Ana Popovic (20.10.2020, Aschaffenburg)

anapopovic tourplakatDie Mutter aller Durststrecken ist vorbei und ich hoffe es wird nie mehr eine solche kommen, obwohl wir mit der Seuche noch lange nicht am Ende sind. Sieben Monate und eine Woche kein Konzert, das gab es in den letzten dreißig Jahren nicht einmal annähernd. Mit der serbischen Bluesgitarristin stand wieder ein Konzert eines Originalkünstlers auf dem Programm. Möglich gemacht hat es der Colos-Saal in Aschaffenburg, der dafür ziemlich umstellen und eine Atmosphäre schaffen musste, welche die Betreiber selbst als surreal ansehen. Aber besser Konzerte in der Art und Weise als gar keine und mit ANA POPOVIC war wie bei meinem letzten Konzert mit AYNSLEY LISTER Blues angesagt, wobei beide noch der selbe Jahrgang sind. Die Karriere der Dame verfolgt der Autor schon ein wenig länger und war auch gespannt Songs ihres letzten Albums "Like It On Top" live zu hören. NECKBREAKER lauschte also der ersten Show des Abends, denn das große Interesse machte zwei Gigs an einem Abend notwendig.

Das ist natürlich klar, wenn lediglich maximal 100 Besucher in den Saal dürfen, und das nur unter strengen Sicherheitsauflagen. In der Tat war es ungewöhnlich in einen fast leeren Saal zu schauen, wo verteilt kleine Café-Tische standen, um welche herum kleine Grüppchen und Paare saßen. Das hatte wenig mit einigen kuscheligen Abenden zu tun, welche ich dort schon erleben durfte. Man sah dem Publikum eine gewisse Unsicherheit an, es wurde eng an die Tische heran gerückt und kaum den Gang zur Theke angetreten. Ein Schlappe Seppl musste aber doch sein, da fühlte man sich gleich heimischer, zumal mir die Gesichter hinter der Theke auch familiär vorkamen.

Bei einer kurzen Ansage des Veranstalters gab es allerdings zuerst einmal eine Entäuschung, denn einige Mitglieder von Anas Begleitband bekamen die Ausreise aus dem USA verweigert, so dass lediglich ihr langjähriger italienischer Tastenmann Michele Papadia die Bühne mit ihr teilen konnte. Dabei hatte sowohl die Rhythmusfraktion wie die Bläser alle notwendigen Unterlagen und einen negativen Test im Gepäck, es nützte nichts. Ich weiß nicht warum die Künstlerin nicht auf ihre frühere europäische Rhythmusgruppe zurück gegriffen hat, aber die Sache hatte ob der Umstände einen Beigeschmack.
Ich wage es mal zu bezweifeln, dass ein Industriemanager ähnlich behandelt worden wäre, auch wenn er vielleicht irgendwohin unterwegs gewesen wäre, um einen Deal abzuschließen, der nur das Ziel hat, wertige Arbeitsplätze zu vernichten. An Regeln müssen wir uns alle halten, vor allem in der jetzigen Zeit, auch Flughafenmitarbeiter. Und ja, man kann vielleicht Reisen unterlassen, die nicht notwendig sind, aber auch nicht alle Geschäftsreisen sind notwendig. Man kann nicht oft genug betonen, wie sehr weiterhin Kunst und Kultur Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, alleine deswegen ein großes Lob an alle Verantwortlichen, das durchzuziehen.

Weniger Widerstand hatte ANA POPOVIC das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, der Applaus war warm und herzlich als sie mit ihrem Tastenmann die Bühne betrat. Natürlich fiel er nicht so lautstark aus, wie ich es an der Stätte schon erlebt habe, aber es kam von Herzen, Erleichterung schwang auch mit. Endlich wieder livehaftige Töne, wobei sich die Wahl-Kalifornierin beim ersten Titel die Klampfe schnappte und ihn noch reduzierter durchzockte, als sie ihr Set ohnehin bestreiten musste. Es war natürlich schwierig so kurzfristig alles umzuarrangieren, auch wenn sie öfter in ihrer Karriere stromlos interpretierte. Doch hier zeigt sich eine gestandene Musikerin, die sich in solchen Situationen neu erfinden kann. Wie sie selbst später betonte, ist ein Lied nur dann ein wirklich gutes Lied, wenn es auch komplett akustisch funktioniert.

Die Kommunikation zwischen Publikum und Bühne beschränkte sich auf ein paar Ansagen, für welche sich die Blueslady allerdings viel Zeit nahm, was von den Zuschauern ebenso beklatscht wurde. Auf Animationen wollte sie wohl ob der derzeitigen Weltlage verzichten, um nicht vielleicht in Versuchung zu führen gegen etwaige Auflagen zu verstoßen. Man merkte, dass ihr dies schwer fiel, sie geht auch gerne aus sich heraus, nun war sie an ihren Stuhl gefesselt, was sie ähnlich verunsicherte wie ihre Zuhörer an dem Abend. Sie stand ja quasi fast nackt da vorne, konnte sich kaum hinter einer Band verstecken, es war zu spüren, wie ihe Finger noch genauer beäugt wurde, als sie über das Griffbrett glitten.
Das kann sie natürlich und auch wenn sie bei weitem nicht zu solchen Improvisationen ausholte wie mit voller Begleitung, so bot sie eine Reihe toller Soli an. Dabei legte sie viel Gefühl an den Tag beugte sich weit zu ihrer Strat runter, die sie ab dem zweiten Titel öfter umgeschnallt hatte. Ohne Drumarrangements, welche diese akzentuieren klangen die Soloeinlagen auch anders als gewohnt, vielleicht trockener, boten jedoch auch viele neue Aspekte. Im reduzierten Soundgewand wurde jeder einzelne Ton plastisch, dazu die hohe Konzentration auf ihr Spiel, so wurde der Zuschauer viel näher in ihre Darbietung hinein gezogen, konnte jedes Detail besser verarbeiten.

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Mit zwei Musikern gestaltete sich auch das Zusammenspiel schwieriger, weil ja der verbindende Rhythmus fehlt und eben auch vieles neu arrangiert werden musste. Schon bei den Gesängen war die Dame auf sich alleine gestellt, die mehrstimmigen souligen Chöre fielen weg. Papadia konnte sich so aber mehr in Szene setzen als sonst, teilweise dominierte er die Stücke und bekam auch einige Solospots. Eines seiner Nord-Teile war eher auf E-Piano moduliert, das andere auf die Orgel, zwischen denen der Mann immer wieder wechselte. Schön zu beobachten, wie sich die beiden Protagonisten immer wieder Blicke zuwarfen, sich mit ihrer Mimik verständigten, um vielleicht auch mal die ein oder neue Idee abzustimmen. Nach vierzehn gemeinsamen Jahren auf der Bühne sind sie ein eingespieltes Team, das die Aufgabe mühelos meisterte.

Was ihnen immer etwas reingrätschte war die Abmischung, denn ohne die nötigen Tiefen fehlte schon etwas und um mit zwei Instrumenten einen lauten PA-Sound hinzuzaubern muss der Techniker schon etwas übersteuern. Dieses Manko machte ANA POPOVIC mit einer beseelten und konzentrierten Leistung wett. Das kürzere Set gab kaum Atempausen her, denn auch die Stücke selbst wurden in ihrer Ausführung ein bisschen reduziert. Dadurch konnte sie mehr Lieder bringen, auch wenn die Spielzeit mit achtzig Minuten eine halbe Stunde kürzer ausfiel als gewohnt. Dies gab Auszügen aus ihren früheren Scheiben die Chance, welche in den letzten Jahren immer etwas zu kurz kamen. Manche wurden vom Publikum freudig begrüßt, jenes musste aufgrund der hohen Anzahl öfter zum Applaus ausholen, die nie euphorisch aber sehr dankbar ausfiel.

Das Hauptaugenmerk lag natürlich auf ihrem jüngsten Output "Like It On Top", ansonsten kam wie gewohnt Material von "Unconditional" und "Can You Stand The Heat" häufig zum Zuge, wobei bei letztgenanntem der Titeltrack vermisst wurde. Auch Cover aus ihrem "Blue Room"-Album gab es erneut nicht, ein "Catfish Blues" hätte sich angeboten. Am Ende richtete die Sängerin und Gitarristin warme Danksagungen an ihr Publikum, bevor sie sich verabschiedete. Eine gewisse Erleichterung war dann auch ihr anzusehen, doch alle Anwesenden wussten, dass die Sache noch lange nicht ausgestanden ist. Deswegen fielen die Zugabe-Rufe sehr verhalten aus und wurden auch nicht erhört, die gute Dame musste ja später noch einmal ran und ließ es sich auch nicht nehmen, am Ausgang noch ein paar Worte mit ihren Fans zu wechseln. (Pfälzer)

Setlist ANA POPOVIC:
Fearless Blues
Mo Better Love
Your Love Ain´t Real
Object of Obsession
Brand New Man
Last Thing I Do
New Coat Of Paint
Matter Of Time
Virtual Ground
Can´t you See What You´re Doing To Me
Long Road Down
You Don´t Move Me
How´d You Learn To Shake It Like That
Lasting Kind Of Love
Unconditional
Steal Me Away
Love Fever
Woman To Love

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(Fotos: Rainer)

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