The Hives + Bratakus (11.10.2023, Luxemburg)

TheHives Lux

Nach neun Jahren Pause haben sich THE HIVES dieses Jahr mit einem überwältigen Album zurückgemeldet. Live konnte ich die Jungs noch nie erleben, und mit einem derart starken Album im Rücken musste ich das endlich in Angriff nehmen. Also packte ich mittwochs meine Siebensachen und machte mich auf den Weg nach Luxemburg.

 

 

 

 

 

BRATAKUS

Eine Punkrock-Band, die aus zwei Damen und einem Drumcomputer besteht? Im Vorprogramm von THE HIVES? Funktioniert sowas? Auf jeden Fall! Besonders zum Aufwärmen. Die beiden Schottinnen kommen beim Publikum sehr gut an und sind sehr sympathisch, auch wenn die Bühnenperformance etwas mäßig daher kommt. Was man bei einem Duo aber auch auf die begrenzten Mittel zurückführen muss.

Der Drum-Computer ist zunächst zwar etwas befremdlich, stört aber bei den kurzen prägnanten Punkrock-Songs eher weniger. Dennoch würde ein echtes Schlagzeug sicherlich noch etwas mehr Druck erzeugen.

Musikalisch bieten BRATAKUS wilden und rotzigen Punkrock. Sängerin Breagha erklärt vor vielen der Songs auf charmante Art und Weise kurz den Hintergrund zum Text. Gesanglich wird sie von Bassistin Onnagh in einigen Teilen der Songs unterstützt, was sehr gut passt und schön punkig und laut daher kommt.

Nach 30 Minuten sind BRATAKUS fertig und haben das Atelier vermutlich von 35°C auf locker 45°C (wow) aufgeheizt. Anheizer trifft es hier also perfekt und die Temperaturen werden an diesem Abend im weiteren Verlauf keineswegs fallen.

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THE HIVES

Bereits bei den ersten drei Songs im Fotograben wurde mir schlagartig bewusst, dass dieses Konzert legendär werden würde. Noch nie wurde ich vom Sänger während den ersten drei Nummern mit dem Mikrokabel ausgepeitscht. Ab der ersten Sekunde von “Bogus Operandi” kennen THE HIVES nur das Motto “Vollgas!”. Vorboten dazu machen sich bereits beim Intro breit, hier ist die Bühne komplett im Dunklen gelassen und die Spannung im Raum steigt ins Unermessliche. Die dramatische Inszenierung lässt das Eingangsriff des Openers “Bogus Operandi” noch drastischer durch Mark und Bein der anwesenden Fans gehen. Und die Energie, welche THE HIVES von der Bühne ausstrahlen, überträgt sich 1:1 auf das Publikum. Auch hier gibt es nun kein Halten mehr und auch die Temperaturen steigen weiter und weiter.

Sänger Pelle Almqvist hält sich über das gesamte Konzert zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form zurück. Bereits beim Opener springt er auf die Barrikade, geht auf maximale Tuchfühlung mit dem Publikum, begibt sich breitbeinig über den Fotograben (das erwähnte Auspeitschen) und reißt einen umgehend aus dem Alltag. Seine Ansagen sind mehr als gelungen und treiben den Spaßfaktor des Konzerts in ungeahnte Höhen. Ich bin ganz ehrlich, ich habe das weder erwartet noch jemals zuvor in derartiger Form erlebt - unfassbar. “Which Song Do You Wanna Hear Next?!” - Publikum ruft durcheinander Songs - “Wow, Exactly That One We Are Going To Play.” Und das ist nur ein Beispiel von vielen.



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Die Band arbeitet sich durch ihr Set und dabei folgt ein Gassenhauer dem nächsten. Insgesamt fünfzehn Songs präsentieren THE HIVES ihren Fans. Dabei stammen allein sechs Songs vom neuen Album und das zurecht. Nach neun Jahren Pause wollen es die Jungs scheinbar noch einmal wissen, und das neue Songmaterial überzeugt auch live auf ganzer Linie. Selten konnte ich bisher erleben, dass neue wie alte Songs einer Band derart gefeiert werden. Doch die Erklärung dafür ist simpel: THE HIVES sind eine grandiose Liveband, und im Grunde frisst man ihr als Zuschauer direkt aus der Hand.

Dabei sieht man jedem in der Band deutlich an, dass er voll in seinem Element ist. Ich erinnerte mich während des Konzerts kurzzeitig an die Aussagen vieler großer Musiker auf die Frage, welches Konzert ihr Leben verändert hätte. Die Schwärmerei, die jene für THE WHO, THE BEATLES und Co damals hatten, genau diese fühlte ich irgendwie in diesem Raum. Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, aber man fühlt sich einfach völlig losgelöst von allem und kann nicht fassen, was da gerade passiert. Die überschaubare Größe des Ateliers verstärkt dieses Gefühl umso mehr. Natürlich trägt Pelle als Frontmann sehr viel dazu bei, dass man als Zuschauer das Gefühl bekommt, mit der Band zu einer Masse zu verschmelzen. Das ist die Essenz des Rock'n'Roll, das muss sie sein, das ist das, wovon immer alle sprechen, was man selbst aber nur selten erlebt. Und damit meine ich nicht all die guten “Shows” von vielen der übergroßen Bands, ich meine damit ein Konzert. Ein Konzert und keine Show, nichts anderes spielen THE HIVES an diesem Abend, ein Konzert. Das, was ich hier sehe und höre, ist einfach echt.

Oder wer kennt heutzutage noch einen Frontmann einer vergleichbar großen Band, der sich zum Stagediven auf das Publikum wirft? Der bei der Zugabe den einzigen Circle-Pit im Raum für sich beansprucht, anschließend die Leute warnt, ihn zu zu verletzen, nur um sie dann dazu aufzufordern, sich hinzusetzen, eine schöne Geschichte erzählt und anschließend direkt zu 100% Rock ’n’ Roll zurückkehrt und das Konzert zum Abschluss bringt. Die Auswahl dürfte sehr klein sein, noch dazu gelingt es der Band, die relativ kurze Spielzeit von 70 Minuten komplett vergessen zu machen. So viel Energie und Schweiß wie hier fließt, könnte man selbst auch kaum länger im Publikum aushalten. Die stets spontanen und auf das Publikum eingehenden, lustigen Sprüche von Pelle werden mir noch lange im Ohr bleiben, und ich fühle mich auch noch Tage nach dem Konzert völlig mitgerissen. Als hätte mich THE HIVES überraschend irgendwo aufgegriffen, mich mit ihrem Garagen-Rock auf Mach3 für eine Stunde beschleunigt und mich wieder gehen lassen.

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Um ehrlich zu sein hätte ich ein Konzert in dieser Form an diesem Abend nicht erwartet. Natürlich bekommt man häufig davon erzählt, dass eine Band live sehr gut sei und man diese unbedingt sehen müsse, aber das, was an diesem Abend im Atelier über die Bühne ging, sucht seinesgleichen. Ohne zu übertreiben zählt dieses Konzert zu meinen Top 5 aller Zeiten und ich denke, dass ich inzwischen an einem Punkt in meinem Leben bin, an dem ich das durchaus beurteilen kann. Über Geschmack lässt sich in der Regel streiten, aber über die Energie und den Elan, den THE HIVES an diesem Abend auf die Bühne bringen, nicht. Das ist ein extrem großes Kino, das sich niemand entgehen lassen sollte. Ladies! Gentlemen! Ladies & Gentlemen (Anm. d. Red.: Anspielung auf die Publikums-Ansagen von Sänger Pelle) , ich war auf einem echten Konzert. THE HIVES live im Atelier in Luxemburg. Wer die Möglichkeit hat, die Band live zu erleben, sollte unbedingt hingehen. (Pascal)

Setlist THE HIVES:

Funeral March (Intro)
Bogus Operandi
Main Offender
Walk Idiot Walk
Rigor Mortis Radio
Good Samaritan
Go Right Ahead
Stick Up
Hate to Say I Told You So
Trapdoor Solution
I'm Alive
Smoke & Mirrors
See Through Head
Countdown to Shutdown

Come On!
Tick Tick Boom

(Fotos: Pascal)

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