Walter Trout (09.09.2021, Bensheim)

waltertrout tourflyerTouren sind derzeit ein schwieriges Unterfangen und jeder Künstler überlegt es sich dreimal, bevor er loszieht. Auf der anderen Seite ist zuhause sitzen auch keine Alternative. Zumindest nicht für den alten Blues-Haudegen, der sich auch von Konzertausfällen zwischendurch nicht aufhalten lässt. So war es letzten Endes das Musiktheater REX in Bensheim, wo NECKBREAKER ein Konzert von WALTER TROUT besuchen konnte. Der Mann ist dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen und hat keine Zeit mehr zu vergeuden, also setzte er alsbald möglich aus den Staaten über, um in Europa mitzunehmen was möglich ist. So viel Enthusiasmus muss sich dann letzten Endes auch auf die Show auswirken.

Die stand natürlich unter ein paar Auflagen, wobei man schon von einigermaßen regulären Verhältnissen sprechen konnte. Es war ein gewisses Zuschauerkontingent zugelassen, wobei die Ungeimpften nur einen kleinen Teil ausmachen durften. Ganz vorne waren Sitzbänke, damit ein enges Stehen dort direkt verhindert wird, der Rest der Fläche war mit Stehtischen versehen, zwischen denen aber auch kleine Grüppchen auf Abstand stehen konnten. Maske war nur auf dem Weg zum Platz nötig, so dass dem Konzertgenuss nichts im Wege stand.

Und Genuss war an dem Abend ganz groß geschrieben, denn wenn man so lange auf etwas warten muss, dann intensiviert sich natürlich alles, und das galt vor allem für die Performance von Mister Trout und seinen Mitstreitern. Schon direkt beim ersten Riff war ein Willen, eine Energie zu spüren, der Mann hielt sein Arbeitsgerät lässig in der Hand, die Töne kamen aber mit einer Vehemenz, die sofort begeisterte. Mit seinen drei Kollegen starte er deftig in einen Titel seiner frühen Solkarriere, wobei sich die Zahl der Leute auf der Bühne öfter ändern sollte.

Das rockte und rauchte an allen Ecken und Enden, ein feiner Boogie-Touch schoss sofort in die Hüften derer die standen, der Drive mit dem dieser dargeboten wurde schob mächtig nach vorne. Ein Einstieg nach Maß, der sofort klar machte, wie sehr die Herren darauf gewartet haben, einfach wieder loslegen zu dürfen, die Spielfreude war unglaublich, der Hunger nach jedem Ton den es zu spielen galt war den Musikern in den Augen abzulesen. Und er war ebenso zu hören, denn auch da gab man noch einen kleinen Punch mehr, legte noch mehr Feuer und Leidenschaft ins Spiel.

Johnny Griparic, ein langer Schlacks hatte immer eine lässig gebeugte Haltung über seinem Langholz, wippte dennoch immer leger über die Bühne Überhaupt war schon das Erscheinungsbild der Truppe sehr cool, da entstand schon beim Betreten der Bretter eine Sympathie. Ein längerer weißer Vollbart und eine Schirmmütze ließen ihn in der Truckerecke verorten, der Rest des Outfit spannte aber den Bogen zum Rockstar. Immer wieder suchte er auch den Kontakt zu dem ersten Reihen und bekam das Grinsen maximal zum Zunge rausstrecken aus dem Gesicht.

Noch schriller war Bob Frizdema hinter seinen Tasten, die roten Locken zusammen gebunden, Sechs-Tage-Bart und diese große blaue Sonnenbrille war nicht zu überbieten. Und so gestaltete sich auch sein Spiel, bei dem er locker über das Piano glitt und die Orgel aufheulen ließ. Dabei waren seine Beiträge deutlich präsenter im Mix als auf den Platten, was einen der wenigen Kritikpunkte von diesen ausmerzte.
Hinten saß dann noch Warren van Emelot an seinem Kit und verfügte über so einen warmen Ton, der die Songs bei aller Power nie zerlegte, sondern immer die Richtige Dosierung auffing. Wunderbar mit anzusehen, wie man so voll Elan, voll Adrenalin war, und dennoch nie überzog, nie einfach nur lärmte, sondern selbst in den rockigsten Passagen immer noch ein großartiges Feingefühl bewies. Da stimmte einfach die Abstimmung und die Dosierung ideal, alles kam auf den Punkt.

 

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Und mittendrin der große, alte Meister, der nie den Zampano gab, sondern immer den Kumpel seiner Jungs. Ein wenig aus der Zeit gefallen ist er schon mit seinem verzierten Hemd, das eher nach Countrymucker aussah. Aber er ist total bei sich, er ist er selbst, pur und authentisch, stolz und unbezwingbar.
Wenn er bei einigen Ansagen herum hampelte und Grimassen schnitt, kam das herrlich perfekt unperfekt rüber, die Zuschauer fühlten sich abgeholt von dieser liebenswert hemdsärmeligen Art. Doch er kann auch anders, einige Geschichten, welche er erzählte hatten einen ernsten Hintergrund und man nahm ihm einfach diese Empathie ab, mit der er tief und besonnen redete.

Das zeigt einfach nur, dass er genau versteht die Dinge genau da zu bringen, wo sie hingehören. Was für seine Haltung gilt, gilt für sein Spiel noch viel mehr. Wunderbar mitanzusehen, wie er darin versinkt, wie er die Töne, die Stimmungen fühlt. Dabei war es nie eine Zurschaustellung seiner Fähigkeiten, das hat er nicht nötig.
Vielmehr gewinnt er durch sein eher unspektakuläres Spiel, welches scheinbar mühelos die schönsten Tonfolgen erklingen lässt. Seine Finger flogen traumwandlerisch sicher über das Griffbrett. Gerade bei seinen Soli, wenn er die Gitarre fast unter das Kinn zog und seinen Vortrag mit typischem Mienenspiel untermauerte.
Und er bezog immer seine Bandkollegen mit ein, schritt jeden ab, um direkt mit ihm zu musizieren. Am liebsten war er drüben beim früheren KING KING-Keyboarder, der schon mit SARI SCHORR und JOANNE SHAW TAYLOR spielte, und mit dem er sich wiederholt Duelle lieferte. Beide konnten jeweils die Vorgabe des anderen auf ihr Instrument übertragen, da kam all die Erfahrung und Klasse zum Vorschein.

Bei einigen Titeln kam auch noch der frühere SLEEZE BEEZ-Sänger Andrew Elt auf die Bühne, der als Tourmanager mitfuhr. Mal an der Rhythmusklampfe, mal am Gesang, oder beides. Hier zeigte sich das tiefe Bandgefüge, in welches er sich mühelos einfügen konnte. Es wurde viel mit Blicken kommuniziert, hier stand eine Band auf der Bühne, die wirklich miteinander spielte. Und die sich gegenseitig immer weiter anstachelte, sich in einen Rausch spielte. Elt und Griparic rockten breitbeinig auf ihrem Flügel, so viel Power und Geschlossenheit übertrug sich auch auf das Publikum.

Jenes schien ebenso gewartet zu haben, wieder von der Kette gelassen zu werden, viel zu lange mussten sie hinter allen anderen zurückstehen. Kein Wunder, dass das Feuer von Beginn an loderte. Schon nach dem ersten Titel wurde es laut, die Kraft der Songs trieb die Zuschauer zu immer mehr Begeisterung an, man schaukelte sich gegenseitig hoch. Die Menge demonstrierten ebenso Geschlossenheit wie die Herren auf der Bühne, Jung und Alt standen einträchtig nebeneinander, immer wieder wurden Blicke aus leuchtenden Augen ausgetauscht.

Dabei forderte die zupackende Herangehensweise auch Opfer in Form von gerissenen Saiten. Bedingtermaßen warf man kurzfristig die Setlist durcheinander und hatte am Ende zu überlegen, was man denn bringen wolle, da die Meute nach über eineinhalb Stunden noch mehr verlangte. Minutenlange Forderungen wurden am Ende erhört und so zelebrierten die Fünf mit ihrer geschlossen Power noch einmal Blues-Klassiker, die einfach immer gehen. Die Performance hatte die Leute längst aus den Sitzen gerissen, die Decke Rex drohte komplett abzuheben.

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WALTER TROUT scheint nach seinen schweren gesundheitlichen Problemen besser denn je zu sein, die Riffs rau und kantig, die Soli weich, die Band supertight eingespielt. Kein Wunder, dass er beim Programm vor allem auf die vier Scheiben nach seiner lebensrettenden OP setzte, die allesamt ihre Klasse besitzen. Das bringt auch Abwechslung mit ein, da viele atmosphärische Stücke zum Zug kamen, in denen er seinen Stratocaster förmlich singen lässt.
Am meisten weinte die Gitarre bei der Ballade von seinem jüngsten Werk „Ordinary Madness“, dem emotionalen Höhepunkt in der Mitte des Sets. Von der US-Blues Foundation zum Lied 2020 gewählt liefert diese Blues in Vollendung. Der Meister geht völlig in deren Darbietung auf und zeigt ihn als den ehrlichen Bluesmann der er immer war. Diese Tiefe sucht ihresgleichen und berührte die Zuschauer weit in ihrem Inneren.
Auch wenn Trout und Co-Komponist Teeny Tucker keine Tränen mehr haben, das Publikum hatte genug davon für sie. Hier wurde Musik gelebt, Musik, die so echt ist, dass man den Schmerz, der sie erschaffen hat, nachvollziehen konnte. Aber das ist das Leben und der Blues bildet es in allen Facetten nach. Doch das Leben hat auch Freude zu bieten, an dem Abend mehr als genug, vor allem war es mal wieder lebendig, weil „live“ von Leben kommt. (Pfälzer)

Setlist WALTER TROUT:
I Can Tell
Life In The Jungle
Careful What You Vote
Wanna Dance
Do You Still See Me At All
We´re All In This Together
All Out Of Tears
Mercy
Ordinary Madness
Playin´ Hideaway
Red Sun
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Bullfrog Blues
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Goin´Down

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Kategorie: Konzerte