Jethro Tull + Albert Hammond (21.07.2019, Saarbrücken)

jethroTull small52 Jahre gibt es JETHRO TULL, und Sänger Ian Anderson ist nun 71 Jahre jung. Dennoch ist die Vorfreude auf das anstehende Konzert umso größer, da ich eben eine jener musikalischen Legenden endlich live erleben werde. Leider weiß man bei solchen Konzerten zuvor nie, wie es wird und auch nicht, ob es eventuell das letzte Mal sein wird. Doch diese Fragen sollte man sich gar nicht erst stellen, denn letzten Endes geht es um die Musik.

 

 

 

 

ALBERT HAMMOND

Pünktlich um 19 Uhr beginnt der Singer-Songwriter ALBERT HAMMOND mit seinem Konzert, das sich als zweischneidiges Schwert herausstellt. Natürlich hat der Mann Musikgeschichte geschrieben und ist ein wahnsinnig guter Songwriter und Musikproduzent. Doch möchte man ihn wirklich im Vorprogramm einer Band wie JETHRO TULL sehen?

Die Antwort lässt sich an vielen Gesichtern im Publikum leicht ablesen, denn wirklich ins Bild passt der bereits 75-Jährige nicht. Leider zählt das auch für seine Musik an dem Abend. Natürlich hat er viele Hits geschrieben, und die ganz großen wie “One Moment In Time” (WHITNEY HOUSTON) oder der 80er Hit “Nothing’s Gonna Stop Us Now” (STARSHIP) kommen auch überwiegend gut an. Doch viele der anderen Songs dümpeln eher so vor sich hin.

Natürlich gibt es hier und da im Publikum einige Regungen, aber man merkt einfach deutlich, dass er vom Stil nicht passt. Da rettet ihn auch nicht “It Never Rains in Southern California” oder die JOE COCKER Nummer “Don't You Love Me Anymore”. Nichts gegen seine musikalische Arbeit oder die Qualität seiner Musik, aber im Vorprogramm von JETHRO TULL wirkt der Gute mehr als deplatziert. Hinzu kommt noch, dass die ursprüngliche Spielzeit überzogen wird und der Gute fast 60 Minuten spielt, was für viele auf dem Vorplatz zu lange ist. Die Musik bzw. der Stil ist auf Dauer einfach zu glatt gebügelt, da kann der sympathische Charakter des Musikers leider auch nicht viel dran ändern.

 

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JETHRO TULL

Das Blatt wendet sich, als vor Konzertbeginn von JETHRO TULL zunächst eine freundliche Willkommens-Ansage erklingt. Diese weist sofort daraufhin, dass keine Fotos oder Videos gemacht werden dürfen. Auch wenn Ian Anderson bekannterweise Fotos hasst, ist es in der heutigen Zeit nur schwer vorstellbar, den Fans das übliche Handy-Getue zu verbieten. Auch auf dem gut gefüllten Vorplatz befinden sich einige Rebellen, da tut auch der relativ hohe Altersdurchschnitt keinen Abbruch. Zwar werden hier und da Leute von der Security zurechtgewiesen, ein paar Fotos gibt es aber sicherlich dennoch. Das wurde einst auf dem Kammgarn Blues Festival etwas besser gelöst, indem vom Ansager an das eigentliche Vergnügen appelliert wurde und nicht auf den Verbot von Fotos. Man geht schließlich nicht zum Konzert um mit den Handys alles mitzufilmen, sondern um die Musik zu genießen. Das hat deutlich besser funktioniert.

Doch Fotos sollen auch in diesem Bericht nicht den Mammutanteil ausmachen, geht es hier doch schließlich um die Musik. Und die kann sich an diesem Abend mehr als hören lassen. Die Band ist sehr gut drauf und Ian Anderson ist noch immer gut bei Stimme, wenn auch nicht jeder Ton zu 100% sitzt. Mit viel Charme erzählt er zwischen den Songs einige kleinere Anekdoten aus der langen Geschichte der Band, die sehr zum Schmunzeln animieren. Da hätten wir den Schlagzeuger, der manchmal wochenlang Drum-Solos auf der Bühne zum Guten gab oder auch den Song “My God”, der sich eigentlich gegen Religion wendet, was viele damals aber falsch verstanden haben, da sie die Lyrics nicht gelesen haben.

Generell bestechen JETHRO TULL durch ihre wahnsinnig guten Texte. Auch wenn ihr Sound, mitunter stets durch die Flötentöne, sehr an Folk angelehnt ist, schlägt sehr viel Hardrock durch. Was gerade bei den Stücken im hinteren Drittel (“Aqualung”, “Locomotive Breath”) mehr als deutlich wird. Nach wie vor tanzt Ian Anderson über die Bühne, und auch den altbekannten Stand auf einem Bein kann er noch wie früher zelebrieren. Auch wenn er dabei nicht mehr so wild wie früher über die Bühne flitzt. Dafür dass er Bilder hasst und man zunächst denken können er sei eine Diva, ist er das jedoch keineswegs und stellt sich als sehr sympathischer und unterhaltsamer Frontmann heraus.

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Beim klassischen Stück “Bourrée in E minor” von JOHANN SEBASTIAN BACH sticht der Bassist sehr hervor, und Ian Anderson treibt noch gegen Ende allerlei Schabernack auf und mit seiner Flöte. Auch über eine Flöte kann gegrunzt werden. Gerade das hätte ich nicht unbedingt erwartet, denn eigentlich wirkte es auf mich immer so, als sei Ian Anderson eher der ernste Typ.

Das Publikum ist durchgängig gut bei Laune und genießt es, diese Band noch einmal live erleben zu können. Es wird viel gelacht bei den zum Teil sehr unterhaltsamen Erzählungen von Ian Anderson zwischen den Stücken. Gegen Konzertende, bei Stücken wie “Thick As A Brick”, “Aqualung” und der Zugabe “Locomotive Breath”, steigt die Stimmung in ungeahnte Höhen. So spielt die Band auch etwas länger als 22 Uhr, was aber zumindest von den anwesenden Fans niemanden stört.

Ein rundum gelungener Abend mit einer Band, die nicht wirklich passte und einer lebenden Legende, die einmal mehr zeigte, wo der Hammer hängt. Nicht jeder mag Fan der Flötentöne sein, doch JETHRO TULL haben auch einige härtere Nummern geschrieben und diese sollte man keineswegs unterschätzen. Live ist es dann sowieso noch mal ganz was anderes, wovon ich ich mich gerne noch mehrfach überzeugen lasse. Ein gelungener Abschluss des ersten und hoffentlich nicht letzten Saarbrücker Open-Air Sommers. (Pascal)

Ein ganz besonders großer Dank geht diesmal an Michael alias Black Angel, der uns freundlicherweise die Bilder für den Bericht zur Verfügung gestellt hat. Schaut unbedingt mal bei ihm vorbei: http://www.black-angel.eu/

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(Fotos: Black Angel)

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