPLE sah, hätte ich nicht gedacht, dass sie es sind, welche das britische Flagschiff auf das Altenteil schieben.

Das Publikum ging voll mit, ließ sich von der Power anstecken, da kreisten hier und da die Haare und die Reaktionen wurden von Lied zu Lied lauter. Als hätten die Musiker gemerkt, dass man sie so schnell nicht von der Bühne lässt, verabschiedeten sie sich zuerst einmal wortlos nach dem letzten Akkord.
Um dann mit einer weiteren Überraschung zurück zu kehren, denn Songs von der „Voices In My Head EP“ wurden bislang selten gespielt. Und auch nach dem anschließenden „Reality Dream“, 100 Minuten, sowie der Bandvorstellung hatten die mehr als 500 Zahlenden nicht genug.

Wer nun allerdings mit dem obligatorischen „Curtain Falls“ gerechnet hat, der sah sich abermals getäuscht, gerade für Progressivebands ist es wichtig ihr Publikum zu überraschen. Als Rausschmeißer hatte man dieses Mal den Titelsong des letzten Albums gewählt, welcher nur auf der Bonus-Edition zu finden ist. Diese dürften aber alle geneigten RIVERSIDE-Fans besitzen, einige unrühmliche Ausnahmen gibt es sicher auch. Ich hätte nie gedacht, dass diese fast viertelstündige Nummer live zu reproduzieren ist.
Eine Orgie aus Sequenzern Berliner Schule und floydigen Gitarren, die sich auf einem Thema basierend immer mehr steigert, um am Ende die Spannung wieder aufzulösen, großartig. Und hätte der Roadie nicht drum gebeten, die Musik einzuspielen, würden jetzt noch einige eine Zugabe verlangen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte das Auftreten der Vier nach dem Konzert. Bereitwillig gaben sie Autogramme, waren besorgt darum, dass auch jeder Fan sein Signaturquartett voll bekommt und unterhielten sich noch lange mit ihnen. Eine unglaubliche und auch ehrliche Fannähe, sehr nette Gesprächspartner, total auf dem Boden geblieben, die sogar ihr Bier mit einem teilten. Ich weiß nicht, ob RIVERSIDE die beste Band der 2000er Jahre sind, wie schon jemand behauptet hat, lasst uns da mit ein paar Jahren Abstand drüber reden, die liebenswerteste ist sie auf alle Fälle. (Pfälzer)

Setlist RIVERSIDE:
O2 Panic Room
Second Life Syndrome
The Same River
In Two Minds
Hyperactive
Driven To Destruction
Egoist Hedonist
Left Out
Hybrid Times
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Stuck Between
Reality Dream
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Rapid Eye Movement

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Einen besonderen Dank an Vicky Kuszpa von Pirate Smile und den Tourmanager Rob Palmen.


Alle Photos vom Maik, weiter Photos in unserer Galerie.

 

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