Broilers + Gäste (27, August 2022, Losheim am See)

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Ein schöner Samstagnachmittag im Spätsommer. Aktuell haben sich erst wenige Menschen am Losheimer Stausee eingefunden, weshalb genug Zeit bleibt, um eine Runde drumherum zu drehen. Richtig nett hier und das Wetter ist auch perfekt: Trocken, mit angenehmen Temperaturen. Von der anderen Seite des Sees sehe ich die Bühne und frage mich wo da eigentlich einige Tausend Menschen Platz finden sollen. Währenddesssen steigt die Vorfreude: Fünf Jahre ist es schon her, dass mein Kollege Alex und ich das letzte Mal zusammen von einem BROILERS Konzert berichtet haben. Zusammen holen wir uns unsere Pressebändchen bzw. -karten und schon gehts rein ins Getümmel.

Die Orga wirkt ein bisschen chaotisch, die Secus am Einlass sind zum Teil nicht gut eingewiesen, aber alle sind sehr nett und kümmern sich sofort darum, die notwendigen Informationen einzuholen. Die Preise für die Verköstigung sind auch nicht ohne mit beispielsweise 3,50 Euro für ein überbackenes Käsebrötchen. Dagegen ist das Bier für 4,50 Euro fast ein Schnäppchen - und wird auch ordentlich nachgefragt.

Langsam füllt es sich auch und am Ende passen tatsächlich 13.000 Menschen auf das beschauliche Stück Land. Am Vorabend bei PUR sollen es sogar noch 5.000 mehr gewesen sein.

CASINO BLACKOUT

Los geht es schließlich mit der Band CASINO BLACKOUT. Von denen hatte ich vorher noch nie was gehört und wirklich vom Hocker reißen sie mich ehrlicherweise auch nicht. Die vier Jungs aus Süddeutschland gehen zwar grundsätzlich gut nach vorne, sind mir persönlich aber einfach nicht rotzig genug. Das ganze Konzert überlege ich, an welche Band aus meiner Teenager-Zeit sie mich erinnern. Ich komme aber bis heute einfach nicht drauf. Irgendetwas zwischen den DONOTS und SPORTFREUNDE STILLER vermutlich. 

Immerhin gelingt es dem Quartett, welches im vergangenen Jahr mit „Hinterhof Poesie“ bereits das dritte Album veröffentlicht hat, mit Pop-Punk und gesellschaftskritischen Texten zumindest einen Teil des Publikums anzuheizen. Auf jeden Fall sieht man der Band auch an, dass sie viel Spaß damit hat, ihre Songs wie "Im Dreck", "Wir gegen uns" oder "Für mch nicht" unters Volk zu bringen.  Und so wird auch die Gelegenheit zu einem Bad in der Menge von Bassist Jan sehr gerne in Anspruch genommen.  

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THEES UHLMANN

Als zweiter Support-Act steht THEES UHLMANN mit seiner Band auf der Bühne. Ich fühle mich nicht wirklich in der Lage die Performance zu bewerten, weil ich leider so überhaupt nicht auf die Musik aus dem Stall von Grand Hotel von Cleef stehe. No offence, Geschmäcker sind einfach verschieden und das ist auch gut so. In den letzten 20 Jahren konnte ich es erfolgreich vermeiden, mich auf einem Konzert mit einem dieser Acts wiederzufinden. Auch wenn ich mich redlich bemüht habe dem Ganzen eine Chance zu geben, merke ich, wie meine Gedanken immer wieder woanders sind und ich mich schrecklich gelangweilt fühle. Der großen Mehrheit des Publikums scheint es nicht anders zu gehen und selbst jene, die bei CASINO BLACKOUT noch gut mitgingen, scheinen nicht allzu begeistert.

Ich glaube man kann es der Combo nicht wirklich anlasten, sie wirkt vom Stil hier einfach völlig deplatziert und verloren. Auch wenn er zur Einleitung von "Das Mädchen von Kasse 2" eine seiner Geschichtchen zum Besten gibt, fühlte ich mich nicht gut unterhalten. Ein bisschen aus den Gedanken gerissen werde ich immerhin, als Uhlmannn vor dem Lied "Avicii" eine Ansage zum Thema Suizide macht. Gegen Ende wird natürlich auch noch mal ein TOMTE Song ("Endlich einmal") zum Besten gegeben. Insgesamt plätschert der Auftritt aber irgendwie zäh vor sich hin und das Publikum tankt in der Zwischenzeit ordentlich an Bier nach … 

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BROILERS

Um kurz vor neun geht es dann endlich mit der Hauptband los. Während des Bühnenaufbaus wird die Bühne mit einem großen Banner mit der Aufschrift „Keiner wird zurückgelassen“ verdeckt. Die altbekannten Intros zu „Gotta Go“ und „If the Kids are United“ schallen über das Open-Air-Gelände und der Blick von unserem Platz an der Seite hinter den Vorgang offenbart die letzten Stretching-Übungen der Truppe aus dem Ruhrgebiet. Der Jubel ist schließlich groß, als das Banner fällt und es „Zurück zum Beton“ geht.  Quasi von der ersten Minute an, wird seitens des Publikums dem Stagedriving gefrönt. „Gib das Schiff nicht auf!“ ist die Losung, die Frontmann Sammy Amara anschließend ausgibt - der Song ist mein absoluter Favorit vom aktuellen Album „Puro Amor“ und macht live entsprechend große Freude.

Vor der obligatorischen Frage „Tanzt du noch einmal mit mir?“, gibts mit „Meine Familie“ zunächst noch einen Einblick in das ehrenlose Haus mit den feuchten Kellern, den verlausten Kindern und den Leichen unterm Dach, bevor „Paul der Hooligan“ den Musikblock zum Einstieg abschließt. Sammy in seinen schneeweißen Doc Martens meint Herzchenaugen in den Gesichtern seines Losheimer Publikums auszumachen - und was sollte da jetzt besser passen, als mit „Scherverliebter Hooligan“ fortzusetzen und zu fragen „Wo es hingeht“. Zunächst mal gibt es ein Schwelgen in Erinnerungen an „Die Beste aller Zeiten“ und die ambivalente Zeit des Aufwachsens.

Die Herzchenaugen werden umso weiter bei der Ankündigung, dass die Band aktuell ein neues Livealbum aufzeichnet, sind doch die „Santa Muerte Live Tapes“ bereits sage und schreibe 20 Jahre alt. Wahrlich Zeit mal wieder aufs Neue die Live-Atmosphäre einzufangen - und das Losheimer Publikum zeigt sich engagiert um am Ende mit dabei zu sein. Interessant wird es beim Ergebnis sicher sein, die Präsentation des ein oder anderen Liedes über den Verlauf der Zeit zu vergleichen.

Beim Abfeiern der Band werden keine Gefangenen gemacht, das Stagediving wird noch einmal intensiviert, ein „Harter Weg“ eben so ein Konzert. Das Erste-Hilfe-Team bekommt nun leider nicht zum einzigen Mal an diesem Abend Arbeit, als eine am ganzen Körper zuckende junge Frau von den Secus aus der Menge gezogen und an uns vorbeigetragen wird. Kein schöner Anblick und drückt ein wenig die Stimmung. Ich weiß nicht, ob es an der völlig entspannten Stimmung auf dem Sweden Rock liegt, die bei mir in der Erinnerung noch stark nachwirkt, aber mir kommt es an diesem Abend besonders ruppig vor. Ich gehöre sicher nicht zu den zartbesaiteten Personen und hab mir bei Konzerten schon viele blaue Flecken und Blessuren zugezogen, aber eine ausgesprochen rücksichtsvolle Atmosphäre scheint mir hier nicht zu herrschen. Und es sollen im Verlauf des Konzerts noch so einige zuckende Körper an uns vorbeigetragen werden.

Die Band scheint von all dem nichts mitzubekommen und so spuckt Samy auch schon sein „Bitteres Manifest“, bevor nach Ines Sicherheitsdurchsage der „Held in unserer Mitte“ gekürzt wird. Bzw. drei Heldinnen, um die sich nun die legendären Circle Pits schlängeln. Anschließend erfahren die 13.000 von der früheren Stammkneipe des Quintetts in Hellerhof, in der eine Gruppe älterer Herren sich die ein oder andere Sonne soff und sich im innersten wünschte: „Trink mich doch schön“!  Wir lernen, dass hier die zahlreichen Striche auf dem Deckel gemeint sind, die zusammen eine Sonne bilden.  Zeit für eine kleine Verschnaufpause und ein paar Emotionen als bei „Ihr da oben“ von den Fans eingesandte Bilder von Verflossenen über die Leinwand flimmern und unzählige Handylichter gen Himmel strahlen (und natürlich das ein oder andere Äuglein feucht glitzert), bevor „Nach Hause Kommen / Zurück zu Mir“ erklingt. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass sich jemand bei der Zusammenstellung der Setlist einige Gedanken gemacht hat.

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Nach der Zeitreise ins Jahr 2004 mit dem Titeltrack des seinerzeit erschienen Albums „Lofi“ geht es in „80 Tagen um die Welt“. Nicht jedoch ohne zwischenzeitlich den Bläsern ihr Tribut gezollt zu haben. Sammy zeigt sich dankbar für die Tour, deren zumindest deutscher Abschluss hier im Saarland über die Bühne geht. Immerhin musste nicht nur dieses Konzert ganze zwei Mal verlegt werden. Wie viel Zeit vergangen ist seit dem Wiedersehen zeigt sich auch an Profanitäten wie dem Bart von Drummer Andi Brügge, mit dem er kaum wieder zu erkennen ist. Nach einer Einladung zum Jahreshöhepunkt in Düsseldorf  („Wenn wir etwas zusammenrücken bekommen wir euch bestimmt auch noch unter“) stellt sich die Frage „Wie weit wir gehen“.

Die Band möchte es nicht versäumen, den vielen Menschen in der Veranstaltungsbranche zu danken, die zwei verdammt schwere Jahre hinter sich haben und deren Leidenszeit wie wir wissen, noch lange nicht vorbei ist (siehe auch die sehr gute Analyse vom Colos Saal in Aschaffenburg, die ein sehr düsteres Bild zeichnet). „Alles wird wieder OK!“ - Dieser Zukunftsprognose schließen wir uns mal zweifelnd, aber mit Berufsoptimisten-Ethos an. Nach dem SLIME-Cover „Zusammen“ kommt es zu einer Reminiszenz an die frühen Zeiten der Band. Ich stelle fest, dass die über das Gelände schallenden Oi!-Rufe im Kombination mit diesem Publikum einfach merkwürdig wirken. Es ist nachvollziehbar, nicht vergessen zu wollen woher man kommt, aber es erscheint leider ähnlich deplatziert wie THEES UHLMANN im Vorprogramm. An dieser Stelle vielleicht auch die Feststellung, dass die Band bei aller guten Performance doch einiges an Druck nach vorne verloren zu haben scheint. Die zwei Jahre Zwangspause haben vielleicht ihre Spuren hinterlassen. Die Fans sind allerdings in merklich guter Stimmung und starten jetzt erst mal eine große Ruderperformance im Publikum. Sammy zeigt sich sichtlich in Sorge um das Wohlergehen seiner Gäste, steht doch mit „33 Bpm“ jetzt ein echter Stimmungsmacher auf der Agenda.

Nach ca. 80 Minuten geht es an die erste Zugabe, die mit „Ist da Jemand“ bedächtig eingeläutet wird, bevor es bei „Ruby Light and Dark“ wieder richtig zur Sache geht und die Security-Truppe wieder ganz schön ins Schwitzen kommt. Natürlich kommen auch die politischen Bekenntnisse nicht zu kurz und so schallen nach „Alice und Sarah“ minutenlange „Nazis Raus“-Rufe über den Platz. Gegen die Botschaft habe ich persönlich gar nichts, hatte aber gehofft der Song bliebe mir mit seinen peinlichen Lyrics (sorry BROILERS!) bei diesem Live-Erlebnis erspart. Aber egal, schließlich folgt direkt im Anschluss gleich die Wiedergutmachtung mit „Nur Nach Vorne Gehen“, bei dem - natürlich! - auch wieder Fackeln in Einsatz gebracht werden.

„Nicht alles endet irgendwann“ leitet die zweite Zugabe ein. Absolut wahr, Fotokollege Alex und ich beschließen jedoch dennoch, zumindest diesen weitgehend kurzweiligen Abend jetzt für uns zu beenden. Der Tag war für uns beide lang und ich habe zudem immerhin noch zwei Stunden Rückfahrt durch gefühlt ALLE kleinen Dörfer des Saarlands vor mir. Das macht jedoch gar nichts, denn auf dem langen Fußmarsch zum "entferntestmöglichen" Parkplatz kann ich mich doch noch an den Klängen zu „Meine Sache“ und der „Blume“ erfreuen. (Manu)

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(Fotos: Alex)

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