Journeye + Juke Box Hero (05.06.2021, Aschaffenburg)

live 20210506 0101 journeyeHatte ich in meinem Artikel zum letzten Konzert im Colos-Saal noch angemahnt eine so lange Durststrecke nicht mehr erleben zu wollen, so sollte alles noch schlimmer kommen. Nachdem es sieben Monate kein Originalkünstler waren, so gab es dieses Mal die selbe Zeit lang überhaupt keine Livemusik. Tragisch dass das Ignorieren genau der Szene und deren zu späte Öffnung zu dem Desaster führte, aber als die Zahlen wieder nach oben gingen war der politische Druck zu groß und es wurde zu spät wieder zugemacht. Das Momentum des Sommers war vorbei, und in dem Jahr laufen wir wieder Gefahr, dass es ebenso ungenutzt verstreicht, weil sich einige zu stolz auf ihren Lockdown sind. So musste das Publikum erst einmal mit zwei Coverbands vorlieb nehmen, aber an dem Abend war ohnehin alles egal, man war froh in einen Raum zu kommen, auf dessen Bühne echte und auch vollzählige Instrumente standen. JOURNEYE & JUKE BOX HERO sollten Titel von JOURNEY und FOREIGNER darbieten, fröhliche Musik genug um die traurigen Gedanken wegzublasen.

Dabei war es schon der dritte Gig im Colos-Saal vor Publikum nach dem dritten Lockdown. Wobei die Aschaffenburger Institution seit ein paar Wochen zweigleisig fährt und ihr Programm auf alle Fälle über die Bühne bringt, ob Zuschauer erlaubt sind oder nicht. So werden alle Gigs gestreamt und wenn möglich Publikum zugelassen. In dem Abend gerade mal 75 Zahlende, wobei die lokale Inzidenz allerdings ein völlig wertloser Gradmesser ist, da die Leute von weiter her anreisen.
Auch der freundlich gemeinte Verzicht auf Testpflicht erwies sich für die Politik als Bumerang, denn die Anwesenden wären lieber freier in ihren Bewegungen gewesen, anstatt zu sitzen, wenn sie dafür einen Test hätten machen müssen. Vor dem Hintergrund der Vorfälle in Magdeburg als sich getestete maskenlose Zuschauer während eines Boxkampfes anscheinend inspiriert sahen, ein weiterer Nackenschlag für die ohnehin gebeutelte Kulturlandschaft.

JOURNEYE
Doch davon ließ sich keiner die Stimmung vermiesen, schon gar nicht wenn JOURNEYE eines der besten Stücke aus dem Fundus der AOR-Heroen hervor kramten. Der Titel aus dem Soundtrack von „Zwei Vom Gleichen Schlag“ sorgte direkt für Jubel und öffnete Türen und Herzen. Von den Reaktionen angestachelt lobte Sänger Arno Menses die Szene und die Location und grüßte die Zuschauer an den Bildschirmen ganz herzlich, die sich aus aller Herren Länder zuschalteten.
Spätestens beim Opener von „Frontiers“ wurde der Colos-Saal aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Zu den stampfenden Staccato kam dieses rhythmische Klatschen, welches man so lange vermisst hatte. Der Takt, die Musik ging komplett auf das Publikum über, und die Begeisterung wurde in die Welt getragen. Was für eine Befreiung, als ob die Fesseln der Seele fallen. Es war auch deutlich zu vernehmen, dass die Fans mitsangen, auch wenn sich das unter der Maske schwierig gestaltet, aber man konnte nicht anders.

Ja, da oben wurde tatsächlich Musik live vor dem Auge dargeboten, man konnte Musikern zuschauen, sehen wie die Songs neu entstehen. Man spürte die Leidenschaft, man spürte den Spaß, den der Sechser auf der Bühne hatte, wo man hinblickte fröhliche Augen, die sich im Laufe des Abends auch mal mit Flüssigkeit füllen sollte. Nie war Mitfühlen so wichtig wie an diesem Samstag. Es gab realen Schlagzeugsound zu hören, eine Wohltat zu einigen jüngeren Studioproduktionen. Der kam von Florian Diedrich und wie es sich gehört, wenn man in einem RUSH-Shirt hinter den Kesseln hockt, gingen ihm die Drumrolls besagter 83er Single leicht von der Hand.

Von jenem Longplayer wurden vier Nummern zum Besten gegeben, während es vom Überwerk „Escape“ lediglich zwei ins Set schafften. Und das obwohl man sich stark an der Tracklist vom 88er „Greatest Hits“ orientierte. Dies ist jedoch auch ein Vorteil von Coverbands, dass nicht immer nur auf Standards gesetzt wird, selbst im kurzen Set, so kam auch eine selten gehörte, frühe Komposition für „Infinity“ zum Zuge. Hier muss ich mal eine Lanze für Coveracts brechen, denn wer soll die Fackel des Erbes der Rockmusik weiter tragen, wenn die alten Helden gefallen sind. Dazu ist das viel zu wichtig, weil die Inspiration bis heute anhält.

So deklarierte der gute Arno den absoluten Gassenhauer auch als Hymne seiner Generation, den tatsächlich jeder nach zwei Tönen des Pianointros erkennt. Mit seiner Ansage, dass er seinerzeit nie der große kommerzielle Erfolg war, wertet er diesen legendären Song noch auf, weil die Zeit den von ihm ausgehenden Emotionen bis heute nichts anhaben konnte. Da bebte der Colos-Saal und die Maskendumpfen Publikumsgesänge drangen bis auf die Straße.
Überhaupt war Menses mal wieder ein Frontmann par excellence, der das Publikum im Griff hatte, und immer wieder forderte. Wie er sich an seinen Mikroständer schmiegt, wie er mitfühlt ist großes Gefühlskino. Und seine Stimme ist ohnehin über alles erhaben, so warm, so melodisch, einfach ein Genuss, was dem Material einen ganz eigenen Glanz verlieh. Ihm zur Seite stand Backgroundsängerin Elena Kippenberger, die vor allem wenn sie zu den Duetten nach vorne kam zeigte, was sie kann.

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In „I´ll Be Alright Without You“ brachte Menses den souligen Touch sehr gut rüber, während Jens Kreft ordentlich in die dicken Saiten griff und kraftvollen Linien ganz i der Art von Randy Jackson darbot. Der Bassist stand oft mit angelegten Armen und einer ebenso engen Beinhaltung da und erinnerte vom Auftreten an Pete Agnew von NAZARETH. Da ließ es René Orfanidis kerniger angehen und kehrte nicht nur optisch den Rockstar heraus.
Vor allem die langen Töne, welche er aus den sechs Saiten zauberte waren großartig, ganz so wie man es vom Original her kennt. Vor allem unglaublich erhebend, so etwas wieder aus der Nähe betrachten zu dürfen. Doch am liebsten rockte Mann oder poste mit seinem Frontmann um die Wette. Da ließ er seine Axt auch mal rauchen, was allerdings auch beim guten Sound Keyboarder Josip Mihaljevic etwas in den Schatten stellte.

Der hatte aber auch seine Spots und schaute die ganze Zeit neugierig hinter seinen Tasten hervor. Die Spielfreude war allen anzusehen, jeder hielt Kontakt zu seinen Mitmusikern, immer wieder gab es kleine Späße. Das kleine Malheur mit dem heraus gerissenen Kabel von Kreft wurde geschickt übergangen, so dass der Leidtragende selbst wieder strahlen konnte. Nach der Hymne spielten JOURNEYE genau die Songfolge wie bei meinem ersten Konzert der Legende 2006 nach langer Europaabstinenz. So erprobt konnte nichts mehr schief gehen und der Colos-Saal schickte einen lautstarken Gruß durch das Netz, dass man immer noch da ist und Livemusik nicht sterben wird.

Setlist JOURNEYE:
Ask The Lonely
Wheel In The Sky
Who´s Crying Now
Seperate Ways
Edge Of The Blade
Send Her My Love
Patiently
Only The Young
Raised On Radio
I´ll Be Alright Without You
Lights
Don´t Stop Believin
AnyWay You Want It
Be Good To Yourself
Faithfully

 

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JUKE BOX HERO
Damit war das Publikum natürlich auf Betriebstemperatur, im Gegensatz zum verhalteneren Feedback bei ANA POPVIC im letzten Herbst herrschte hier schon fast Euphorie. Wer natürlich bei den noch rockigeren Songs still sitzen konnte, dem hat wirklich nichts gefehlt, aber bei so manchem Drumpart wurde das Mobiliar einem Stresstest unterzogen. Beide an dem Abend gewürdigte Bands hat der Autor schon gemeinsam als Package gesehen, das funktionierte auch als Coverpaket.

Eher ungewöhnlich leitete der Opener des Debüts das Konzert ein, der etatmäßige Opener kam erst an zweiter Stelle zum Zug. Schnell zeigte sich, dass JUKE BOX HERO souveräner agierten als JOURNEYE, was die Performance zusätzlich steigerte. Die war sehr gut choreographiert und brachte die ganz großen Posen auf die Bühne, speziell Gitarrist Christoph Moser stand oft vorne, hielt seine Les Paul aufrecht auf das auf den Monitor aufgestellte Bein und ließ seine Finger über das Griffbrett wandern, ohne das er es gesehen hätte.

Das gute alte Rücken an Rücken spielen packten sie noch öfter aus als JOURNEYE, wobei Moser gerne mit Sänger Michèll Benzel agierte. Der verfügt über eine noch souligere Note als Lou Gramm und brachte wie Menses einen eigenen Anstrich in die Lieder hinein. Der stand den Kompositionen außerordentlich gut und die Stimme konnte obendrein der Power der Riffs folgen.
Auch in Sachen Stageacting legte er sich mächtig ins Zeug und stachelte auch immer wieder die Zuschauer an, wobei die Ansagen mehr Rockstarfeeling versprühten. Unterstützt wurde er von Bassist Sebastian Naas und seinem Sechssaiter, welche die herrlich breiten „Aaah“-Chöre punktgenau beisteuerten.

Zum höheren Druck des Materials war auch der Klang noch wuchtiger, wobei vor allem die Tasten des neuen Keyboarders Tobias Pösel präsenter waren. Gerade FOREIGNER hatten einige Stücke, die von schweren Synthesizern leben, die erfüllten auch an dem Abend den Raum wie die erste Single vom 87er „Inside Information“. Während es einige Titel aus der späten Achtzigern gab, wurde „Head Games“ komplett außen vor gelassen.
Überhaupt wurde viel soliert und wie bei den Originalen beim absoluten Übersong am Ende des regulären Sets „Whole Lotta Love“ eingebaut. Den dicken Beat lieferte Ralf Gottlieb, der von hinten mächtig schob und ordentlich in die Felle drosch. Dass er auch filigran kann, bewies er beim Break zum Pianointro des allerersten Hits. Das sorgte für so viel Drive, und dabei zuzuschauen war einfach nur großartig, es war wirklich wahr.

Was sich natürlich viele fragten, wie und ob man die Saxophonparts bringen würde. Dafür kam nach drei Songs Wunderwaffe Gernot Dechert auf die Bühne. Damit der Mann noch präsenter war, hat man in viele Lieder Saxophonparts eingebaut, die so auf Platte nicht zuhören sind, was wiederum das Klangspektrum erweiterte. Aber wer so versiert ins Horn bläst, der muss einfach mehr Spot bekommen, dazu zeigte er sich als guter Showman, der sich ins Stageacting einfügte.

Natürlich ist sein Instrument nur bei einem FOREIGNER-Titel wirklich prominent und der wurde zum ganz großen Höhepunkt der Show. Klangtechnisch war das sogar für die ohnehin guten Colos-Saal-Verhältnisse noch überragend, drückte das Ding irre aus den Boxen und füllte den spärlich besetzten Raum alleine. Unfassbar, wie dieser Groove nach vierzig Jahren immer noch alle platt walzt und bis heute seinesgleichen sucht. Das extra dafür übergeworfene Glitzersakko ließ das Solo noch mehr strahlen.

 

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Da konnte man sich nur schwerlich auf den Sitzen halten, viele entmotteten endlich wieder die gute alte Air Guitar. Am liebsten hätte ich den Tisch vor mir zu den Zeilen „.. he heard one guitar…“ einfach durch die Decke gekickt, man musste doch sehr an sich halten. Die Stimmung war jetzt auf dem Höhepunkt, der Balladenwelthit zum Abschluss sollte wohl herunter kühlen, doch die Menge forderte mehr – und bekam mehr. Dass man die eine Nummer noch einmal auspackte störte da niemanden.

Man nahm dankbar an, was man serviert bekam, vor allem wenn es von dieser Qualität war. Bleibt zu hoffen, dass sich solche Events mehren, dass die Türen im Herbst nicht wieder geschlossen werden, und endlich wieder richtige Tourneen stattfinden. Denn ich denke da draußen gibt es noch viele andere, die endlich wieder den Segen, den Balsam für die Seele erhalten wollen, was 75 Auserwählte am Samstag erleben durften. (Pfälzer)

Setlist JUKE BOX HERO:
Feels Like The First Time
Double Vision
Say You Will
Long Way From Home
Cold As Ice
Waiting For A Girl Like You
Urgent
That Was Yesterday
Hot Blooded
Juke Box Hero
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I Want To Know What Love Is
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Urgent

 

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(Fotos:Sarah-Jane Albrecht)

Kategorie: Konzerte